Niklaus Meier leitet die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM) der Schweiz. Dieser Dachverband vereinigt 35 Missionsorganisationen und sieben theologische Ausbildungsstätten. Was bewegt den AEM-Leiter im Blick auf die Weltmission, die öffentliche Meinung und die lokale Gemeinde?
Niklaus Meier
«idea Spektrum»: Niklaus Meier, seit zwei Jahren leiten Sie die Geschäfte der AEM. In der Öffentlichkeit gilt die christliche Mission aber als sehr suspekt. Niklaus Meier: Im deutschen Sprachraum ist der Begriff «Mission» zu negativ besetzt. Es gibt andere Weltgegenden, wo ein christlicher Missionar geschätzt wird und angesehen ist.
Der Auftrag von Jesus, das Evangelium weltweit bekanntzumachen, besteht – egal, ob man dem nun «missionieren» sagt oder nicht. Mit diesem Auftrag sind wir unterwegs. Die Menschen haben ein Recht darauf, die christliche Botschaft von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu hören und sie haben das Recht, sie anzunehmen oder abzulehnen.
Der Atheismus kommt auf, das Christentum gerät in Rücklage...
Die gesellschaftliche Diskussion ist stark geprägt vom Zeitgeist. Das Religiöse, das Geistliche soll aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden und im Privaten verschwinden. Das christliche Zeugnis ist unter Druck, und damit auch Kirchen, Gemeinden und ihre Mission.
Ich finde es zum Beispiel paradox, dass in der Schweiz ein Missionar schlechtgeredet wird, obwohl er im Ausland trotz seiner christlichen Motivation arbeiten darf, weil er als christliche Fachkraft willkommen ist.
Vergessen sollte man allerdings die Vorstellungen vom Afrikamissionar, der mit dem Tropenhelm auf dem Kopf den Ungläubigen die Bibel um die Ohren schlägt.
Wie ist das neue Missionarsbild?
Es geht um einen überzeugenden Lebensstil, um das Vermitteln von Hoffnung in Christus und einer entsprechenden Lebensperspektive, um ein gegenseitiges Nehmen und Geben in der Gastkultur. Und um Ansätze in ganzheitlicher Entwicklungshilfe.
Der gesellschaftliche Druck geht nicht spurlos an den Missionsgesellschaften vorbei. Etliche reden in der Öffentlichkeit nicht mehr von Missionaren, sondern von Mitarbeitenden oder interkulturellen Mitarbeitern. Ist das durchdacht oder Einknicken aus Angst?
Es geht um die Frage: Wie kommunizieren wir unser Anliegen, damit alle das Gleiche verstehen? Kirchenintern reden viele nach wie vor vom «Missionar», in der Öffentlichkeit vom «interkulturellen Mitarbeiter». Mir ist dieser Begriff fast zu neutral. Wir sind zwar Leute, die humanitäre Hilfe leisten, aber wir tun dies christlich motiviert und zielorientiert. Persönlich stehe ich nach wie vor zum Wort Mission.
Die Werke stehen hier in einem Spannungsfeld guter Kommunikation. Der Dachverband macht keine Vorgaben. Der Druck von aussen kann aber auch hilfreich sein.
Inwiefern?
Er zwingt uns, unseren Auftrag, unsere Positionen und unsere Tätigkeiten zu hinterfragen und zu definieren. Dabei müssen wir Sorge tragen, dass wir einige unserer Inhalte nicht aufgrund der öffentlichen Meinung oder wegen Finanzierungsfragen schmälern. Weiter darf man sagen, dass vermehrt sehr wertvolle Entwicklungsarbeit geleistet wird, die man nicht als «Mission» bezeichnen kann.
Sie überblicken beinahe zwanzig Jahre missionarische Tätigkeit. Was hat sich verändert?
Die gesellschaftlichen Veränderungen färben auf die Christen und ihre Mission ab. Was sich nicht verändert, ist die Botschaft des Evangeliums.
Was ist heute anders?
Alles ist kurzlebiger, kurzfristiger. Man achtet auch auf eigene Wünsche, hat zum Teil hohe Erwartungen an einen Einsatz. Häufig lautet die erste Frage: «Hat es im Einsatzland Internetzugriff?»
Dazu kommt die demografische Veränderung. Auch in christlichen Gemeinden sind weniger Kinder und Jugendliche. Dafür suchen Menschen ab 50 vermehrt nochmals eine sinnerfüllte Herausforderung. Unser Verband erarbeitet Wege, damit diese Personen im weitesten Sinne missionarische Dienste – auch längerfristige – übernehmen können.
