Rico Bossard

«Christliche Lehrpersonen geraten unter Druck»

Schulen versuchen, in religiösen Belangen heute möglichst neutral zu sein. Was das im praktischen Schulalltag heisst, ist aber oft nicht klar. Rico Bossard von der VBG sieht christliche Lehrpersonen vermehrt unter Druck.

Zoom
Rico Bossard, Schulleiter an einer Dorfschule
idea Spektrum: Rico Bossard, in der Schule werden Werte vermittelt, wie kann sie dann neutral sein?
Rico Bossard:
Bildung kann nie wertneutral sein. Weil man aber meint, dass man neutral sein müsste, redet man heute häufig nicht über Werte und schafft keine Bezüge dazu. Das ist ein Problem. Es wäre wichtig, dass die Schule transparent zeigt, welche Werte sie vertritt. So ermöglicht sie es den Eltern, darauf zu reagieren und mit den Kindern zu Hause darüber zu sprechen. Wenn die Werte unausgesprochen bleiben, wird es schwierig. Ich als Vater schätze es, wenn ich weiss, was die Position einer Lehrperson ist. Meine Tochter geht in einen Kindergarten, in dem homöopathische Mittel abgegeben werden, wenn sich ein Kind wehtut. Ich musste unterschreiben, ob ich damit einverstanden bin oder nicht. Grundsätzlich bin ich dagegen und komme hier in einen Konflikt. Ich bin aber froh darüber, dass klar kommuniziert wurde, was gemacht wird, auch wenn ich mir ein anderes Vorgehen wünschen würde.

Kommen christliche Lehrpersonen heute mehr unter Druck?
In der Frage der Neutralität kommen christliche Lehrpersonen tatsächlich unter Druck. Schulleitungen fordern oft mit geringer Kenntnis eine Neutralität von ihren Lehrpersonen ein. Mir ist eine Lehrperson bekannt, die auf ihr Vorbereitungsbuch einen Bibelvers geklebt hatte. Der Schulleiter verlangte von ihr, es abzunehmen, weil es nicht ins Schulzimmer gehöre. Das ist nicht in Ordnung. Hier müssen wir christliche Lehrpersonen stärken, damit sie mit ihren Vorgesetzten in einem guten Gespräch bleiben und Impulse geben können. Es geht darum, aufzuzeigen, warum man etwas macht, wie man es empfindet und warum es nicht gegen die Neutralität verstösst. Wir empfinden das als sehr dringlich und begleiten gerade auch die Studierenden in diesen Fragen.

Was raten Sie einer solchen Lehrperson konkret?
Wir empfehlen immer ein klärendes Rückfragen. «Warum denken Sie, dass ich das nicht machen sollte?» Es geht darum herauszufinden, was eigentlich der Grund dafür ist. Konfrontation allein ist nicht dienlich. In einem anderen Fall verlangte eine Schule von einer christlichen Lehrperson, zu unterschreiben, dass sie die humanistischen Werte einer Schule mittrage. Auf Nachfrage, was damit gemeint sei, wurde klar, dass kein durchdachtes Verständnis davon vorlag. Die Schule legte dann der Lehrperson ein anderes Papier vor, worin festgehalten wurde, dass sie im Unterricht nicht missionieren dürfe. Wir als Fachkreis Pädagogik ermutigen die Lehrpersonen dazu, so etwas als guten Einstieg zu nutzen, um Fragen im Dialog zu klären. Es wurde auch schon beanstandet, dass im Unterricht in der Bibel gelesen wurde. Es gibt aber genug Gründe, solche Texte zu lesen. Allerdings darf die Lehrperson nicht mit den Schülern im Unterricht beten. Hier muss sie die Grenzen einhalten. Es braucht eine Auseinandersetzung von den christlichen Lehrpersonen, wie man mit diesen Dingen umgeht.

Es ist also zu wenig klar, was die Neutralität der Schule eigentlich bedeutet?
Ja, «Neutralität» ist vor allem ein Schlagwort. An der Tagung von FOXS in Zürich wurde klar, dass das Neutralitätsgebot aus Sicht eines Juristen vor allem als Rahmen verstanden wird. Es gibt keine messerscharfe Definition. Es gibt Mittelschulen, an denen VBG-Gebetsgruppen nicht mehr erwünscht sind. Was ist der Grund dafür? Die Angst, dass eine islamische Gruppe das Anliegen vorbringt, sich ebenfalls im Gebäude treffen zu dürfen. Und die Angst vor Fundamentalismus. Um nicht darauf eingehen zu müssen, erklärt man, dass man neutral ist, dann hat sich das Problem erledigt. Aber das ist sehr unreflektiert. Viele Schulleitungen haben keine differenzierte Haltung, sondern eher eine Haltung der Abwehr.

Was wäre denn Ihre Lösung?
Man braucht keine Angst vor Religion zu haben. Leider fehlt immer mehr Menschen der Zugang zur Religion, auch solchen in verantwortlichen Positionen. Dadurch besteht ein grosser Aufklärungsbedarf in der Frage, was religiöse Bildung überhaupt ist. Als VBG wollen wir darum Christen freisetzen, in die Diskussion hineinzuwirken und Positionen zu beziehen, die fundiert sind. Wir ermutigen Lehrpersonen, diese Fragen an die Schulleitungen heranzutragen. Darum haben wir Fachkreise für die verschiedenen Richtungen. Der christliche Glaube hat in allen Bereichen etwas Prägendes zu geben. Die Vernetzung, das Benennen von Problemen, die Sprachfähigkeit sind sehr wichtig und davon braucht es in Zukunft noch viel mehr. Wir suchen Personen, die Verantwortung übernehmen wollen und die Gesellschaft mitprägen.

Rico Bossard

Rico Bossard (44) leitet den Fachkreis Pädagogik der VBG und ist aktuell Schulleiter im Team einer Dorfschule. Er ist verheiratet mit Martina, hat drei Kinder und wohnt in Niederrohrdorf AG. 

Zum Thema:
Als Lehrer Jesus dienen: «Bildung sollte auch Aufgabe der Gemeinde sein»
Religionslehrer Primo Cirrincione: «Reli sollte cool sein für die Kinder!»

Einblick in die csbern: Weshalb schicken Eltern ihre Kinder in die Christliche Schule?

Datum: 22.04.2018
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: idea Spektrum Schweiz

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Was es mit DIR zu tun hat
Meghan und Harry sorgten mit einer «Netflix»-Doku für mächtig Wirbel. Die Autorin und «Woman Alive»-Chefredaktorin Tola Doll Fisher machte sich dazu...
Praisecamp 2023
Das Praisecamp 2023 ist Geschichte. Hier ein kleiner Rückblick
Praisecamp 2023
Das Praisecamp 2023 ist Geschichte. Hier ein kleiner Rückblick
Praisecamp 2023
Das Praisecamp 2023 ist Geschichte. Hier ein kleiner Rückblick

Anzeige