Am 9. November 1989 veränderte
sich die Welt: Die Berliner Mauer, das sichtbarste Symbol der Trennung zwischen
Ost und West, wurde niedergerissen. Das Volk liess sich in seinem Freiheitsdrang nicht mehr
zurückhalten. Open Doors wurde vor über 60 Jahren gegründet, um Christen im
Osten – hinter dem Eisernen Vorhang – beizustehen.
Berliner Mauer
Die
Berliner Mauer trennte Ost und West ab dem 13. August 1961. Der Gründer von
Open Doors, Bruder Andrew, gehörte zu den ersten, die den Checkpoint Charlie
passierten. Er erinnert sich noch gut an die Auswirkungen der Sperranlage: «Der
Flüchtlingsstrom aus den kommunistischen Staaten wurde über Nacht gestoppt. Es
gab keinen Ausweg mehr, niemand konnte entkommen. Das Ergebnis war eine Welle
von Selbstmorden, die sogar Pastoren betraf. Sie hatten die Hoffnung verloren.»
Der
Osten hatte ein System geschaffen, das auf einer rigiden Kontrolle basierte.
Gerade auch die Kirche war isoliert und bedroht. In diese Situation hinein kamen Menschen wie Bruder Andrew. Ein Weggefährte von ihm, der Niederländer Johan Companjen, erinnert sich: «Damals haben die
Kommunisten die Christen überhaupt nicht ausgestanden. Diese fühlten sich völlig
verlassen. Ein ungarischer Pastor sagte uns: 'Niemand weiss, wo ich bin, nicht
einmal meine Familie. Danke, dass ihr hergekommen seid.' Dann konnte er nicht
mehr aufhören zu weinen. Die Polizei hatte seine Kirche geschlossen und ihn
unter Hausarrest gestellt.»
Bruder Andrew
Der
eigentliche Ursprung von Open Doors geht darauf zurück, dass Bruder Andrew
seinen Teil zur Stärkung der verfolgten Kirche östlich der Mauer beitragen
wollte. 1961 begannen seine zahlreichen Reisen in den Ostblock: Er schmuggelte Bibeln
durch Kontrollpunkte und betete, dass diese von den Wachen unbemerkt bleiben
würden. So gelangten Hunderttausende von Bibeln hinter den Eisernen Vorhang und
konnten den Christen übergeben werden.
1989: Neues Leben für
Ost-Christen
Matthias
Scheiter war Christ in Ostdeutschland. Er erinnert sich an die bedeutenden
Ereignisse rund um die Wende: «In Ostdeutschland standen wir als Christen unter
Druck. Diejenigen, die nicht Mitglied der nationalen Kinder- und
Jugendorganisation waren, durften oft kein Abitur machen und konnten später auch keine weiterführende
Schule oder Universität besuchen. Ohne Parteimitglied zu sein, war es
schwierig, eine qualifizierte Beschäftigung zu finden. Uns war bekannt, dass
Vertreter der Staatssicherheitskräfte (STASI) an Gottesdiensten teilnahmen.»
Noch
gut erinnert er sich an den Mauerfall: «Der Donnerstag, 9. November 1989, war
für mich ein normaler Arbeitstag. In den Abendnachrichten hatte ich gehört,
dass die Reisefreiheit der DDR-Bürger mit sofortiger Wirkung ausgeweitet werden
sollte. Ich fragte mich: ‘Ist dies ein neues Regierungsprogramm zur
Besänftigung der Bevölkerung?’»
Er
hätte sich nie gedacht, dass diese einfache Ankündigung eine solche Dynamik
auslösen und die Mauer niedergerissen würde. «Als erste Reaktion kamen mir
Freudentränen. Mein erster Gedanke war, dass diese Zeit mit all ihren
Schwierigkeiten endlich zu Ende gehen würde! Gleichzeitig hoffte ich, dass ich
nun als Christ freier würde leben können, ohne die ständige Angst, beobachtet
zu werden.»
Christen hatten für friedliche
Revolution gebetet
Matthias Scheiter
Es
sei ein Wunder gewesen, sagt Matthias Scheiter rückblickend. «Lange Zeit
beteten viele Christen unermüdlich. Ich denke, das erklärt, warum diese
Revolution friedlich und ohne Blutvergiessen stattfand. Nach dem Fall der Mauer
hat sich unser Umfeld komplett verändert. Der Zusammenbruch der Wirtschaft hat
zu hoher Arbeitslosigkeit geführt. Viele von uns waren gezwungen, in den Westen
auszuwandern.»
Trotz
der neuen Herausforderungen waren die Christen dankbar für die neu gewonnene
Freiheit. «Der
externe Druck hat die christliche Einheit gestärkt. Noch heute leben wir
unseren Glauben bewusster und sind sensibel für das Leiden unserer verfolgten
Brüder und Schwestern weltweit.»
Drogen und Mafia
Die
Freiheit hat nicht alle Probleme der Kirche gelöst. Die Öffnung der Grenzen
brachte neue Einflüsse in den Osten wie religiöse Sekten, Pornographie,
Drogenkonsum und -handel oder die Mafia.
Paradoxerweise
beobachteten Christen, die im Osten blieben, sogar ein durch den zunehmenden
Materialismus bedingtes nachlassendes Interesse für Glaubensfragen in der Zeit
nach dem Fall des Kommunismus.
Bruder
Andrew machte die gleiche Beobachtung: «Der äussere Druck hatte die Christen
dazu gebracht, zusammenzuhalten; Freiheit führt nun zu einem Mangel an
Zusammenhalt.»
Seit 30 Jahren: Neue Hoffnung,
neue Einschränkungen
Heute
besteht in vielen zentralasiatischen Staaten, die einst Teilrepubliken der
Sowjetunion waren, weiterhin Druck auf die Christen. Die Regierungen mehrerer
Länder üben Druck aus durch Religionsbehörden, Sicherheitsdienste, die
faktische Verunmöglichung von Kirchenregistrierungen und durch die Einführung
einer restriktiven religiösen Gesetzgebung.
Dies
ist zum Teil auf das Erstarken des militanten Islam in vielen dieser Staaten
zurückzuführen. Nach dem Fall des Kommunismus nutzten Muslime in ölreichen
Ländern die aus dieser Industrie sprudelnden Geldquellen, um Moscheen wieder zu
öffnen und neue Mullahs in Zentralasien auszubilden. Saudi-Arabien verteilte
eine Million Korane in den Ex-Sowjet-Republiken Zentralasiens.
Trotz Druck wächst die
Christenheit
Trotz
starker staatlicher Einschränkungen in der Religionsausübung nimmt der Einfluss
des islamischen Fundamentalismus in allen zentralasiatischen Staaten zu; der
Islamische Staat IS hat einige seiner Kämpfer aus dieser Region angeworben. In
Tadschikistan verbreiten sich islamische Gruppen aufgrund von Armut und dem
Einfluss des angrenzenden Iran in der tadschikischen Gesellschaft.
Aber
auch die christliche Kirche ist gewachsen. 1989 gab es unter den traditionellen
muslimischen Bevölkerungsgruppen Zentralasiens weniger als 1000 Christen; es
gab praktisch keine turkmenischen, usbekischen oder tadschikischen Christen.
Seitdem ist die indigene Kirche in Zentralasien lebendig geworden, die Bibel
und christliche Bücher wurden in diese Sprachen übersetzt.
In
Aserbaidschan, Tschetschenien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan,
Turkmenistan und Usbekistan gibt es heute Tausende
von indigenen Gläubigen.
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