Freude kommt dann zum Vorschein, wenn unsere grundlegenden Bedürfnisse erfüllt sind. Wir können sie aber nicht erzwingen, wie auch nicht das Erblühen einer Blume. Freude entfaltet sich, wenn wir uns den Freiraum schaffen, um Freude zu empfinden. Ein Ratgeber von Kerstin Hack.
Das Leben mal wieder so
richtig geniessen, voller Ausgelassenheit und Unbeschwertheit – das wünschen
sich viele. Ich gehöre eher zu den Menschen, die sich oft freuen – gerade auch
über Kleinigkeiten, wie über die Männer, die gerade neben meinem Schiff Hindernisse
aus der Spree entfernen. So etwas zu sehen, finde ich spannend und ich freue
mich, dass ich das erleben darf.
Ganz lange dachte ich, es
sei typbedingt, wie viel Lebensfreude man verspürt. Die einen freuen sich eben
mehr, die anderen weniger. Das stimmt, doch nur zum Teil. Es hat auch viel mit
Denkmustern und Haltungen zu tun, wie viel Freude man erlebt. Denkmuster und
Haltungen kann man aktiv beeinflussen, wenn man will.
Mehr Freude erleben lernen
Manche Menschen spüren nur selten
Freude. Sie sehen eher das halb leere Glas als immerhin
ein halb volles Glas. Ganz zu schweigen davon, dass sie vergessen, dass die
Welt voller Wasserhähne ist und man jedes halb gefüllte Glas weiter auffüllen
kann. Ihnen ist kein Vorwurf zu machen. Sie sind auch keine geborenen
Miesepeter, sondern haben wohl kaum gelernt, wie sie mehr Raum für
Lebensfreude schaffen können.
Das finde ich richtig
schade. Deshalb habe ich mich gefragt:
Was führt dazu, dass ich mein Leben meistens geniesse?
Welche Haltungen verstärken meine Lebensfreuden?
Was mache ich unbewusst richtig – so dass ich als Ergebnis Glück
und Zufriedenheit erlebe?
Ich habe ein paar Antworten gefunden. Freude kann man, wie alle
anderen Emotionen, nicht direkt beeinflussen. Jeder hat schon erlebt, dass
jemand sagte: «Freu dich doch!» Aber man war nicht in der Lage, Freude zu
empfinden. Und fühlte sich nach der Aufforderung noch schlechter als vorher.
Freude kann man nicht durch einen blossen Willensentscheid produzieren.
So nach dem Motto: «Jetzt freue ich mich aber mal.» Wenn man es versucht, wird
schnell spürbar, dass keine echte Emotion die Basis bildet.
Freude und Bedürfnisse
Gott hat den Menschen so
geschaffen, dass Freude sich zuverlässig dann einstellt, wenn unsere grundlegenden
Bedürfnisse erfüllt sind. Als stille Freude, wenn wir uns wohl und sicher
fühlen. Oder laute, sprudelnde Freude, wenn wir etwas gelernt, entdeckt oder etwas
Verlorenes wiedergefunden haben. Das stärkt uns im Leben.
Freude verzieht sich schnell
aus unserem Leben, wenn eines oder mehrere Bedürfnisse nicht erfüllt sind, z.
B. das Bedürfnis nach Nähe, Sicherheit oder Versorgung. Dann sind wir
ängstlich, sorgenvoll, einsam oder unglücklich. Alles, nur nicht froh.
Im Grund ist Freude – wie
auch die anderen Emotionen – ein zuverlässiges, inneres Barometer, das uns das
Leben lehrt. Wenn Sie das Richtige tun,
erleben Sie Freude. Wenn Sie Handlungen tun, die Ihnen und anderen schaden, spüren Sie eher Gefühle wie Scham, Angst oder Trauer. In einer unvollkommenen Welt ist
dieses Barometer manchmal auch verbogen – etwa bei Schadenfreude. Trotzdem sind
Gefühle oft ein guter Hinweis auf Verhalten, das Leben fördert oder
einschränkt.
Mehr Freude finden
Wir können Freude genauso
wenig zum Erblühen bringen wie eine Blume. Aber wir können die Chance erhöhen,
dass sie gedeiht und aufblüht. Im Bild gesprochen: Wir können den Blumensamen
düngen, bewässern und das Erdreich lockern. Und das zarte Pflänzchen vor kalten
Winden schützen.
Das können wir auf zwei
Arten tun. Zum einen, indem wir unseren Blick bewusst darauf lenken, welche
unserer Bedürfnisse erfüllt sind – etwa das Bedürfnis nach Sicherheit, nach
Verbundenheit mit anderen Menschen oder nach Abwechslung und Inspiration. Das
löst vielleicht keine jubelnde Freude aus, doch zumindest mehr Zufriedenheit.
Zum anderen können wir
Freude mit der Zutat der Selbstfürsorge und Achtsamkeit auf die eigenen
Bedürfnisse nähren. Wir können darauf achten, nicht über unsere Bedürfnisse, wie
zum Beispiel Ruhe und Autonomie, hinwegzugehen, sondern gut für uns zu sorgen.
Freude entfaltet sich, wenn
wir den inneren und zeitlichen Freiraum schaffen, den wir brauchen, um Freude
zu empfinden. In einem gestressten Umfeld blüht nichts auf. Wir können – um ein
anderes Bild zu gebrauchen – Raum freihalten, den die Freude braucht, um sich
bei uns niederzulassen. Wir können der Freude eine Landebahn in unserem Leben
bauen.
Praxistipps
Beobachtung: Beobachten Sie sich eine Woche lang. In welchen
Momenten empfinden Sie besonders viel Freude? Was könnten Sie tun, um mehr von
diesen Momenten zu erleben? Sie können auch überlegen, wie Sie zur Erfüllung der
Bedürfnisse eines anderen Menschen beitragen könnten und so sich und ihnen mehr
Freude machen können.
Freude-Tagebuch: Gestalten Sie ein Buch, in das Sie täglich schreiben,
was Ihnen Freude gemacht hat. Die Fokussierung auf frohe Momente wird dazu
führen, dass Sie sie im Alltag schneller wahrnehmen.
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