«Du fühlst ja gar nicht
richtig mit!», beschwerte sich ein guter, sehr sensibler Freund bei mir.
«Natürlich tue ich das!» «Nein, tust du nicht – bei mir kommt nichts an»,
erwiderte er. Seine Antwort liess mich ratlos zurück. Wenn er oder andere mir
etwas erzählten, ging mir das schon zu Herzen. Ich dachte mit, suchte nach
Lösungen, überlegte, was ich tun könnte. Wie konnte er nur denken, ich würde
nicht mitfühlen?
Einige Wochen nach diesem
Gespräch schenkte mir ein anderer guter Freund Blumen. Ich dachte: «Wie nett!«
Auf einmal ging mir ein Licht auf. Ich dachte das Gefühl Freude, aber
eigentlich spürte ich es nicht oder zumindest nicht stark in meinem Inneren. Es
war lediglich im Kopf.
«Was spüre ich gerade – wirklich?»
Damals – vor vielen Jahren –
begann meine Reise in die Welt der Gefühle. Statt nur zu denken: «Das ist
nett», oder: «Das ist doof», versuchte ich nun, meinen Gefühlen auf die Spur zu
kommen. Immer wieder fragte ich mich: «Was spüre ich gerade – wirklich?» Am
Anfang waren die inneren Signale, die ich wahrnahm, noch recht schwach. Im
Laufe der Zeit lernte ich, tiefer und besser zu spüren, was sich in mir
bewegte.
Ein Schlüssel hierfür war
für mich die Körperwahrnehmung. Jede Emotion ist zuerst im Körper aktiv, erst
später nehmen wir sie kognitiv, also mit unseren Gedanken wahr. Wer lernt, auf
seine Körpersignale zu achten, kommt seinen Gefühlen oft schneller auf die
Spur. Dazu gehören unter anderem die weichen Knie oder Herzklopfen (Angst,
Aufregung), sein leicht errötendes Gesicht (Scham), den Kraftzufluss im
Oberkörper (Angst), den Kloss im Hals (Trauer).
Emotion – was uns bewegt
Das lateinische Wort Emotion
beinhaltet den Aspekt der Bewegung: Motion. Emotionen sind quasi der innere
Motor. Gefühle zu spüren macht das Leben bunt und reich.
Sie lassen uns spüren, ob
wir gerade etwas brauchen – die sogenannten negativen Emotionen wie Angst,
Scham, Schuld, Ekel, Trauer oder Ärger. Oder sie weisen uns – als sogenannte
positive Emotionen wie Freude und Glücksgefühle – darauf hin, dass unsere
Bedürfnisse gerade gut gestillt sind.
Alle Emotionen sind im
Grunde positiv. Die Emotionen, die sich gut anfühlen, weisen uns darauf hin,
mehr von dem zu tun, was sich gut anfühlt. Und die unangenehmen Emotionen
lehren uns bestimmte Situationen – etwa den berühmten Säbelzahntiger – zu
meiden oder zu überwinden.
Übung macht den Meister
Kürzlich hatte ich ein
intensives Gespräch mit einem kreativen Unternehmer. Nach drei Stunden waren
wir beide platt – vor wechselseitiger Inspiration. Noch Tage später und jetzt
beim Erinnern spürte ich alle damit verbundenen Emotionen: Freude,
Begeisterung, Erschöpfung, Überraschung und Glück. Gefühle wahrzunehmen macht
tatsächlich innerlich reich und satt.
Man kann üben, Gefühle wahrzunehmen.
Das fällt leichter, wenn man entspannt ist, als in stressigen Zeiten. Dann
merken nur die anderen, was wir fühlen. Es ist sinnvoll, das Tempo zu drosseln,
nicht mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Stattdessen kann man innehalten und
eine Weile lang einem Gegenstand oder einem Menschen ungeteilte Aufmerksamkeit
schenken. Man selbst sein.
Achtsames Hinhören und
Wahrnehmen hilft dabei, sich auf die Spur zu kommen: Welche Signale sendet mein
Körper? Was fühle ich? Kurzes Innehalten gibt Kraft: Schon zwanzig Sekunden
bewussten Betrachtens bewirken, dass du Dinge tiefer wahrnimmst – und
entspannter und glücklicher bist.
Praxistipps
Lies und vervollständige: Ich kann meine eigenen
Gefühle kaum wahrnehmen, wenn ich ...
Ich fühle mich innerlich gelöst
und kann meine Empfindungen besser spüren, wenn ich ...
Übe: Nimm dir Zeit, wahrzunehmen, was du innerlich oder in deinem
Körper empfindest.
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