Abgeleitet von allen Fragen rund ums
Thema «Frieden» stellt sich auch die Frage nach dem Krieg und ob es denn so
etwas wie einen «gerechten Krieg» gebe. Um sich einer Antwort auf diese Frage
zu nähern, nimmt Sie Stefan Junger in seiner Rolle und Aufgabe als Chef der
Schweizer Armeeseelsorge auf einen Gedankenweg mit.
Die
Frage, was gerecht und was ungerecht ist, beschäftigt nicht nur die zivile,
sondern auch die militärische Welt. Sie betrifft auch die Tätigkeit
der Seelsorgenden, die namens der Armeeseelsorge ihren Dienst an den
Angehörigen der Armee leisten. Die Aufträge, welche die Schweizer Armee auf
Geheiss der Politik und damit im Auftrag der Bevölkerung zu erfüllen hat,
lassen sich unter den drei Stichworten Kämpfen,
Schützen und Helfenzusammenfassen. Auf diese Aufträge hin ist die Ausbildung
in den militärischen Schulen und Kursen ausgerichtet. In Gesprächen mit den
Armeeseelsorgern taucht immer mal wieder die Frage auf, was denn gerecht sei
und was nicht, und ob es so etwas wie einen «gerechten Krieg» gebe.
Die juristische Seite
Stefan Junger
Obwohl
es meines Erachtens zu kurz greift, diese Frage rein juristisch beantworten zu
wollen, sei an dieser Stelle auf die abendländische Rechtsgeschichte verwiesen.
Sie entwickelte die Auffassung vom sogenannten «bellum iustum» – dem «gerechten
Krieg» und hielt dabei fest, dass ein Krieg oder ein bewaffneter Konflikt
zwischen Staaten dann und nur dann ethisch und rechtlich legitim sei, wenn er
bestimmten Anforderungen genüge (das «Recht zum Krieg» ist
einer rechtmässigen Autorität vorbehalten, die den Krieg aus einem gerechten
Grund und mit richtigen Absichten und Zielen führen muss).
Die Erfahrungen des 1.
Weltkriegs führte zur Gründung des Völkerbundes. Er hob die bisherige
Unterscheidung zwischen «gerechten» und «ungerechten» Kriegen auf. Statt dessen
stellte er Regeln zur Kriegsverhütung mit einer Reihe von
Schlichtungsmassnahmen auf und postulierte ein generelles Kriegsverbot, wenn
nicht vorher ein Versuch zur friedlichen Streitbeilegung unternommen worden war.
Diese Regelungen lösen allerdings die individuelle Frage heutiger Menschen nach
der Vereinbarkeit der eigenen Glaubenspraxis mit dem Engagement in der Armee
nicht grundsätzlich.
Schutz von Schutzlosen bei einem
aufgezwungenen Krieg
Als
Christ gesprochen: Jedes Handeln darf und muss Folge und Ausdruck eines Glaubens
sein, der, aus biblischer Perspektive betrachtet, Feindesliebe und Vergebung
postuliert wie auch von Gewaltlosigkeit spricht. Kann die persönliche Glaubenspraxis mit
einem Engagement zu Gunsten einer staatlichen Institution vereinbart werden? Im
Falle der Schweiz also ein Engagement zum Schutz der Bevölkerung bei einem
aufgezwungenen Konflikt? Ich meine, im Rahmen jener Verhältnisse, die in unserem
Land gelten, diese Frage mit Ja beantworten zu können. Sind schutzlose und
unschuldige Menschen in ihrer Unversehrtheit bedroht, gilt es sie zu schützen,
ihnen zu helfen und sich zu deren Wohl als «ultima ratio» – als letztes Mittel
also – auf dem Boden unseres Landes unter Umständen auch verteidigend
einzusetzen.
Für
jene, die dies während ihres Militärdienstes lernen und üben und im Notfall
unter Einsatz ihres Lebens umsetzen müssten, steht die Armeeseelsorge als
Dienststelle und als Dienstzweig mit all ihren Armeeseelsorgern das ganze Jahr
über als Fach- und Anlaufstelle unvoreingenommen und offen für seelsorgerische
Anliegen in ihrer ganzen Breite zur Verfügung. Es schiene mir nicht
verantwortbar, einerseits Schweizerbürger per Bundesverfassung für den
Militärdienst zu verpflichten und ihnen andererseits nicht das unumstössliche Recht
auf seelsorgerischen Beistand gewähren zu wollen.
Einsatz für den Frieden
Wir
leben in einer widersprüchlichen Welt, ich weiss. Ich meine, Blauäugigkeit
entspreche nicht biblischer Verantwortlichkeit. Genau darum versuche ich, im
Umfeld der Armee und zu Gunsten der Dienstleistenden die Zuversicht und Friedensperspektive
biblischer Prägung unaufgeregt, ökumenisch und interreligiös offen zur
Verfügung zu stellen. Ich will durch meine Tätigkeit – zusammen mit allen
Seelsorgenden in der Armee – dazu einladen, mit Sorgfalt das individuelle und
das kollektive Handeln zu bestimmen, auf dass wir uns allesamt im Kleinen wie
im Grossen für einen gerechten Frieden einsetzen können; in und ausserhalb der
Armee.
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