Multikulti am TDS Aarau

Andersgläubige unter uns

Religion, Identität, Abgrenzung und Begegnung: Um Themen wie diese ging es an zwei Projekttagen des Theologisch-Diakonischen Seminars Aarau (TDS Aarau). Nach dem Austausch wurden die Ideen direkt in die Tat umgesetzt – vor dem Aarauer Bahnhof.

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«Auf Andersgläubige zugehen»: Gruppenarbeit in den Workshops
«Uns trennt nur ein Häuserblock, und wir begegnen uns täglich. Da wir aber gelernt haben, uns zu ignorieren, kennen wir uns nicht.» Die schmerzhafte Distanz, formuliert von einer
muslimischen Immigrantin aus einem Schweizer Dorf und von einer TDS-Studentin mit Akustikgitarre in einem selbst geschriebenen Song interpretiert, ist auch in der vermeintlichen Intimität der kleinen Schweiz Realität geworden: Die Pluralisierung scheint Grenzen zu schaffen statt abzubauen.

Zusammenleben mit Andersgläubigen

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Eva Baumann-Neuhaus
Zum Einstieg in die Projekttage vom 18. und 19. Februar 2013 präsentierte Dr. Eva Baumann-Neuhaus, Ethnologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut (SPI), aktuelle Fakten aus der «religiösen Landschaft Schweiz». Mit ihrem Grundsatzreferat «Zusammenleben mit Andersgläubigen in der Schweiz» bot sie reichlich Stoff zu Reflexion und Diskussion. Die Vielfalt sei zwar zu einem Merkmal unseres religiösen Lebens geworden, doch das Nebeneinander der Glaubensrichtungen und Lebensstile fördere nicht automatisch Verständnis und Toleranz. Allzu oft würden Religionen in stereotype Muster gepackt und in Schwarz-Weiss-Manier entweder positiv oder negativ dargestellt.

Wer Halt im Glauben findet, darf ihn überzeugt vertreten

Im atemberaubend schnellen gesellschaftlichen und spirituellen Wandel die eigene Position zu definieren und gleichzeitig offen für die unvoreingenommene Begegnung zu bleiben, ist auch für den zweiten Tagesreferent, Dr. theol. Christian Weber, eine zentrale Herausforderung. Christian Weber, Studienleiter bei «mission 21», ist nach sechs Jahren Tätigkeit als Ausbildner in der Demokratischen Republik Kongo mit der interkulturellen Begegnung vertraut. Er machte Mut dazu, sich als Christ nicht auf einen der Pole «Exklusivismus» bzw. «Relativismus» zurückzuziehen und dort zu verharren, sondern die eigene Position dazwischen zu finden. Wer in seinem Glauben Halt und Identität gefunden habe, dürfe ihn auch überzeugt und angstfrei vertreten und einem andersgläubigen Gegenüber mutig bezeugen, meinte er und plädierte für ein wertschätzendes Aufeinander-zugehen.

Workshops, Austausch und Übung auf der Strasse

Die Gedankenanstösse aus den Referaten vertieften die Studierenden anschliessend in einem reichhaltigen Workshop-Angebot. Einzelne Workshops ermöglichten interessante Begegnungen: So erzählte etwa der Asylsuchende Samson von seinen persönlichen Erfahrungen mit Menschen und Instanzen in der Schweiz. Nachdem Eritrea in den Neunzigerjahren unabhängig geworden war, wurde der junge Mann, dessen Vater Äthiopier war, mehrmals zwischen den beiden Ländern hin und her geschoben, mit dem Hinweis, er sei nicht erwünscht. 1999, kurz bevor er in die eritreische Armee hätte einrücken müssen, gelang ihm die Flucht.

Obwohl Samson sich in verständlichem Deutsch unterhalten kann und die Schweizer Geografie eindrücklich beherrscht, hat sich sein Traum, in der Schweiz als Maler oder Koch Geld zu verdienen und sich eine Existenz aufbauen zu können, auch nach 14 Jahren noch nicht erfüllt. Jahrelang war er in diversen Asylunterkünften zwischen Kreuzlingen und Meiringen zum Nichtstun gezwungen.

Noch praktischer wurde es in einem kurzen Strasseneinsatz rund um den Bahnhof Aarau: Mit Hilfe eines kleinen Fragebogens wurde der spontane Direktkontakt zu Fremdsprachigen gesucht und das Abbauen von Grenzen konkret geübt.

Sensibilität und gemeinsames Abendessen

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Im Plenum gab es auch Gelegenheit zum Schmunzeln.
TDS-Rektor Dr. Paul Kleiner zieht eine positive Bilanz aus den beiden Projekttagen: «Die Studierenden nehmen zahlreiche Eindrücke, Impulse und Ideen aus den Projekttagen mit und werden sich ihren Tätigkeitsfeldern in Kirche und Gesellschaft mit neuer Sensibilität widmen.»

Eine von vielen Antworten auf die Frage, wie man denn unvoreingenommen aufeinander zugehen könnte, steuerte übrigens die Muslimin in der eingangs erwähnten Gitarrenballade bei: «Wollen wir einmal zusammen Abendessen?»

Webseite:
Internetauftritt TDS Aarau

Zum Thema:
Wie können wir die Schweiz wirklich prägen?
Leben inmitten von Fremden

Datum: 25.02.2013
Quelle: TDS Aarau

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