Er geht um die Welt, der Hashtag «#me too» (ich auch). Sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt sind plötzlich ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Ausgelöst durch Schauspielerinnen, die den Produzenten Weinstein wegen sexueller Übergriffe anklagen. Wo liegt unsere Verantwortung, gerade auch als Christen? Ein Kommentar von der bcb-Seelsorgerin und Familienfrau Ursula Blatti.
Der Tweet von Alyssa Milano
Alyssa Milano rief alle, die selber sexuelle Belästigung erlebt haben, dazu auf, sich erkennen zu geben. Innert weniger Stunden antworteten 30'000 Frauen auf Twitter mit «#me too» (ich auch). Das Schweigen wurde gebrochen. Opfer von sexuellen Übergriffen erhielten eine Stimme. Seither wird diskutiert und berichtet. Gestanden. Verteidigt und angeklagt. Es werden Gegen- und Mitbewegungen gestartet.
Eine gute Diskussion
Natürlich gibt es auch Frauen und Männer, welche die Bewegung ausnutzen, um sich ins Rampenlicht zu rücken. Natürlich gibt es Feministinnen, welche ihre eigenen Zwecke und Ziele damit verfolgen. Natürlich besteht die Gefahr, Männer generell zu verdächtigen.
Nichts desto trotz ist es eine wichtige Diskussion. Weil sie die Gesellschaft sensibilisiert. Sie macht aufmerksam auf ein Tabu-Thema. Betroffene werden ermutigt, das Schweigen zu brechen. Nicht alles hinzunehmen. Es ist nicht okay, wenn Mädchen und Frauen sexuell belästigt werden. Es darf nicht sein, dass Frauen gierigen Männerblicken und betatschenden Händen ausgeliefert sind. Es ist nicht okay, wenn sich Männer - oder auch Frauen - nehmen, was ihnen nicht gehört. Es darf nicht sein, dass Männer ihre Machtposition ausnutzen und Frauen in Abhängigkeit halten.
«Wir alle haben eine Verantwortung»
Ursula Blatti
Doch die Debatte in den sozialen Medien reicht nicht. Für die einzelne Betroffene oder den einzelnen Betroffenen geht es um mehr. Um das eigene Leben. Sexuelle Übergriffe verletzen tief. Prägen. Lähmen. Heilung ist nur möglich, wenn das Schweigen gebrochen wird. Wenn Unrecht beim Namen genannt wird. Wenn kompetente Hilfe gesucht und angenommen wird. Was im Dunkeln bleibt, behindert. Bleibt ein Stolperstein im Leben. Doch wenn Licht ins Dunkel kommt, wird Heilung möglich. Jesus sagt von sich: «Ich bin das Licht der Welt». Jesus bringt Licht, heilsames Licht. Er steht bei, auf jedem Weg vom Dunkeln ins Licht.
Wir alle haben eine Verantwortung. Die Verantwortung, Unrecht beim Namen zu nennen. Hinzustehen. Aufzustehen. Täter nicht zu decken. Sondern sprachfähig zu werden. Ereignisse zu benennen. Namen zu nennen. Zum Schutze für uns und unsere Kinder. Damit den Tätern das Handwerk gelegt werden kann.
Warum lassen wir zu, dass Frauen zu Lustobjekten degradiert werden?
Unsere Verantwortung geht noch weiter. Tagtäglich wird in Filmen und Medien vermittelt, dass sexuelle Lust nach Gutdünken befriedigt werden kann. Egal wann, wie und in welcher Konstellation auch immer, ich befriedige mein Grundbedürfnis und das ist mein gutes Recht. Wohin führt diese Einstellung? Ist es noch weiter verwunderlich, dass sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung sind? Und warum lassen wir zu, dass Frauen zu Lustobjekten degradiert werden? Warum stehen wir nicht auf, wenn in Filmen und Öffentlichkeit eine verzerrte Sicht von Lust und Sexualität vermittelt wird? Gott ist der Schöpfer der Sexualität. Der Lust. Der Lustbefriedigung. Der Menschen. Aber wir Menschen haben den angedachten Umgang damit verlernt. Haben wir den Mumm uns einzusetzen für Gottes Idee und Verständnis von Sexualität und den Umgang damit? Verpflichten wir uns selber zu Respekt und Wertschätzung gegenüber dem andern Geschlecht?
Me too. Ich bin gefordert. Ganz persönlich. Und in meiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.
Zur Autorin: Ursula Blatti ist beratende Seelsorgerin bcb in Ausbildung und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Oberwil BE. Sie arbeitet in der ehrenamtlichen Internet-Seelsorge bei Livenet mit und hat 10 Jahre Erfahrung in der Kinder– und Jugendarbeit.
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