Aufbruch unter Roma

«Gottes Fingerabdruck auf meinem Herzen»

Auf dem Rückweg von einem Einsatz in Armenien spürte Paul Koller, dass Gott ihn zum Engagement für die Roma in Serbien rief. Daraus ist das von ihm gegründete Hilfswerk «Hoffnung statt Armut» entstanden. Immer wieder erlebt er Wunder und wie Menschen durch die Liebe Gottes verändert werden. Wir unterhielten uns mit Paul Koller über sein Wirken.

Zoom
Einsatz im Roma Dorf
Paul Koller, für wen engagiert sich «Hoffnung statt Armut» in Serbien?
Paul Koller:
Als Gott im Flugzeug zu mir sprach, wurde mir bewusst, Gott ruft mich in den Dienst für die humanitäre Hilfe nach Serbien. Der «Fingerdruck Gottes auf meinem Herzen» war schmerzhaft: «Paul, dein Auftrag ist, den Ärmsten in Serbien zu dienen». Gott würde mich also in Dörfer führen, wo Menschen nahe am Hungertod sind, Angst vor der Kälte herrscht und Kinder keinen Zugang zur Schule haben. Der Schmerz in meinem Herzen, die tiefe Berührung Gottes, die riesige Verantwortung, die mir Gott auferlegte, liess mich minutenlang unter Tränen und Schluchzen mitten zwischen den Passagieren erschüttern.

Die Arbeitslosigkeit in Serbien liegt bei rund 16 Prozent generell und unter Jugendlichen bei 33 Prozent. Bei den Romas ist die Arbeitslosigkeit über 90 Prozent. Romas haben in keinem Land irgendwelche Rechte, keine Möglichkeit, Eigentum zu erwerben. 1907 wurde ein «Romastaat» ausgerufen, den es weltweit nicht gibt. Romas habe keine Krankenkasse, keine Altersvorsorge, kaum Unterstützung vom Staat. Sie leiden unter Ausgrenzung, Verspottung, Benachteiligungen in Schulen, Ausbildungen und Arbeitsstellen. Im Ersten Weltkrieg fielen 1,2 Millionen Menschen in Serbien. Im Zweiten Weltkrieg wurden in Auschwitz-Birkenau 25'000 Romas in Gaskammern ermordet. Serbien wurde ethnisch «gesäubert», etwa 3,4 Millionen Menschen wurden niedergemetzelt. Nach dem Krieg blieb ein leeres, verwüstetes Land zurück. Die Wirtschaft hat sich auch nach dem Krieg 1999 nicht mehr erholt. Mit Geldern aus Russland und China verschuldet sich Serbien immer mehr.

Welchen Unterschied können Sie mit Ihrem Team machen?
Ohne Unterstützung leben die Ärmsten und die Romas oft als Arbeitslose und ohne Hoffnung. Dies drückt auf das Selbstwertgefühl, schlägt bei einigen auf die Psyche. Ihre Berichte über das Leben in Hoffnungslosigkeit sind erschütternd. Einige Romas haben Grünflächen um ihre oft barackenartigen «Häuser» herum. Aber es fehlt am kulturellen Hintergrund und Kenntnis für den Gemüseanbau. Finanzen fehlen oft ganz für Saatgut wie Kartoffeln, Erbsen, Salat, Karotten und so weiter. Mit dem Gemüseanbau stellen wir nun nach und nach die Selbstversorgung sicher. Fahrräder aus der Schweiz revidieren wir mit einem Team vor Ort. Durch die Fahrräder finden vor allem Männer in einem Radius von 40 Kilometern Arbeit.

Wie gross ist Ihr Team inzwischen?
Das Team in der Schweiz und in Serbien zählt je sieben Personen.

Mehrere Personen fanden durch das Wirken von «Hoffnung statt Armut» zum christlichen Glauben. Können Sie ein, zwei Geschichten kurz beschreiben?
Ein 16-Jähriger kam nach meiner Predigt in Novi Sad mit seiner Mutter und der Pastorenfrau zu mir und übergab Gott sein Leben. In Lebane wurde ich zu einem Kaffee bei einer Romafamilie eingeladen. Sie fragten mich, was der Grund ist, weshalb wir nach Serbien kommen, um den Armen zu helfen? Aufgrund meiner Lebensgeschichte, wie ich zum Glauben kam, schon viele harte Zeiten erlebt habe, aber Gottes Kraft mich täglich voranbringt, übergab eine 28-jährige Frau ihr Leben Gott. In Novi Sad wurde 2013 ein Baby im Alter von sechs Monaten nach dem Gebet von Asthma, sowie ein 38-jähriger Mann von Bauchspeichelkrebs geheilt, der nicht operabel ist.

