Hansjörg Walter über die Schweiz

«Heimat ist, wo ich geborgen bin»

«Heimat ist zuerst das Umfeld, wo ich mich geborgen, verstanden und getragen fühle.» Das bekräftigt Nationalratspräsident Hansjörg Walter bei einer Begegnung kurz vor dem Nationalfeiertag.

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Hansjörg Walter, Nationalrat und Nationalratspräsident.
Hansjörg Walter, der «höchste Schweizer», erklärt aber auch, warum die Nationalhymne mit dem eindringlichen Aufruf zum Gebet zeitgemäss ist.

Andrea Vonlanthen: Mit welchen Gefühlen singen Sie jeweils die Nationalhymne?
Hansjörg Walter: Mit einer gewissen Ehrfurcht. Unsere Nationalhymne basiert ja auf unseren christlichen Grundwerten und erinnert speziell auch an das Gebet. Der Text spricht für wichtige Werte unseres Landes.

Sie stossen sich nicht am Text, der die Liebe zu Gott, zur Heimat und zum Vaterland so hervorhebt?
Der Text aus dem 19. Jahrhundert stammt natürlich aus Zeiten, als es der Schweiz weniger gut ging und als Kirche und Glaube noch eine grössere Bedeutung hatten. Es ist ja symptomatisch, dass ein Volk mehr nach Gott ruft, wenn es ihm weniger gut geht. Das Glaubensbekenntnis wird dann auch mehr nach aussen getragen. In mir löst dieser Text immer wieder eine gewisse Dankbarkeit aus. Ich meine, dass sein Inhalt für unser Volk nicht überholt ist.

Etliche Kritiker aus Politik und Kultur meinen, der Schweizerpsalm gehöre doch in ein ganz anderes Zeitalter. Braucht die Schweiz bald eine neue Hymne?
Es gab ja in den letzten Jahrzehnten verschiedene Bestrebungen für einen modernen Text, auch einmal über einen parlamentarischen Vorstoss. Doch sie sind alle gescheitert. Es ist eine sehr schöne Melodie, die man auch international kennt, und man kann auch nicht einfach einen neuen Text in eine solche Hymne zwängen. Nein, diese würdevolle Hymne passt zu unserm Land, man soll sie so belassen.

«Betet, freie Schweizer, betet!» Ist dieser Appell noch zeitgemäss?
Ich meine, dass der Glaube an Gott und das Gebet in unserer Bevölkerung nach wie vor stark verankert sind. Doch man spricht nicht mehr gerne öffentlich darüber. Das Erinnern an die freie Schweiz und den Appell für das Gebet finde ich wichtig, auch wenn er für manche Leute nicht mehr zeitgemäss sein mag. Gerade deshalb ist es zeitgemäss, weil es wieder mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit kommen sollte. Mir fällt auf, dass besonders dieser Appell immer inbrünstig gesungen wird und die Stimmkraft jeweils keineswegs nachlässt.

«Freie Schweizer» – wie steht es mit der Freiheit unseres Volkes?
Wir sind ein freies Volk! Wir haben Meinungsäusserungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Religionsfreiheit, viele demokratische Rechte. Wir leben aber in einer ziemlich komplizierten Gesellschaft und brauchen darum mehr Regeln, damit das Zusammenleben funktioniert.

Welche Werte sind gefährdet?
Spontan denke ich hier, dass sich viele Leute nicht mehr für das Gemeinwohl einsetzen. Man will selber möglichst viel Wohlstand und Genuss und schaut zuerst einmal für sich selber. Freiwilligenarbeit und Ehrenamtlichkeit haben heute einen kleinen Stellenwert.

Welche Rolle spielt die christlich-abendländische Kultur noch als Orientierungshilfe?
Im tiefsten Innern sind die christlichen Werte noch bei vielen Schweizern vorhanden. Sie sind wichtig und prägen viele Leute. Aber man macht sie immer weniger zum Thema. Man steht nicht mehr hin für seinen Glauben. Daher geraten die christliche Kultur und auch die Kirche immer mehr unter Druck. Man ist schnell bereit, aus der Kirche auszutreten, nicht nur aus finanziellen Gründen.

Wie sollten diese Werte heute vermittelt werden?
Es ist dies nach wie vor eine wichtige Aufgabe der Kirche und auch des biblischen Unterrichts. Auch die Schule sollte unsere christlichen Wurzeln und das Religiöse nicht so vernachlässigen. Dabei kann sie auch auf andere grosse Religionen eingehen. Sicher ist die religiöse Erziehung nicht zuletzt eine Aufgabe der Eltern. Kinder, die zuhause von der christlichen Botschaft hören, bekommen eine wichtige Hilfe fürs Leben.

Was bedeutet Ihnen die Heimat?
Meine Heimat ist nicht nur ein geografischer Ort, an dem ich mich wohlfühle. Es ist zuerst das engste persönliche Umfeld, wo ich mich geborgen, verstanden und getragen fühle. Hier kann ich mich auch zurückziehen, wenn ich unter Druck bin. Heimat gibt mir ein gutes Gefühl. Heimat hat auch immer einen Bezugspunkt zum Ort, wo man aufgewachsen ist. Als Nationalratspräsident treffe ich manche Dorfbewohner, die längst nicht mehr hier wohnen.

Zu Beginn Ihres Amtsjahres als Nationalratspräsident wurden Sie im Rathaus von Frauenfeld an einem Anlass des Netzwerks «Gebet für Schweiz» gesegnet. Was bedeutete Ihnen dieser Segen?
Das war ein sehr emotionaler Moment für mich. Eindrücklich war auch, dass verschiedenste politische Richtungen vertreten waren, auch Leute, die politisch ganz anders denken. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass dieses Segensgebet von Herzen kam und ehrlich gemeint war. Es gab mir Kraft und Zuversicht für diese anspruchsvolle Aufgabe.

Wofür sollten Schweizer an diesem 1. August besonders beten?
Es gibt viele ganz persönliche Sorgen und Nöte, die durch das Gebet zum Guten gewendet werden können. Am 1. August sollten wir dafür beten, dass sich unsere Gesellschaft positiv weiterentwickelt. Und dass dies in möglichst grosser Freiheit geschehen kann. Dieser Tag soll uns auch dankbar stimmen.

Das ausführliche Interview kann bei «Idea Spektrum Schweiz» in der 29. Ausgabe 2012 nachgelesen werden.


Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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