Der Armut in der Welt ins Auge sehen: Yvonne Heer schaffte das
nicht. «Aus Hilflosigkeit schaute ich weg.» Doch seit vier Jahren trägt
sie mit dem Verkauf von schönen Secondhandkleidern zur Entwicklung im
Süden bei. Mit manchen Kundinnen ergeben sich vertiefte Gespräche.Yvonne
Heer, verheiratet, Mutter von zwei Söhnen, hatte jahrelang nicht mehr
gearbeitet und suchte den Wiedereinstieg. Ihre Freundin, die von einer
Sabbat-Zeit aus England zurück kam, erzählte ihr begeistert vom
Hilfswerk «oxfam», wo sie ehrenamtlich mitgearbeitet hatte. Sie hatte
die Vision, in Liestal einen Secondhand-Kleiderladen mit einem
zusätzlichen Sortiment von fair gehandelten Artikeln zu eröffnen. Der
Gewinn sollte Projekten für die weltweite Armutsbekämpfung zufliessen –
und Heer sollte die Geschäftsführung übernehmen!
Gediegenes Lokal
Yvonne
Heer fand das Konzept genial. So konnte sie an ihrem Ort etwas gegen
die Armut im Süden tun. Dann ging es schnell: Eine alteingesessene
Drogerie in der Altstadt, sieben Jahre zuvor renoviert, wurde
aufgegeben. Die Besitzerin fand Gefallen an der Idee. Der «Verein Koro
Shop» konnte das gediegene, helle Lokal mit zahlreichen Schaufenstern
mieten und den Koro Shop (Koro = Herz in Esperanto) im November 2007
eröffnen. Einige Wochen zuvor hatte Heer mit dem Kleidersammeln
begonnen. Gönner stellten das Startkapital.
Mit Herz im Verkauf …
Die Initianten legten die Latte hoch: In
einer Broschüre versprachen sie, im ersten Betriebsjahr die Hälfte des
Umsatzes in Hilfsprojekte zu geben. Und es gelang! Heer informierte die
Kundschaft fortlaufend über die Projekte. «Ich muss den Umsatz
erwirtschaften, damit wir die Miete und alle Kosten zahlen und dann noch
spenden können.
Über 30'000 Franken flossen schon in den Süden.» Yvonne
Heers Verkäuferinnen arbeiten alle ehrenamtlich. Sie selbst bezieht seit
Ende 2008 einen Lohn. Vom Team hat niemand eine Verkaufsausbildung.
«Ich habe Freude an der Mode. Das Herz ist dabei, und das merkt man.»
… und im Gespräch
Wenn Yvonne Heer den Laden am Morgen öffnet,
segnet sie ihn ganz bewusst, betet für die Kundschaft, die Gespräche –
und natürlich für einen guten Umsatz! Hat sie viele Kundinnen, die mehr
als ein Kleidungsstück brauchen? «Manche haben einfach das Bedürfnis zu
reden. Frauen, die ich gar nicht kenne, beginnen von sich zu erzählen.
Hier im Laden herrscht Ruhe und ich höre ihnen zu.»
Eine Dame betrat den
Laden. Sie brachte schöne Kleider, weil sie vom Koro Shop gehört hatte.
«Bestimmt teilte sie mir mit, dass sie im Brockenhaus nur Sachen kaufe,
die man sterilisieren könne – und niemals würde sie schon getragene
Kleider anziehen! Ich erzählte ihr, wie wir arbeiten, und konnte ihr
ansehen, wie sie berührt wurde. Zum Schluss verliess sie strahlend – und
mit zwei Kleidungsstücken für sich – den Laden.»
Yvonne Heer erfährt auch von Schicksalsschlägen: Eine Frau brachte
den Anzug, den ihr Sohn für die Hochzeit eines Freundes gekauft hatte.
Vor dem Fest war er tödlich verunfallt. «Sie brach in Tränen aus. Am
Ende des Gesprächs dankte sie mir. Leute erleben den Laden als eine
Oase.»
Für Qualität bekannt
Der
Koro Shop ist für gute, elegante Kleider bekannt. «Manchmal wartet ein
Kleidungsstück genau auf die Kundin, die eintritt – ich habe schon oft
gestaunt.» Das Angebot wird sorgfältig aufbereitet und schön
präsentiert. Yvonne Heer behält nur das Geeignete; anderes gibt sie an
ein Basler Brockenhaus. Zwischendurch erhält sie auch unverkaufte
Markenartikel. Der besondere Mix wird mit Fairtrade-Artikeln
hergestellt. «Vor allem Schmuck kommt sehr gut an, viel von Indien und
Südafrika. Autos, Motorroller und Flugzeuge aus altem Alu-Dosenblech
faszinieren vor allem die Männer …
«Spürbarer Segen Gottes»
Der Koro Shop in Liestal ist ein
Pilotprojekt. Der Gedanke ist, dass weitere Läden eröffnet werden,
Menschen sich einsetzen und aktiv einen Beitrag zur Armutsbekämpfung
leisten können, der – mit Begeisterung und Überzeugung gelebt –
nachhaltig Veränderung bewirkt. Genau vier Jahre nach Eröffnung des Koro
Shops Liestal entsteht nun ein weiterer Laden. Yvonne Heer: «Es wird
mir immer wieder bewusst, und ich staune darüber, wie Gott unsere Arbeit
segnet. Menschen werden berührt und bedanken sich, dass wir diese Arbeit
tun. Meine Freundin hat mir damals zugetraut, diese Aufgabe zu meistern.
Sie hat mich ermutigt, diesen Schritt zu machen, und dafür bin ich ihr
dankbar.»
Meghan und Harry sorgten mit einer «Netflix»-Doku für mächtig Wirbel. Die Autorin und «Woman Alive»-Chefredaktorin Tola Doll Fisher machte sich dazu...