Sie wollten dort leben, wo die Ärmsten sind. Darum zog die Familie Schneider aus Basel mit ihrer 1-jährigen Tochter in die Slums von Manila.
Slums von Manila
«Es riecht nach Schweiss, Kot, gebratenem Fisch und Abfall», erzählt Christian Schneider (54). 13 Jahre lang wohnte er in den Slums von Manila, wo heute noch täglich Millionen ums Überleben kämpfen. Auf den Müllbergen von Payatas leben die Familien direkt vom Abfall, täglich karren Lastwagen 1000 Tonnen Müll heran.
Eine junge Familie bricht in die Slums auf «Wir wussten, bei den Ärmsten ist unser Platz», erzählt Christine Schneider (48). Die Familie gibt ihr Zuhause in der Schweiz auf, um mit ihrer 1-jährigen Tochter im Slum zu leben.
Ist das nicht etwas verrückt – erst recht mit einem Säugling? «Wenn Millionen unter diesen Bedingungen leben, dann muss das auch für uns gehen», sagt sich die junge Mutter aus Basel. Ihr neues Zuhause ist ein Raum von 12m2. Durch die dünnen Wellblechwände dringt Tag und Nacht der anfänglich fast unerträgliche Lärm.
Nahe bei den Ärmsten
«Wenn Gott auf die Welt kam, um den Menschen nahe zu sein», dachten sich der Pflegefachmann und die Primarlehrerin aus der Schweiz, «so müssen wir als Christen dort leben und helfen, wo die Ärmsten sind.» Zunächst gründen sie mit sieben Kindern und Jugendlichen, die vorher auf der Strasse und auf Müllhalden gelebt hatten, eine Art therapeutische Hausgemeinschaft.
Später werden daraus Wohngemeinschaften für ehemalige Drogenabhängige, Prostituierte und Strassenkinder. In der notdürftig eingerichteten «Slumklinik» gibt es erste Hilfe. Heute profitieren gegen 1000 Jugendliche von Sportanlässen und einem einwöchigen Camp, wo sie wenigstens einmal im Jahr dem Slum entfliehen können.
Wut über Hilflosigkeit
Es sind gespenstische Szenen, wenn Hunderte von Menschen unter brütender Sonne mit Stahlhaken und blossen Händen stumm den Müll durchwühlen. Häufig sind es schon 5- und 6-jährige Kinder, die barfuss im Abfall nach Verwertbarem suchen.
Viele Eltern sind alkoholabhängig oder nehmen Drogen, um das tägliche Elend zu vergessen. Als Christian Schneider diesen Sommer wieder für zwei Wochen im Slum ist, begegnet er einem Mann, dem er schon Medikamente gegen Tuberkulose gegeben hatte, als dieser noch ein Kind war.
Diesmal trifft er den 32-jährigen ausgemergelt an, die Tuberkulose hat die Lunge zerfressen. Die Kraft und das Geld fehlen, um zum Arzt zu gehen: «Diese Hilflosigkeit macht zornig», sagt Christian Schneider. «So viele Menschen sterben, die an einer heilbaren Krankheit leiden, aber zu wenig Geld haben für Medikamente.» Christian Schneider vermittelt einen Arzt – wer weiss, vielleicht wird er ihn beim nächsten Besuch wieder treffen.
Erschütternde Bilder bleiben
Als Familie Schneider vor acht Jahren in die Schweiz zurückkehrt, übernehmen Einheimische die Leitung vor Ort. Das Hilfsprojekt ist inzwischen doppelt so gross. Wie ist das, tagtäglich im Slum zu leben, konfrontiert mit all dem Elend?
Wie hat sich da ihr Gottesbild verändert? «Mein Glaube an Gott wurde nicht erschüttert, aber mein Glaube an uns Menschen», erklärt Christine Schneider, «auch Gott leidet unendlich an der Not der Armen.»
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