Manche Probleme sind so gross, dass man sie gern als gegeben akzeptiert. Nicht mehr hinterfragt. Doch bei Licht betrachtet stellt man fest: Sie sind anders. Überraschend anders. So wie Armut. Hier ein paar erstaunliche Fakten:
Keine Frage, Armut ist eine der schrecklichsten Geisseln der Menschheit. Und im Umgang mit ihr bewegen wir uns zwischen Aktivismus und Resignation. Dabei ist ab und an ein frischer Blick auf das Thema sehr hilfreich. Drei Aspekte, die manchen überraschen werden, hat Elise Amyx beleuchtet, die am amerikanischen «Institute for Faith, Work, and Economics» (Institut für Glaube, Arbeit und Wirtschaft) arbeitet.
1. Extreme Armut ist rückläufig
Das Meinungsforschungsinstitut Barna hat letztes Jahr herausgefunden, dass 84 Prozent der US-Amerikaner nicht wissen, dass sich extreme Armut in den letzten dreissig Jahren weltweit halbiert hat. Im Gegenteil: mehr als zwei Drittel (67 Prozent) waren der Meinung, die Armut würde wachsen. Diese Auffassungen sind in Europa ähnlich.
Laut Weltbank lebten 1981 52 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut – sie hatte weniger als 1,25 US-Dollar am Tag zur Verfügung. 2011 waren es noch 17 Prozent, deutlich weniger als die Hälfte. Und dieser Trend setzt sich fort, denn in vielen armen Staaten verbessert sich die Lebenssituation der Menschen so schnell wie noch nie vorher.
Dabei ist Entwicklungshilfe allerdings nicht der entscheidende Faktor. Peter Greer, Leiter der Hilfsorganisation «Hope International» unterstreicht dies in seinem Aufsatz «Für die Geringsten unter ihnen: Eine biblische Antwort auf Armut». Traditionelle Wohltätigkeit bewirkt demnach nur eine kurzfristige Erleichterung, geht allerdings nicht an die Wurzeln der Armut. «In einer Generation konnte die Armut halbiert werden, nicht durch Almosen, sondern durch Arbeitsbeschaffung», stellt er fest. Dies geschah unter anderem durch Mikrofinanz-Projekte, durch die viele bis dahin Arme Arbeit finden konnten. Greer hält Hilfsmassnahmen von einzelnen und Kirchen trotzdem für unbedingt notwendig, um zum Beispiel im Fall von Katastrophen kurzfristig helfen zu können.
2. Die Kirche hat früher mehr getan
Bis ins 20. Jahrhundert hinein spielte die Kirche eine grosse Rolle dabei, den Nöten der Armen zu begegnen. Dies ist weitgehend in Vergessenheit geraten, denn viele Christen heute haben sich von der Bekämpfung der Armut zurückgezogen. Zu Beginn der Apostelgeschichte teilte die Urgemeinde ihren Besitz miteinander, damit niemand Not leiden sollte. Im Mittelalter betrieben Kirchen Krankenhäuser, Schulen für Einwanderer, Heime für unverheiratete Mütter und viele andere wohltätige Einrichtungen, die heute meist in staatlicher Hand sind.
Was ist geschehen? Viele Historiker denken, dass sich konservative Christen im frühen 20. Jahrhundert aus diesen Bereichen zurückgezogen haben, weil sie auf das sogenannte «soziale Evangelium» reagiert haben. Brian Fikkert schreibt in seinem Buch «Wenn Helfen wehtut»: «Als die Evangelikalen versuchten, sich von der Bewegung des sozialen Evangeliums zu distanzieren, bewirkten sie damit einen kompletten Rückzug von der Front der Armutsbekämpfung.» Auch wenn zurzeit eine Gegenbewegung da ist, die soziale Gerechtigkeit und das Engagement für Arme wieder in den Fokus nimmt, leiden evangelikale Christen bis heute an den Nachwirkungen dieser Trennung.
3. Es geht nicht ums Geld
Viele halten Geld für die mächtigste Waffe gegen Armut, aber Christen haben etwas viel Wertvolleres zur Verfügung: ihre Gaben. Die Sojourn-Gemeinde im amerikanischen Louisville befindet sich in einer der ärmsten Gegenden der Stadt, aber sie engagiert sich für ihre Nachbarn – durch kostenlose Arztbehandlungen, Ernährungs- und Finanzberatung. Die Gemeindemitglieder bieten ihren Nachbarn viel mehr an als Geld. Sie bieten ihre Gaben, ihre Zeit, ihre Freundschaft – sie geben sich selbst.
Trotz dieser ermutigenden Entwicklungen ist klar: Es gibt noch viel zu tun. Über zwei Milliarden Menschen weltweit leben von weniger als zwei US-Dollar täglich. Christen haben ihre Verantwortung hierfür neu entdeckt – und das ist gut so. Denn wenn die Bibel betont: «Es werden allezeit Arme sein im Lande», dann tut sie das nicht aus Resignation, sondern um weiterzufahren: «Deshalb befehle ich euch: Helft den Menschen grosszügig, die in Armut und Not geraten sind!» (5. Mose, Kapitel 15, Vers 11)
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