Einsamkeit gilt als Schreckgespenst einer digital vernetzten aber beziehungsschwachen Gesellschaft. Was Kirchen dagegen tun.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wohnten vor allem Sonderlinge allein – die Jungfer und der Junggeselle oder Studenten. Ihre Wohnstatt waren Mansardenzimmer, bei Fremden kamen sie als Zimmerherrn unter. 1920 lebte in nur 2 Prozent der Schweizer Haushalte eine Person allein. 2010 wohnten laut Bundesamt für Statistik 36,4 Prozent alleine. Wer in seiner eigenen Wohnung die Beziehungspflege zu anderen Menschen unterlasse, laufe Gefahr einsam zu werden, sagt der Psychologe Thomas Steiner: «Depression, Alkohol und Pornosucht können die Folge sein», erklärte er der Zeitung «20 Minuten». Die «Dargebotene Hand» (Telefon 143) hat eine spürbare Zunahme beim Thema Einsamkeit festgestellt: «Früher waren es ältere Menschen, die wegen Einsamkeit anriefen. Heute sind es auch junge Leute», sagt Klaus Rütschi, Geschäftsführer Zentralschweiz. Kirchen haben schon konkrete Engagements gegen die Einsamkeit aufgegleist. Vier Beispiele:
1) Im Multikulti-Quartier Kleinbasel hat die Kirchgemeinde Matthäus mit dem «Sonntagszimmer» und dem «Mitenand Gottesdienst» einen Ort geschaffen, an dem sich Einheimische und Zugezogene aufgenommen fühlen sollen. Donnerstags findet zudem ein Mittagstisch für Senioren und dienstags ein Seniorenkaffeetrinken statt. Jeweils am Freitag gehört die Matthäuskirche der Organisation «Tischlein deck dich». Viele kümmern sich darum, dass das Projekt gelingt: ein festes Team, eine Begleitgruppe von 20 Freiwilligen und die Diakoniestelle.
2) Die kirchliche Beratungsstelle ALO-Treff in Schwanden GL versucht seit 1994, einsame, langzeitarbeitslose Menschen aus der Isolation herauszuführen. Mit zusätzlichen Angeboten werden Begegnungsorte für einsame Menschen geschaffen. Sie sollen Freunde und Freude finden sowie Neues wagen können. Sie erhalten dabei Hilfe zur Selbsthilfe. Die Vermittlungsstelle ALO-Job sucht derweil ständig nach Jobangeboten, um den arbeitslosen Menschen eine Tagesstruktur bieten und deren Fähigkeiten einsetzen zu können.
3) Seit zehn Jahren laden die Ordensschwestern auf der Insel Rheinau Gäste ein, am Klosterleben teilzuhaben. Viele Menschen finden dort Ruhe und Einkehr. 2012 kam das Haus der Stille auf 2'500 Übernachtungen. Die Schwestern spüren, dass die Verunsicherung und Einsamkeit der Menschen zunimmt, was ein Grund für den grossen Zulauf ist. Gäste zahlen für Übernachtung und Verpflegung so viel, wie sie geben können. Richtpreis sind 50 Franken pro Tag.
4) In Illnau-Effretikon erhalten ältere Einwohner an runden Geburtstagen Besuch von den beiden Landeskirchen. «Wir möchten damit unsere Wertschätzung ausdrücken», sagt Evelyne Haymoz, Sozialdiakonin der Reformierten Kirche. Die Kirche hat deshalb einen Besuchsdienst eingeführt, der sich nicht nur auf Geburtstage beschränkt. Damit könnten Institutionen mit ihrer Fürsorge zur Sicherheit der älteren Leute beitragen.
«Alte oder einsame Menschen sowie Menschen mit Depressionen brauchen spezifische Betreuung durch die Spitex oder die Kirche», sagt François Höpflinger, Professor für Soziologie an der Universität Zürich. Es ist gut, jemanden mit Haut und Haaren zu haben. Jemanden, den man sehen und berühren kann. Das ist ein wichtiger Grund für die Kirche. Menschen, die glauben, einander tief berühren und immer wieder aufrichten können. Einsamkeit ist im Leib von Christus eigentlich nicht möglich.
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