Bald finden in der Schweiz die Eidgenössischen Wahlen 2019 statt. Livenet lud drei Parlamentarier zum Talk (s. Youtube-Video ganz unten im Text) ein. Sie alle verbindet der christliche Glaube. Wie versuchen sie dies in die Politik einzubringen? Was erlebt man so als Christ im Bundeshaus?
vlnr: Moderator Florian Wüthrich, Erich von Siebenthal, Marianne Streiff und Philipp Hadorn
Die
zwei Politiker und die Politikerin kommen aus unterschiedlichen Parteien, doch
sie glauben alle an den gleichen Gott: Die Rede ist von Erich von Siebenthal (SVP), Marianne Streiff (EVP) und Philipp Hadorn (SP). Bei Livenet in Bern diskutierten
sie am 27. September 2019, direkt nach der letzten Session vor den Wahlen, über Christsein und Politik. Moderiert wurde das Gespräch von Livenet-Redaktionsleiter Florian Wüthrich.
Freuden und Frust während einer Session
Zu Beginn des Talks teilten die drei
Nationalräte ihre Highlights der vorangegangenen Session im Bundeshaus. «Ich
konnte relativ viel dazu beitragen, dass ab jetzt Rundholzlagerplätze im Wald
möglich sind. Das freute mich, da es ein persönliches Anliegen war», berichtete
SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal, der im Berner Oberland zuhause ist.
«Erfreulich war für mich von der Familienpolitik her, dass das Postulat der
Frühförderung der Kinder angenommen wurde», meinte Marianne Streiff,
Parteipräsidentin der EVP aus dem Kanton Bern. Ihr selber gefiel ausserdem der
Beschluss, dass auch Familien, die ihre Kinder selber betreuen, einen höheren
Steuerabzug machen können.
«Heute haben uns ein paar Leute verlassen, die nicht
mehr antreten werden. Deshalb hat mich das Zusammensein mit all den
verschiedenen Leuten mit unterschiedlichen Hintergründen besonders gefreut»,
sagte Philipp Hadorn, SP-Nationalrat aus dem Kanton Solothurn, rückblickend.
Das hinterlasse bei ihm etwas Bleibendes.
Mit Herz und Glaube
Erich von Siebenthal (SVP)
Als Christen stehen die drei
Nationalräte immer wieder vor der Herausforderung, einen Weg zu finden, ihr
Herz und ihren Glauben in ihrer politischen Tätigkeit einzubeziehen. «Ich habe
grossen Respekt, wenn ich jeweils über den Bundesplatz laufe. Mir ist es ein
Anliegen, dass der Herr mir zeigt, was ich letztendlich hier drinnen soll»,
erzählte von Siebenthal.
«Mit
der Grundhaltung, dass wir von Gott angenommen sind, können wir uns überlegen:
Welche Politik dient dem, dass wir auch andere Menschen annehmen?», erklärte
Hadorn. Doch obwohl die drei denselben Glauben haben, kommen sie auf andere
Ansätze. «Wir beten alle zum selben Gott, lesen
die gleiche Bibel und achten einander sehr. Und wir kommen zu unterschiedlichen
Lösungen in den politischen Fragen», zeigte Streiff auf. Die Prüfschnur für sie
sei dabei, ob es der Bewahrung der Schöpfung diene, ob man die Menschenwürde achte
oder ob man nur Finanzen als Ziel im Kopf habe. «Das sind die Messschnüre, die
unser Christsein tief ausmachen.»
Das Evangelium im Parteiprogramm
Marianne Streiff (EVP)
Auf die Frage, wie man sich in der
Politik als Christ positionieren kann, wies Streiff auf das «E» in ihrer Partei
hin: «Für uns als Partei ist es in dem Sinne einfacher, weil wir das Christsein
schon im Parteinamen haben.» Man wisse grundsätzlich, dass die ethischen
Grundwerte der EVP auf dem Evangelium basieren.
Doch auch Hadorn kann seinen
Glauben mit seiner Parteiausrichtung vereinbaren: «Die sozialen, ethischen und
wirtschaftlichen Themen kann man vom Evangelium ablesen und eins zu eins im
Parteiprogramm der SP wiederfinden, auch wenn dieses an sich nicht christlich
ist.» Für ihn sei es ein Privileg, in einer Partei mitwirken zu dürfen, in der
diese Werte vorkommen, die unter anderem die Kernpunkte des christlichen
Glaubens ausmachen. «Es ist eine zusätzliche Ressource, mit dem Schöpfer
verbunden zu sein, der diese Werte geprägt hat», führte er aus. Siebenthal äusserte sich dankbar: «Seinen Platz als Christ in einer grossen Fraktion zu finden, ist ein
Geschenk und eine Gnade.»
Knöpfe der Verantwortung
Phillip Hadorn (SP)
«Im
Zeitalter, in dem wir eine Medizin haben, die das Sterben fast verunmöglicht,
kommen plötzlich ethische Fragen auf, die man sich vor 100 Jahren gar nicht
stellen musste», stellte Hadorn fest. Alle seien hier gefordert, christliche Lösungsansätze
darauf zu suchen und zu finden. Tatsächlich müssen sich die Nationalräte im
Allgemeinen mit vielen Fragen und Antworten auseinandersetzen.
In einer Session werden nämlich gegen 300 Entscheidungen per Knopfdruck gefällt. «Wir haben eine rechte Verantwortung bei unseren Entscheidungen. Es geht um
die Zukunft von nächsten Generationen und unserem Land», betonte Streiff. Die Antworten
seien dabei nicht immer schwarz-weiss. «Es ist ein Ringen um jeden einzelnen
Kopfdruck. Was erachte ich jetzt mit allen Gewichtungen als das Richtige?»,
verdeutlichte sie.
Wählen: ein Geschenk
Die Verantwortung tragen in einer
Demokratie aber nicht nur die Politiker, es liegt auch am Volk, sich
einzubringen. «Es ist ein riesen Privileg, dass wir überhaupt diese Möglichkeit
haben», stellte Siebenthal klar. «Das Wichtigste ist, das Couvert überhaupt auszufüllen.
Ohne das funktioniert unser Staatswesen nicht.» Streiff ergänzte: «Wir sind
nicht nur verantwortlich für das, was wir tun. Wir tragen auch die
Verantwortung für das, was wir nicht tun. Und nicht wählen gehen, ist auch eine
Wahl.» Besonders die Christen sollen ihre Verantwortung wahrnehmen, so die
Nationalrätin. «Ich
freue mich sehr, dass viele Christen für die Politik und unser Land beten», teilte
Hadorn mit. Doch genauso wichtig sei es, dann wirklich zu stimmen und zu wählen.
«Was kann ein Christ in der Politik ausmachen? Ich denke, wir können mehr als
eine Prise Salz sein. Das machen wir auch, wenn die Christen uns wählen.»
Was die drei Nationalräte sonst noch
beschäftigt und was sie von der aktuellen Klimadebatte halten – das erfahren
Sie im Video. Hier finden Sie den Livenet-Talk in voller Länge:
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