Er ist so etwas wie die Lady Di der katholischen Kirche: Jorge Mario Bergoglio (77), der als Papst Franziskus auch für viele Evangelische ein «Papst der Herzen» ist. Eckig und direkt in vielen seiner Ansichten, aber vor allem sympathisch und integrierend scheint er im Moment der beste Evangelikale aller Zeiten zu sein… – Ein Kommentar von Hauke Burgarth
Papst Franziskus
Evangelische und evangelikale Medien berichten durchaus kontrovers über Entwicklungen und Meinungen im eigenen kirchlichen Umfeld. Das ist ihre Aufgabe. Überraschend ist höchstens, wie oft, wie positiv und wie kritiklos sie dabei über Papst Franziskus berichten. Dabei entsteht ein Bild, in dem das Oberhaupt der katholischen Kirche sozial, gerecht, ökumenisch, dialogbereit, werteorientiert und vieles mehr ist. Manche scheinen fast überrascht, wenn sie bemerken, dass Franziskus trotzdem (noch) katholisch ist.
Ein Papst der Überraschungen
Der populäre Papst wohnt nach wie vor im päpstlichen Gästehaus und nicht in der angestammten Papst-Suite. Er geht lieber zu Fuss, als dass er sich fahren lässt. Er bleibt bei seinen eigenen Schuhen, statt sich päpstlich rote anzuziehen. Immer wieder stellt er Gerechtigkeit und den Umgang mit der Schöpfung in den Mittelpunkt.
Von Anfang an schien es klar, dass Franziskus ein Mann der gemässigten Reformen sein könnte. Doch der 226. Papst hat seine Befürworter und Kritiker gleichermassen überrascht. Ob er die Finanzen des Vatikans angeht, sich klar und direkt gegen mafiöse Strukturen stellt oder seine Kardinäle auf einer Familiensynode offen diskutieren lässt – in der katholischen Kirche eher ein Novum –, die Reform-Agenda des bescheidenen und doch durchsetzungsstarken Argentiniers scheint ungebrochen. Keine Frage: Das positive Image des Mannes aus Rom hat handfeste Gründe. Verständlich, dass sogar das politische Magazin «Cicero» ihn 2013 zum «Aufsteiger des Jahres» kürte. Sein Reformeifer klingt mit evangelischen Ohren nach: Hier bewegt sich die katholische Schwesterkirche auf uns zu. Doch ist das wirklich so?
Ein katholischer Papst
Hauke Burgarth
Es mag banal klingen, doch der Papst ist immer noch katholisch. Will heissen: Viele seiner Anstösse und Reformgedanken haben so etwas wie eine eingebaute Bremse – und die liegt in seinem Amt und seiner Person selbst begründet. Es hat sich nichts geändert bei der gefühlten Vorrangstellung innerhalb der katholischen Kirche, die im unfehlbaren Nachfolger des Petrus ihre Identifikationsfigur findet. Der Kurienkardinal Gianfranco Ravasi unterstreicht klar, dass der Papst «nun einmal eine hierarchische Gestalt» sei.
Kirche gibt es nach katholischem Verständnis nur eine. Alle anderen sind maximal «kirchliche Gemeinschaften». Daran ändert auch ein Zugehen des Papstes auf Freikirchen und charismatische Erneuerung in Italien und Argentinien nichts. So ist die Reformation auch nach 500 Jahren noch kein Grund zum Feiern, sondern maximal ein «Grund zum Erinnern».
Diese Punkte sollen keinesfalls die positiven Akzente kleinreden, die Franziskus bereits gesetzt hat und zweifellos noch setzen wird. Sie sollen sie aber auf den Boden der katholischen Tatsachen zurückholen: Franziskus will als Papst Probleme lösen, deren Teil er selbst ist.
Ein Ziel evangelikaler Sehnsüchte
Was lässt Papst Franziskus im evangelischen Kontext so volkstümlich, so attraktiv erscheinen? Einmal sind dies zahlreiche seiner Positionen, wie zum Beispiel das griffige Statement seiner ersten Pressekonferenz: «Ich möchte eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen.» Darüber hinaus ist es die persönliche Integrität des Kirchenmannes, der immer wieder als Mensch lebt, was er als Amtsträger postuliert.
Und dann ist da noch die Sache mit der eigenen Schwäche… Die protestantischen Kirchen – inklusive Freikirchen – leiden seit langem an einer schleichenden Profillosigkeit. In Franziskus begegnen sie nun jemandem, der seine eigenen Positionen vertritt und feiert, sich allerdings nicht dahinter versteckt. Noch Benedikt vertrat die sogenannte «Entweltlichung», bei der Kirche sich aus der (bösen) Welt zurückzieht, von der sie nichts lernen kann und will. Franziskus hat die Tür zum Dialog geöffnet – und bleibt doch er selbst. Ob er damit an eine tiefe Sehnsucht anknüpft, dass das auch in evangelischen Kirchen und Gemeinden möglich sein sollte?
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