Welche Erlebnisse gehen Ihnen nahe?
In Bojnik, acht Kilometer nördlich von Lebane, durfte ich 2016 zweimal am Montagabend predigen. Am zweiten Montagabend übersetzte mich eine 28-jährige Frau. Der Pastor forderte sie auf, sich hierfür zu setzen. Dies war mir sehr unangenehm und ich fragte nach dem Grund. Sie hatte seit zehn Jahren Schmerzen im Rücken, von der Hüfte bis zum Nacken und konnte aus diesem Grund nur noch zehn Minuten stehen. Nach 25 Minuten Predigt stand sie immer noch neben mir. Nach dem Gottesdienst strahlte ihr Gesicht. Sie war sehr glücklich und sprang mit den Kindern herum. Am folgenden Mittwoch hatte sie eine Kontrolle im Spital. Der Rückenwirbel war von nun an in der richtigen Position, sie ist geheilt.

Wie sah Ihr Weg bisher aus?
Ich bin in einer Bauernfamilie mit vier Geschwistern aufgewachsen. Dadurch und da ich selber einige Jahre Gemüse– Mischkulturanbau betrieb, kann ich dies in Serbien sehr gut umsetzen. In den Schulferien, Sommer- und Herbstferien, war ich vier Jahre lang beim Maurer, Sanitär, Heizungsmonteur und Dachspengler anzutreffen. Mit meinem Vater machten wir das Fundament für den Hausanbau selber und deckten das Hausdach mit Eternittafeln selber ein. Als 9-Jähriger suchte ich Gott in der katholischen Kirche. Mit 20, in der Rekrutenschule, fand ich zur persönlichen Beziehung zu Gott. Ich lernte den Schreinerberuf und wurde Projektleiter. Mein Herz brennt dafür, das Potential von Menschen zu fördern, sei es im Beruf, Sport oder im Dienst für Menschen durch den Glauben an Gott, im Alltag und Kirchen.

Was bewegt Sie bei Ihrer Arbeit in Serbien?
Einerseits kommt die Gastfreundschaft der Menschen mit Kaffee, Essen, Unterkunft und Hilfsbereitschaft von Herzen. Auf der anderen Seite ist ihre Verletzlichkeit, die Armut, Hoffnungslosigkeit und Arbeitslosigkeit, bis hin zu Hunger- und Erfrierungstod oder Suizid aufgrund der Umstände im Mittelpunkt von ihrem Leben. Mich bewegt es, dass durch unsere Arbeit Menschen berührt und motiviert werden, aus der Hoffnungslosigkeit ausbrechen. Durch den Gemüseanbau können sie sich selber versorgen, oder durch ein Fahrrad im Umkreis von 40 Kilometern Arbeit finden. Männer und Familien reisen teils 310 Kilometer bis nach Belgrad, um Arbeit zu finden und dadurch genügend Einkommen haben. Es ist ein Vorrecht, dass wir den Glauben an Gott in Serbien ganz praktisch leben können. Dass wir gemeinsam Ziele erreichen. Es ist sehr beeindruckend, nach vier Jahren harter Aufbauarbeit dies alles als Team beider Länder zu erleben. Das Hilfswerk «Hoffnung statt Armut» ist in der Realität, bei der tiefsten Armut in Serbien angekommen, was sich im ganzen Land wiederfindet. Mit Volontären aus der Schweiz, der Bevölkerung von Serbien, Spendengeldern, Firmen-Know-how aus der Schweiz und Serbien können wir positive Veränderungen erwirken.

Wie sieht Ihr Jahresprogramm aus?
Für viele weiter Jahre stehen wir in der Verantwortung und Herausforderung, den Menschen in bitterer Armut zu dienen. Wir sammeln Hilfsgüter wie Kleider, Geschirr, Betten mit Matratzen, Tische, Stühle, Spielsachen, Fahrräder und vieles mehr. Wir wollen die Tätigkeiten und Projekte durch hartes Arbeiten vor Ort, Spendengelder, Firmen-Kow-how aus der Schweiz und Serbien realisieren. Dazu gehört auch das Errichten von Trinkwasserversorgungen, Komposttoiletten, Häuser–Ersatzbauten, Kindergärten, Personentransporter für Schulkinder und vieles weiteres wie etwa Solaranlagen für Strom und Heizung, Recycling von PET-Faschen und Plastik. Dazu gehören aber auch Bibeln für Menschen, die Gott erleben und näher kennenlernen wollen.

Zur Webseite von «Hoffnung statt Armut» 

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Datum: 25.11.2019
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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