Es war ein altes Kruzifix aus Holz, verwittert und an vielen Stellen glänzend. Es hing schon lange in der Kirche. Immer wieder waren Besucher gekommen und hatten es betrachtet – einige nur kurz, andere länger. Einige zogen die Augenbrauen hoch, andere schüttelten den Kopf. Denn das Kruzifix war nicht wie alle anderen. Der Jesus, der da hing, hatte keine Arme und keine Beine.
Der «crippled Jesus»-Anhänger: Jesus ohne Arme und Beine
Heute war der Besucher aus Afrika. Er kam auf das Kruzifix zu und blieb lange vor ihm stehen. Schliesslich fragte er seinen Führer: «Ist dieses Kruzifix kaputt? Kann man es nicht reparieren?» Der Führer lächelte. «Nein, es ist nicht kaputt», sagte er. «Es hängt schon seit sehr langer Zeit hier, und es ist uns sehr wichtig.» Jetzt war der Besucher aus Afrika wirklich neugierig. «Ja, dieses Kruzifix erklärt, was wir hier in unserer Gemeinschaft eigentlich tun. Wir sind die Arme und die Beine Jesu. Die Kirche ist heute der Leib Christi, der in der Welt wirkt.»
Der Besucher war Desmond Tutu, Bischof und Friedensnobelpreisträger aus Südafrika. Er schrieb nach dem Besuch: «Ohne uns hat Gott keine Augen; ohne uns hat Gott keine Ohren; ohne uns hat Gott keine Arme und keine Hände. Gott braucht uns.»
Der Körper von Jesus – heute
Szenenwechsel. Frankfurt, 2008. Zwei Brüder stossen auf die Episode mit Desmond Tutu und das Bild von Jesus ohne Arme und Beine. Sie sind beide dabei, mitten in Deutschland Gemeinden zu starten, die sich sowohl um das Heil von Menschen als auch um das Wohl von Benachteiligten in der Gesellschaft kümmern wollen. Sie schreiben: «Genau das ist, woran wir glauben: den crippledJesus! Wir glauben daran, dass Jesus für die Schuld und Sünde der Welt gekreuzigt wurde UND dass wir nun die Arme und die Beine Christi in der Welt sind. Wir sind dazu berufen, die Liebe Gottes in unserer Welt ganz praktisch sichtbar zu machen.»
Heute veranstalten sie Events in Bars, in Kinos und haben ihr eigenes Café eröffnet. Sie arbeiten mit Obdachlosen, organisieren Partys für Flüchtlingskinder und besuchen Senioren im Altersheim. «Wir glauben daran, dass Gott diese Welt durch Wort und Tat verändern will», schreiben Chris und Philip Zimmermann auf ihrer Webseite.
Ein Anhänger für Anhänger Jesu
Ein Freund von Chris und Philipp war Designer und Goldschmied und entwarf ein Kruzifix, das Jesus ohne Arme und Beine darstellt, den «crippled Jesus». Er nahm ein Modell mit in eine lokale Behindertenwerkstatt, wo Behinderten die Möglichkeit gegeben wird, mit ihren eigenen Händen zu arbeiten und etwas Geld zu verdienen. In dieser Werkstatt wird nun das «crippledJesus»-Kreuz als Anhänger produziert und in die ganze Welt verschickt. So erinnert es täglich bereits tausende von Christen daran, was schon Teresa von Avila, eine spanische Mystikerin aus dem 16. Jahrhundert, betete:
Christus hat keinen Körper ausser deinem.
Keine Hände, keine Füsse auf der Erde ausser deinen.
Es sind deine Augen, mit denen er sieht – er leidet mit dieser Welt.
Es sind deine Füsse, mit denen er geht, um Gutes zu tun.
Es sind deine Hände, mit denen er die Welt segnet.
Christus hat jetzt keinen Körper auf der Erde ausser deinem.
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