Evangelische Minderheit als Licht in der Dunkelheit
Libanon
hat sich von der Explosionskatastrophe im Beiruter Hafen noch nicht erholt.
Unser Nahostexperte Heinz Gstrein wirft ein Licht auf die Lage der
evangelischen Minderheit. Ihr Mitglieder helfen, wo sie können, und bitten um
Gebetsunterstützung für ihren Dienst und ihre Verkündigung.
Zerstörter Hafen von Beirut nach der Explosion (Bild: Wikipedia)
Im Hafen von Beirut starren die Menschen
noch immer fassungslos in einen fast 50 Meter tiefen Krater, den die
gigantische Explosion vom 4. August gerissen hat (Livenet berichtete). Am Rand des Abgrunds steht
aber ganz Libanon mit fast 200 Toten und Vermissten, rund 6'000 Verletzten, an
die 300'000 Obdachlosen.
Der «Grosse Knall» des in krimineller Nachlässigkeit
jahrelang gespeicherten Ammoniumnitrats hat auch die rundum gelagerten
Lebensmittel und Medikamente zur Linderung der akutesten Nöte vernichtet.
Ausgelöscht ist bei vielen auch die letzte Hoffnung, die so verantwortungslose
politische Führungsclique könnte das Land noch einmal aus seiner Dauerkrise
herausführen.
Keine Toten, aber zerstörte Kirche
Doch die kleine Schar von Libanons
evangelischen Christen lässt sich auch in dieser schrecklichen Prüfung nicht
entmutigen. Wie durch ein Wunder haben sie keine Todesopfer zu beklagen. Auch
die Zahl der Verwundeten hält sich in Grenzen. Umso grösser sind die
materiellen Schäden. Die «City Bible Church» in der Nähe des Hafens wurde
völlig zerstört. Ihre Gläubigen hatten sie einst mit eigenen Händen erbaut, als
die calvinistische Erweckungsbewegung «Apostelgeschichte 29» in den 1950er
Jahren nach Beirut gekommen war.
Sie will dem Werk der ersten Apostel Jesu,
das in 28 Kapiteln niedergeschrieben wurde, in unserer Zeit ein 29. hinzufügen.
So sammelte sich die ganze Gemeinde noch mitten im Chaos um ihre Kirchenruine.
Man begann mit Aufräumungsarbeiten, versuchte verzweifelten, verstörten
Nachbarn Hilfe zu bringen und Trost zu spenden. «Die meisten Menschen in
unserer Umgebung fühlen sich entmutigt, vergessen, ja sogar verflucht», sagt
Pastor Marwan Abu Zeluf. «Gerade jetzt wollen wir ein für Jesus leuchtendes
Licht sein in der Finsternis und Zerstörung rundum.»
Gebet unter freiem Himmel
Unter dem freien Himmel des geborstenen
Daches der «Bible Church» wird für Beirut und Libanon gebetet. Um ein Ende der
Prüfungen für das ganze libanesische Volk und die fast zwei Millionen
Flüchtlinge aus Syrien, die in und um Beirut sichere Zukunft zu finden gesucht
haben. Gebetet wird für ein mächtiges Erstarken des Evangeliums. Pfarrer Abu
Zeluf ruft Christen in aller Welt auf, in dieses Gebet einzustimmen: «Für
unsere Bible Church», damit sie Fürsorge mobilisieren, tätige Nächstenliebe
leben und Christus in diesen Trümmern mutig verkünden kann!».
Glimpflich davongekommen
Dem ältesten evangelische Gotteshaus von
Beirut, der «Evangelischen Nationalkirche», wurden von der Explosion «nur» die
Glasfenster in Scherben gerissen. Die 1870 von frühen Presbyterianer- und
Kongregationalistenmissionaren aus den USA erbaute Kirche war im libanesischen
Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 bis auf den Glockenturm zerstört und 1998 wieder
aufgebaut worden. Jetzt ist sie glimpflich davongekommen. Völlig verwüstet
wurden hingegen die Kirche und das Theologische Institut der Evangelischen
Christlichen Allianz in Karantina, der alten Hafenquarantäne.
«Die Szenerie sieht aus wie Hiroshima. 200
Verletzte auf dem Boden des nahen Krankenhauses, das selbst halb zerstört
wurde. Ein einziges Schlachtfeld!», schildert Milad Dagher, Neffe des
Gemeindegründers Pfarrer Sami Dagher. Wo Kirchen noch stehen oder nur geringere
Schäden erlitten haben, dienen sie zur Aufnahme der Nachbarn, die obdachlos
geworden sind. «Zerstört wurden vor allem Wohnungen armer Arbeiterfamilien, die
im engsten Vernichtungsradius der Explosion gehaust haben. Metall-, Holz- und
Glassplitter haben wie Geschosse eingeschlagen.»
Ungewisse Zukunft
Edgar Trabelsi
Zur Bewältigung der dringendsten
materiellen Bedürfnisse fand inzwischen unter der Ägide Frankreichs eine
Videokonferenz von 30 Weltpolitikern mit Präsident Donald Trump an der Spitze
statt. Sie hat Libanon 250 Millionen Euro als Soforthilfe zugesagt. Mit dieser
Finanzspritze allein wird das Zedernland aber nicht zu retten sein. Schon seit
Monaten schwindet jedes Vertrauen in sein etabliertes politisches System. Auch
der am Montag verkündete Rücktritt der Regierung kann die nach dieser
Katastrophe noch militanteren Demonstranten in Beirut nicht beruhigen.
Mit Rücktrittsforderungen sieht sich
neuestens auch Libanons einziger evangelischer Abgeordneter, Edgar Trabelsi,
konfrontiert. Der Baptistenpfarrer in Beiruts Hinterland Metn, weist das aber
entschieden zurück: «Ich bin nicht der Typ Hirte, der seine Aufgabe und seine
Herde in dieser Zeit des Unheils und der Not im Stich lässt. Mein Wahlkreis
gehört ebenso zu meiner Herde wie meine Gemeinde!» Im Rahmen der
überkonfessionellen Organisation «Muntischrin» (Neuverteilung) ermuntert er
gerade junge Evangelikale, beim Wiederaufbau selbst Hand anzulegen.
Ein Leuchtturm für Jesus
«Ich sehen viele junge Menschen, die
helfen, die Strassen von Trümmern und zerbrochenen Fenstern zu säubern. Das ist
ermutigend», bestätigt Senior Pastor Hikmet Kaschuch von der evangelikalen
«Auferstehungskirche». Und seine Sozialassistentin Lily Malki fügt hinzu: «Wir
haben schon 35 Häuser wieder instandgesetzt, wir geben Essen aus, sammeln und
verteilen Spenden aller Art. Jeder hilft nach seinen Möglichkeiten in der
unmittelbaren Nachbarschaft. Inmitten der Katastrophe des Explosionssturmes
bleiben wir ein Leuchtturm für Jesus!»
Meghan und Harry sorgten mit einer «Netflix»-Doku für mächtig Wirbel. Die Autorin und «Woman Alive»-Chefredaktorin Tola Doll Fisher machte sich dazu...