Dürfen sich Kirchenleute in die Politik einmischen? Wo liegen die Grenzen? EVP Politiker Marc Jost und SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli kreuzten die Klingen.
Marc Jost (links) und Christoph Mörgeli (rechts)
Der SVP-Politiker und ehemalige Chefredaktor von idea Spektrum Schweiz, Andrea Vonlanthen, führte ein Streitgespräch mit EVP-Grossrat Marc Jost und SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Die Debatte ist im idea Spektrum Schweiz vom 19. Juni dokumentiert.
Während die EVP christliche Werte ins politische Leben einbringen will, sieht sich die SVP als Hüterin traditioneller und christlicher Werte. In der Beurteilung, ob auch Kirchenleute sich in die Debatte einmischen sollen und dürfen, gehen die Meinungen von Marc Jost und Christoph Mörgeli aber weit auseinander.
Zwei «christliche» Parteien
Für SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli ist klar, dass Pfarrer nicht politisieren und Politiker nicht predigen sollten. Die Frage, ob die SVP eine christliche Partei sei, bejaht er indessen. Gerade, weil «christlich» nicht in ihrem Namen stehe. Und die Schweiz sei ein christlicher Staat – das belege die Anrufung Gottes in der Präambel der Bundesverfassung.
Die EVP zeichnet sich laut Jost dadurch aus, dass in ihr evangelische Christen politisieren. Das präge auch ihre Werte und ihre Kernthemen. So den Einsatz für die Religionsfreiheit, die Bewahrung der Schöpfung und den Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende.
Wie kommt es aber, dass die Kirchen sich oft den Vorwurf zuziehen, ein Sprachrohr linker Politik zu sein? Darauf angesprochen, begründet Mörgeli den Vorwurf nicht, sondern setzt ihn als selbstverständlich voraus und kritisiert die Linke und die Kirchen: «Es gibt nirgends sonst so viel bewusste und demonstrierte Ablehnung des christlichen Gedankenguts und auch erklärten Atheismus wie in linken Kreisen.» Es gehöre zum linken ideologischen Gedankengut, dass man mit dem christlichen Glauben nichts zu tun haben wolle.
Für Jost ist aber der politische Einsatz der Kirchen für Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind oder die Schwachen oder Fremden, nicht einfach ein linkes Anliegen. Und: «Wenn sich die Kirche zum Beispiel für die Religionsfreiheit stark macht, dann ist das ein liberales Anliegen. Oder wenn sie sich für den Schutz des Lebens einsetzt, dann geht es um konservative Werte.» Mit sozialen Kräften arbeiteten Christen da zusammen, «wo es um die Bekämpfung von Armut oder den Schutz von Schwachen geht.»
Jesus und die Politik
Wie politisch war denn Jesus? Für Marc Jost ist klar: Jesus hatte einen massiven politischen Einfluss durch sein Reden und Tun. «Das zeigt sich darin, wie er mit Kranken, mit Frauen, mit Kindern umging, also mit damaligen Tabuthemen.» Doch Jesus sei kein Amtspolitiker gewesen. Gemäss Mörgeli war für Jesus der Einzelne wichtiger als die Gemeinschaft und der Staat. «So gesehen hatte Christus auch sehr liberale Züge. Er rief die Menschen zur Selbstverantwortung auf, natürlich auch zur Nächstenliebe.» Und er betont: «Nächstenliebe» und nicht «Fernstenliebe».
Jost betont demgegenüber: «Für die Kirche geht es darum, zu fragen, wo es in unserem Staat besondere Lücken gibt, bei denen es die Kirche braucht. Der Staat hat sehr viel gelernt von der Kirche und gute Anliegen übernommen. Doch es sollte nicht zu sehr zur Vermischung kommen.» – Die Politik tue gut daran, das nicht nur zu würdigen, sondern die Kirche auch in Zukunft als Partner anzuschauen. «Christen und die Kirche in den Privatsektor zurückzudrängen oder öffentlich zu stigmatisieren, wäre der Gesellschaft nicht dienlich.» Die Kirche ihrerseits tue gut daran, sich nicht auf hergebrachte Machtpositionen zu berufen, sondern auf Augenhöhe mit anderen Gruppen der Gesellschaft im Dialog zu stehen.
Einsatz für Glaubensfeiheit in andern Ländern?
Die Verteidigung der Glaubensfreiheit in andern Ländern ist laut Mörgeli allerdings allein Sache der Kirche. «Ich bin ein Verfechter der politischen Neutralität unseres Landes. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, wenn wir diese Länder politisch angreifen und den Terror ins Land holen.» Für Jost steht hingegen fest: «Wenn Länder die Menschenrechte und insbesondere die Glaubensfreiheit missachten, dann hat sich die Politik einzuschalten. Die Kirche muss das Thema der verfolgten Christen im Bundeshaus einbringen und mit den Politikern gemeinsam auf Missstände hinweisen.»
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