Suizidhilfe

Staat hat Leben zu schützen

Der Bundesrat schlägt vor, die organisierte Suizidhilfe in der Schweiz einzuschränken. Sie dürfe nicht zum Geschäft werden.

Die amtierende Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf will die Tätigkeit von Suizidhilfe-Organisationen Beschränkungen unterwerfen. Ihr Vorgänger Christoph Blocher lehnte Regelungen ab, weil jede Regelung das Treiben der Organisationen indirekt gutheissen würde; er forderte eine konsequente Anwendung geltender Bestimmungen. Widmer-Schlumpf will nun aber Auflagen machen, die unter anderem eine Zeitspanne zwischen Sterbewunsch und Ausführung setzen. Der Sterbewunsch sei oft nicht stabil; eine organisierte Beihilfe zu Handlungen im Affekt sei zu verhindern, sagte die Justizministerin vor den Medien.

Der Zürcher EVP-Kantonsrat Gerhard Fischer, der auf dem Feld mehrere Vorstösse eingereicht hat, stellt mit Genugtuung fest, dass der Bundesrat nun nicht nur Einschränkungen, sondern auch ein Verbot zur Diskussion stellt. Auch die offenere Variante der Schweizer Regierung sei restriktiver als die Vereinbarung, welche die Zürcher Justizdirektion mit Exit getroffen habe, sagte Fischer gegenüber Livenet. Die zwei Varianten, die die Regierung in die Vernehmlassung gibt, wurden an der letzten Sitzung mit Pascal Couchepin verabschiedet.

Organisationen entziehen sich der Kontrolle

Entweder, so der Bundesrat, soll das Strafrecht klare Sorgfaltspflichten für Mitarbeitende von Suizidhilfeorganisationen festhalten - oder die organisierte Suizidhilfe verbieten. Von den Vorschlägen nicht betroffen ist die Hilfe durch Verwandte und Freunde.

Die bisherige liberale Regelung, die die Beihilfe zum Suizid ohne selbstsüchtige Beweggründe zulässt, soll laut Medienmitteilung des Justizdepartements grundsätzlich beibehalten werden. Doch da die Suizidhilfeorganisationen «sich teilweise den staatlichen und standesrechtlichen Kontrollmechanismen entziehen», seien Leitplanken und Schranken angebracht. Namentlich will der Bundesrat «verhindern, dass sich die organisierte Suizidhilfe zur gewinnorientierten Tätigkeit entwickelt», und den Sterbetourismus eindämmen. Die Schweizer Regierung wendet sich dagegen, dass chronisch oder psychisch kranke Menschen Suizidbegleitung in Anspruch nehmen. «Der Suizid soll nur der letzte Ausweg sein.» Im Vordergrund müsse der Schutz des menschlichen Lebens stehen. Daher seien Palliativmedizin und Suizidprävention zu fördern.

Griffige Bestimmungen...

Der Artikel 115 des Strafgesetzbuches (StGB) soll nach dem ersten Vorschlag des Bundesrates Mitarbeitende von Suizidhilfeorganisationen verpflichten. «Zunächst muss die suizidwillige Person ihren Willen frei äussern und sich ihren Entscheid reiflich überlegt haben... Erforderlich sind zudem zwei Gutachten von zwei verschiedenen Ärztinnen oder Ärzten, die von der Suizidhilfeorganisation unabhängig sind. Ein Gutachten muss belegen, dass die suizidwillige Person urteilsfähig ist, das zweite, dass die suizidwillige Person an einer körperlichen Krankheit leidet, die unheilbar ist und in kurzer Zeit zum Tod führen wird.»

Weiter muss nach dem bundesrätlichen Vorschlag der Suizidhelfer künftig auch «Alternativen zum Suizid aufzeigen und mit der betroffenen Person prüfen. Das eingesetzte Medikament muss ärztlich verschrieben worden sein, was eine nach ärztlichen Berufs- und Sorgfaltspflichten vorgenommene Diagnose und Indikation voraussetzt. Der Suizidhelfer verfolgt keinen Erwerbszweck; er darf keine Gegenleistung annehmen, die die Kosten und Auflagen für die Suizidhilfe übersteigen würde... Die Suizidhilfeorganisation und der Suizidhelfer müssen schliesslich über jeden Fall eine vollständige Dokumentation erstellen, um allfällige Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern.»

...oder ein Verbot

Als Variante zu einer Einschränkung stellt der Bundesrat ein Verbot der organisierten Suizidhilfe zur Diskussion. «Diese Variante geht von der Annahme aus, dass eine in einer Suizidhilfeorganisation tätige Person von vorneherein nicht aus rein altruistischen Gründen handeln und eine ausreichend enge Beziehung zur suizidwilligen Person entwickeln kann», heisst es in der Medienmitteilung.

Dignitas droht mit Referendum

Die Parteien haben unterschiedlich auf die Vorschläge reagiert. Die beiden wichtigsten Schweizer Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas haben die vom Bundesrat vorgeschlagene gesetzliche Regelung der organisierten Suizidhilfe heftig kritisiert. Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli kündigte das Referendum an.

Exit kritisierte, die Einschränkungen würden vor allem diejenigen Personen treffen, welche die Hilfe einer Organisation am nötigsten hätten. Das laufe auf «Menschenquälerei» hinaus. Nicht mehr der Patient entscheide, ob er Suizidhilfe in Anspruch nehmen wolle oder nicht, sondern an seiner Stelle zwei Gutachter. Das Recht auf einen würdigen Tod und die Verhinderung von Missbräuchen würden nicht gefördert, wenn anstelle von Organisationen Privatpersonen Freitodbegleitungen durchführen müssten.

Links zum Thema:
Das Eidgenössische Justizdepartement zur Suizidhilfe 
Lebenshilfe statt Beihilfe zum Suizid: Positionspapier der EVP
Datum: 30.10.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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