Hat die Missionsbewegung Nachwuchsprobleme?
Nein. Der evangelistische Auftrag wird ja nicht nur von der Schweiz aus ausgeführt, sondern ist eine internationale Bewegung. Weltweit steigt die Zahl der Missionare, und zwar aufgrund der Christen aus der Zweidrittelwelt.
Aber Schweizer sind es weniger?
Es sind weniger, was sich mit der allgemein sinkenden Zahl an jungen Schweizern erklärt. Es sind hingegen mehr, die für eine kurze Zeit im Einsatz stehen wollen. Wenn sie durch einen Kurzzeiteinsatz eine Vision ins Herz bekommen, in der Schweiz auf Migranten zuzugehen, wäre das eine gute Entwicklung. Sie haben begriffen, dass ihr Nachbar, der Kosovare, genauso das Evangelium hören darf. Sie haben einen geweiteten Blick auf andere Nationen und können sich in der Nachbarschaft und in ihren Gemeinden für interkulturelle Begegnungen einsetzen.
Stichwort Gemeinden. Setzen diese ihre Schwerpunkte richtig?
Ich liebe Kirchen und Gemeinden, ja die gesamte Gemeinde Jesu von ganzem Herzen, deshalb gibt es auch Bereiche, die mich schmerzen.
Woran leiden Sie?
An der Tendenz zur Selbstzentriertheit und dort, wo unsere interkulturelle Kompetenz nur bis zur nächsten Fast-Food-Ecke reicht. Denn wenn Gemeinden nur noch sich selbst sehen, werden sie schwächer. Mission ist immer lokal und global. Missionarisches Denken schärft den Blick auf das Weltgeschehen, fördert das Beten, die Nähe zu Gott, die Bereitschaft zu geben und zu gehen.
Wo stehen die aufstrebenden Jugendgemeinden punkto Weltmission, kommen auch aus ihren Reihen Missionsanwärter?
Bis heute melden sich eher wenige. Sie richten ihren Fokus auf die Schweiz. Es braucht wohl Zeit, bis es hier zu einem fruchtbaren Austausch kommt. Wir könnten voneinander profitieren. Wir von ihrem Enthusiasmus, sie von der enormen Erfahrung der Missionswerke.
Wo sind ganz besonders Leute gesucht?
Generell brauchen wir gute Fachkräfte, zum Beispiel im Bereich Gesundheit. Und über alles betrachtet, brauchen wir Menschen, die interkulturell und geistlich gut vorbereitet sind, damit sie ihren Auftrag ausdauernd ausführen können. Permanente Weiterbildung ist ein Schlüsselfaktor für den Missionar von heute. So kann er länger in seinem Arbeitsfeld wirken.
Über ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung sind Ausländer. Nur wenige Kirchen haben sie im Blick. Wie kann sich das ändern?
Aus diesem Grund sind Christen, die kurze Zeit im Ausland arbeiteten, wichtig. Sie kommen mit einem anderen Blick zurück. Die Muslime in der Schweiz haben ein Recht, das Evangelium zu hören. Wir sollten falsche Ängste weglegen und uns fragen, ob nicht wir es sind, die ein Problem haben, über den Glauben zu reden und Fremden zu begegnen. Verpassen wir diese Chance nicht!
Die SEA-Arbeitsgemeinschaft AGiK leistet hier viel Motivationsarbeit. Gemeinden sollten sich gegenüber den Fremden öffnen, und nicht abschotten. Oder sind Schweizer Christen besser als afrikanische? Es freut mich, wenn wir offen aufeinander zugehen können, um unserem Herrn gemeinsam nachzufolgen. Übrigens – vergessen wir die grössten Einwanderergruppen nicht – das sind die Deutschen und die Portugiesen. Auch sie sind eine Art Wirtschaftsflüchtlinge. Wie werden sie vom Evangelium berührt, werden sie in die Kirchen eingeladen?
Zum Thema:
Text gekürzt, den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe 46/2012 von idea spektrum schweiz
Niklaus Meier, 46, wohnt im Aargau, ist verheiratet und hat vier Kinder. Seit August 2010 ist er Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM). Unter diesem Dachverband sind 35 Werke und sieben theologische Ausbildungsstätten vereint. Meiers Hauptaufgaben sind das Vernetzen, die Mitarbeitersuche und -schulung, Öffentlichkeitsarbeit, das Organisieren von Aus- und Weiterbildungen für Werksleitungen und Missionare sowie Member Care. Diese Tätigkeiten erfolgen im engen Kontakt mit den Werksleitern.
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