Seit 1994 bestimmt eine Jury das «Unwort des Jahres» der deutschen Sprache. Christliche «Unwörter» haben durchaus das Potential, es auch in die Auswahl zu schaffen. Über christliche Unwörter hat sich Meinrad Schicker Gedanken gemacht. Warum immer wieder neue Begriffe erfinden, die doch nur Altbekanntes ausdrücken?
«Die Gemeinde muss verortet werden!» - «Wir wollen keine missionarische, sondern eine missionale Bewegung sein!» - «Christsein ist inkarnatorisch!»
Diese und andere Begriffe prägten die Vorträge von Johannes Reimer während der Ministry Conference 2011 der BewegungPlus. Eigentlich verbergen sich hinter diesen neuen Begriffen altbekannte Überzeugungen:
Verortung:
Wenn das Evangelium nicht konkret wird und ganz reale Menschen mit erkennbaren Gesichtern erreicht, erreichen wir niemanden.
Missional:
Wünschen wir uns nicht alle, dass der Auftrag zur Mission und Evangelisation nicht nur gelegentlich mit bestimmten Projekten abgehakt wird, sondern echt zur DNA, zum Wesen unserer Gemeinden wird?
Inkarnation:
Jesus wurde Mensch. So sollen doch auch wir jenen, die wir für Jesus gewinnen wollen, nahe kommen und eine(r) von ihnen werden.
Die Tatsache, dass sich hinter diesen Begriffen nichts umwerfend Neues verbirgt, macht nur etwas sichtbar: Wir tun noch nicht, was wir eigentlich zu wissen meinen! Neue Begriffe für Altbekanntes müssen erst dann nicht mehr erfunden werden, wenn wir leben, was wir zu wissen meinen.
Es geht eigentlich nicht um neue Begriffe und deren Einführung, sondern darum, dass unsere Hände und Füsse von dem bewegt werden, was im Moment nur unseren Kopf zu begeistern vermag.
Persönlich habe ich mich zu fragen begonnen, ob diakonische Projekte und soziale Einzelaktionen oft nur ein Feigenblatt sind: Verdecken sie – vielleicht sogar erfolgreich und gesellschaftlich anerkannt – nur unsere verborgene Liebesunwilligkeit?
Eine warme Mahlzeit oder ein Sprachkurs sind noch nicht Beweis dafür, dass wir uns echt auf diese Menschen einlassen wollen. Betäuben wir mit evangelistischen Projekten und diakonischen Aktionen vielleicht unser schlechtes Gewissen, um nicht in Gefahr zu kommen, wirklich anders leben zu müssen?
«Wir sind ein Geschenk an die Welt!» Was so vollmundig im nationalen Bewegungsleitbild proklamiert wird, bringt mich zum Erröten: Es ist einfacher, von der Welt zu sprechen, als dieser Welt ein konkretes Gesicht zu geben – und den einen oder die eine zu umarmen. Warum braucht es neue Begriffe? Sie fordern heraus, mich dem Anspruch der Liebe zu stellen.
Zum Autor:
Meinrad Schicker ist Pastor der BewegungPlus in Thun, Vorstandsmitglied der BewegungPlus Schweiz und als freikirchlicher Vertreter auch bei den Predigten auf Radio DRS 2 zu hören.
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