Das Coronavirus trifft alle,
wenn auch sehr unterschiedlich. Während die einen harte wirtschaftliche
Probleme lösen müssen, machen sich andere Gedanken über die Auswirkungen in der
Zukunft. Ein Livenet-Talk machte die aktuelle Befindlichkeit sichtbar.
Livenet-Talk per Videokonferenz: Dora Aebi, Andreas Krafft, Florian Wüthrich, Marc Jost, Daniel Zindel (Bild: Livenet)
Die Gartenbauunternehmerin Dora Aebi ist
besonders hart betroffen. Mitten in der Hochsaison kann sie ihre Produkte nicht
mehr verkaufen. Dennoch müssen die Pflanzen gepflegt werden, sodass sie das
Personal nicht einfach in Kurzarbeit schicken kann. Die Einnahmen brechen weg,
die Kosten laufen weiter.
Lieber gesunde Mitarbeiter
Dora Aebi-Küpfer
Die Geschäftsleiterin
der Aebi-Kaderli Baumschulen AG in Düdingen, die auch Leitungsmitglied des
Unternehmerverbands «Gärtner Schweiz» ist, gibt dennoch nicht auf. Sie spricht
zwar von einer Katastrophe, aber die eigentliche Katastrophe wäre für sie, wenn
die Mitarbeitenden krank würden. Sie hofft jetzt, dass die Massnahmen für Gärtnereibetriebe
bald gelockert werden. Dora Aebi: «Wir haben ja viel Platz. Wir könnten
Pflanzen auch liefern oder auf den Parkplatz stellen zum Abholen. Das könnten
alle Gärtnereien und Gartencenter umsetzen.»
Die Ruhe bewahren
Wie hat sie das persönlich verkraftet? «Ich bin der Typ, der
nach einer Krise wieder aufsteht», so Aebi. Sie habe sich an die Geschichte im
Markus-Evangelium erinnert, in der erzählt wird, wie Jesus mit seinen Jüngern auf
dem See Genezareth in einen Sturm geriet. Während diese in Panik gerieten, schlief Jesus
ruhig weiter. Es sei diese Ruhe, in der sie auch mitten in der Krise – wenn es
draussen stürmt – bleiben möchte.
Hoffnung fordert heraus
Andreas Krafft
Andreas
Krafft ist akademischer Leiter des Hoffnungsbarometers in der
Schweiz und Dozent an der Universität St. Gallen. Er zeigte grosses Verständnis
für Menschen wie Dora Aebi und andere, die jetzt in ihrer wirtschaftlichen
Existenz bedroht sind. Er will aber schon über die Krise hinausblicken und
spricht das Thema Hoffnung an. Sie hänge «nicht davon ab, ob wir optimistisch
sind, sondern sei vielmehr eine Haltung der Gewissheit auch in schwierigen
Situationen, eine Chance, etwas daraus zu lernen». Wir stünden alle vor der
Frage: «Wie können wir zusammenstehen, uns gegenseitig unterstützen?» Man werde
zwar wirtschaftlich kürzer treten müssen, dafür werde das Bewusstsein dafür
geschärft, was wesentlich für uns und die Gesellschaft sei. Die
Wohlstandsblockade, die die Entwicklung gehemmt habe, sei aufgebrochen. Das
Bedürfnis nach einer ökologischeren Wirtschaft, die weniger auf Leistung und persönlichen
Erfolg ausgelegt sei, werde stärker ausgelebt. Krafft: «Es braucht ein neues
Gleichgewicht zwischen den ökonomischen und den gesellschaftlichen Werten.»
Veränderungen und Beharrungsvermögen
Marc
Jost, EVP-Grossrat und Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen
Allianz, betont die unterschiedliche Betroffenheit der Menschen durch die
Krise, auch international. Die Schweiz sei in einer privilegierten Lage und
profitiere auch von der Möglichkeit, eine Qualitätszeit aufzubauen. Auch diese
werde unterschiedlich genutzt: «Einige werden radikal umstellen, andere
in alte Gewohnheiten zurückfallen.» In der Politik hätte einige Anliegen eine
neue Chance, doch die Komplexität der Fragestellungen bremse Veränderungen. Eine
konkrete Auswirkung werde sein, dass auch NGOs im christlichen Raum dafür
sensibilisiert wurden, Reserven für Krisenzeiten aufzubauen.
Mehr Zeit fürs Wesentliche – dank Digitalisierung
Daniel Zindel (Bild: idea Schweiz)
Daniel
Zindel ist als Leiter der Stiftung Gott hilft für ein breites Spektrum von
Betrieben – vom Hotel bis zum Schulheim im In- und Ausland – verantwortlich und
von den Massnahmen der Behörden stark betroffen. Er ist sich bei allem
Krisenmanagement bewusst, dass die Stiftung in ihrer 100-jährigen Geschichte
schon viele Krisen durchlebt und darin Widerstandskraft aufgebaut hat. Er kann
der Krise sogar Gutes abgewinnen, zum Beispiel den Erfahrungen, die er mit der
digitalen Kommunikation gemacht hat: «Wir werden weniger im Auto sitzen und
stattdessen digital mobiler sein», bilanziert Zindel.
Auch mit der
Digitalisierung in der Pädagogik habe die Stiftung positive Erfahrungen
gemacht. Und komplexe Abläufe in der Stiftung funktionierten jetzt besser. Dies
bestätigt auch Andreas Krafft: «Sie (die digitale Technik) lässt uns
mehr Zeit für das Wesentliche! Es zeigt sich, dass Homeoffice funktioniert, wo
man es bislang nicht für möglich hielt. Weltweit.»
Zukunftsperspektiven
Der Zukunftsexperte Andreas Krafft fasst seine Überlegungen
zu den langfristigen Auswirkungen so zusammen: «Hoffnung ist ein Instinkt des
Menschen, der aufstehen und weitermachen will. Sie ist dann am stärksten, wenn
es uns schlecht geht. Es ging uns gut, aber es gab wenig grosse Schritte, wir
waren wie eingerostet. Nun wurden wir wachgeschüttelt. Die Hoffnung gibt die
Kraft, neu anzufangen und schwierige Situationen zu bewältigen. Wir sehen jetzt,
wie abhängig wir von andern Menschen sind. … Wir sind aufeinander angewiesen.
Die Spenden werden grösser werden, wenn es wieder aufwärts geht. Mehr regionale
Produkte werden gekauft. Programme wie solidarische Landwirtschaft mit Hauslieferdienst werden zulegen. Man wird
neue Wege ausprobieren.» Auch in der Kirche werde das Thema Hoffnung an Gewicht
gewinnen.
Marc Jost weist darauf hin, dass die Klimajugend jetzt
miterlebt habe, wie schnell politische Veränderungen in Krisenzeiten möglich
seien. Dies könne eine neue politische Dynamik entfalten.
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