Die Fakten sind klar: Es kommen Flüchtlinge nach Europa. Mehr als in den ganzen letzten Jahren. Doch die Bewertung sieht sehr unterschiedlich aus. Während die einen von einer «Schwemme» sprechen und damit suggerieren, dass wir jetzt ohne Möglichkeit zur Gegenwehr «weggespült» werden könnten, sehen die anderen Chancen und unsere Verantwortung zur Hilfe und betonen, manchmal etwas blauäugig, eine neue «Willkommenskultur».
Helfer von Samaritan's Purse übergibt Flüchtlingen gefüllte Taschen.
Die Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der jetzigen Asylpolitik und eines weiteren Zuzugs ist sicher noch lange nicht am Ende. Zu einem gemeinsamen Ergebnis wird sie wohl auch nicht führen – zu unterschiedlich sind die Denkvoraussetzungen. Umso wohltuender sind Christen, die inmitten dieser Diskussion fragen: Gott, was hast du vor? Wie können wir uns in deinem Sinne einbringen? Da wird es sehr praktisch.
«Das unverschämte Gebet»
Bereits vor vielen Jahren machte ein Text mit dem Titel «Das unverschämte Gebet» die Runde. Darin lehnt sich ein Christ zurück und betet sinngemäss: «Herr, ich weiss, dass dir Menschen am Herzen liegen. Ich weiss, dass Mission ein Weg ist, sie zu erreichen. Aber ich möchte meine Heimat eigentlich nicht verlassen. Könntest du die Menschen, die dich brauchen, nicht einfach zu uns schicken? Dann können wir ihnen in unserer Umgebung begegnen, ihnen helfen, ihnen von dir erzählen. Wäre das nicht eine Idee?» Ich habe den Eindruck, Gott hat dieses Gebet erhört … Und bei allen Fragezeichen, die sicher vorhanden sind, gibt es Christen, die das auch so sehen und beginnen zu handeln.
Ein Haus für Flüchtlinge in Witten
Die «Creative Kirche» in Witten zum Beispiel ist gerade dabei, ein Haus zu kaufen. Dort sollen in fünf Wohnungen Flüchtlinge untergebracht werden. Martin Barthelworth vom Vorstand unterstreicht: «Die Flüchtlinge, die dort einziehen, werden von Sozialarbeitern betreut. 'Leben lernen in Deutschland' heisst unser Konzept.» So sollen Menschen in ihrem neuen und noch fremden Alltagsleben unterstützt werden. «Das reicht von der Begleitung bei Behördengängen und Arztbesuchen bis hin zu der Frage: Wo kann ich ein Busticket kaufen?» Eigentlich ist die «Creative Kirche» eine Stiftung innerhalb der evangelischen Kirche, die sich musikalische Arbeit auf die Fahnen geschrieben hat, doch hier sehen sie eine neue Aufgabe. Und blauäugig gehen sie das Ganze wirklich nicht an – sie arbeiten eng mit den lokalen Verantwortlichen und Behörden zusammen. Die engagierten Christen wissen: «Das ist unser Beitrag zur Flüchtlingssituation. Denn der Sprint ist vorbei, jetzt beginnt der Marathon. Raushalten ist keine Lösung, finden wir.»
Kulturtraining «Hand in Hand» in Giessen
«Hand in Hand» ist eine Initiative in Giessen, die sich unter dem Motto «Kulturen gemeinsam entdecken» für Flüchtlinge engagiert. In der mittelhessischen Stadt mit normalerweise 80'000 Einwohnern befindet sich die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung HEAE, in der zurzeit über 10'000 Asylbewerber untergebracht sind. In diesem Massenlager sind Konflikte vorprogrammiert. Und meistens beruhen sie auf einfachen Missverständnissen und nicht auf religiösen Gräben zwischen Volksgruppen. Wenn ein Asylbewerber mit einer 2-Euro-Münze in der Hand in den benachbarten Supermarkt geht und dort an der Kasse erfährt, dass die Getränke, die er kaufen will, mehr kosten sollen als angeschrieben, dann fühlt er sich betrogen. Dabei kennt er nur das deutsche Pfandsystem nicht. Solche Situationen nehmen die ehrenamtlichen Helfer von «Hand in Hand» zum Anlass, den Asylbewerbern ein Kulturtraining anzubieten. In kurzen Theaterstücken spielen sie ihnen ohne viele Worte Szenen vor, die ihnen helfen die neue Kultur und ihre Werte zu begreifen.
Gott im Blick
Initiativen wie die oben beschriebenen gibt es glücklicherweise viele. Von Menschen, die nicht blauäugig alles bejubeln, aber fragen: Gott, was hast du mit diesen Flüchtlingen vor? Wie würdest du ihnen begegnen? Völlig zu recht stellen sich zurzeit viele Christen diese Fragen. Ihre Antworten darauf werden naturgemäss sehr unterschiedlich aussehen, aber eines ist ihnen gemeinsam: Sie schüren keine irrationalen Ängste, sondern geben konstruktiv Gottes Liebe weiter.
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