«Das ist echt ein
Charakter!», sagt man gelegentlich von Menschen, deren Verhaltensweisen
besonders hervorstechen. Das ist nicht immer als Kompliment gemeint. Manchmal
jedoch schon. Nämlich dann, wenn es einen Menschen beschreibt, der seinen
eigenen Weg gefunden hat. Und der sich nicht scheut, zum Ausdruck zu bringen,
was ihn ausmacht.
Wie die Geigerin Patricia Kopatchinskaja, die – anderes als
ihre Kollegen, die in schicken Schuhen spielen – bei Konzerten ihre Schuhe
ablegt, weil sie barfuss ausdrucksstärker spielen kann. Das ist Ausdruck ihrer
Persönlichkeit. Sie steht zu sich – im durchaus wörtlichen Sinne.
Charakter zeigen?!
Charakter beinhaltet die
nach aussen sichtbaren Vorlieben. Da gab es die vom früheren deutschen
Bundeskanzler Schröder oft medienwirksam gezeigte Vorliebe für Currywurst.
Vermutlich liebte er dieses Gericht tatsächlich, doch er nutze diese Vorliebe
auch, um Volksnähe zu demonstrieren. Es wäre spannend, zu erfahren, ob er jetzt
auch noch so oft und gerne Currywurst isst, wie in seinen Berliner Tagen.
Adlige wie Harry und Meghan
geben ihrem Kind bewusst den eher gewöhnlichen Namen Archie, keinen Namen, den
Fürsten und Könige trugen. Vermutlich lieben sie den Namen und es ist ein
Ausdruck ihres Charakters, dass sie keinen der typischen Namen gewählt haben.
Vielleicht wollen sie auch damit bewusst etwas demonstrieren.
Bei einigen bekannten
Menschen wirkt es so, als ob sie bestimmte Stile, Eigenheiten und Marotten nur
deshalb pflegen, damit die Presse über sie berichtet. Ich frage mich: Würden
sie ihre riesigen Sonnenbrillen und aufgemotzten Schosshündchen auch dann noch
tragen, wenn niemand sie sehen würde? Mögen sie diese Dinge wirklich? Wenn es
so ist – und tatsächlich ein Nordlicht Kuckucksuhren liebt oder ein Mitarbeiter
einer Drogeriekette weisse Hosen mit Schlag –, dann beweist es Charakter, das zu
zeigen.
Charakter haben
Charakter ist weit mehr als
die Charaktereigenschaften, die nach aussen erkennbar sind. Als «Charakter»
bezeichnet man auch ein Schriftzeichen, das unverwechselbar ist. So wie die
chinesischen Zeichen, die im Englischen «characters» genannt werden.
Ein Zeichen drückt etwas
aus. Etwas Einmaliges und Unverwechselbares. Bei Schriftzeichen ist die Auswahl
relativ begrenzt. Beim Charakter sind die Möglichkeiten, das Einzigartige
auszudrücken, praktisch unendlich.
Hier ist die Frage: Welche
Handlungsweisen und welche Aktivitäten passen zu mir? Welche Kleidung
unterstreicht, was mich ausmacht? Welche habe ich wirklich?
Charakter verändern?
Authentisch – also als echt
befunden – wird man nur dann, wenn das, was man tatsächlich ist, mit dem, was
man sein möchte, übereinstimmt. Man wird kaum authentisch
wirken, wenn man versucht, sich zurückhaltend zu geben, wenn man eigentlich
übersprudelnd und quirlig ist. Oder wenn man versucht, den grossen Macher zu spielen,
aber es im Grunde lieber hat, wenn jemand anderes sagt, wo es langgeht. Andere
Menschen durchschauen solche Verkleidungsspiele sehr schnell. Sie spüren, dass
Mimik und Körpersprache nicht zu dem passt, was vorgegeben wird und dass der
Mensch etwas spielt, was er oder sie nicht ist.
Was aber durchaus möglich
ist, ist organische Veränderung.
Wenn man spürt, dass im
Inneren versteckte Saiten zum Klingen kommen wollen, kann man dem nachspüren
und fragen: Welche Überzeugungen haben mich bisher daran gehindert, diese Seite
auszuleben? Was müsste ich in meinem
Denken ändern, um dem mehr Raum zu geben? Dann kann es tatsächlich sein, dass
die Quasselstrippe stiller wird. Nicht weil sie denkt, dass sie muss. Sondern
weil sie die Annahme abgelegt hat, nur wichtig zu sein, wenn sie redet. Sie hat
– authentisch – ihren Charakter verändert.
Praxistipps
Charakterbild: Zeichne oder notiere die Eigenschaften und
Verhaltensweisen, die dich besonders charakterisieren.
Veränderung: Welche Aspekte deines Charakters gefallen dir
nicht so gut? Welche neuen inneren Überzeugungen könntest du entwickeln, um
diese Muster zu entkräften?
Meghan und Harry sorgten mit einer «Netflix»-Doku für mächtig Wirbel. Die Autorin und «Woman Alive»-Chefredaktorin Tola Doll Fisher machte sich dazu...