Clemens Böhme, Elsbeth Widmer und Elisabeth Würth (Bild: David Gysel)
Das
internationale Hilfs- und Missionswerk Operation Mobilisation will zurück zu
den Wurzeln – als Missions- und Gebetsbewegung für Menschen, die vom Evangelium
nicht erreicht sind. Was bedeutet dies konkret? David Gysel sprach mit drei
Vertretern, die mit OM in der Schweiz arbeiten.
OM will Menschen mit dem Evangelium erreichen. Geht OM
ressourcen- oder bedürfnisorientiert vor bei der Bestimmung der Arbeitsfelder? Clemens Böhme: Das eine geht nicht ohne das andere. Wir brauchen Leute,
die Erfahrung mitbringen, um noch nicht erreichten Volksgruppen das Evangelium
zu bringen. So haben wir zum Beispiel ein Einsatzfeld in Frauenfeld unter
Albanisch Sprechenden. Es gibt in der Schweiz mehr Albanisch Sprechende als
Einwohner in Graubünden!
Elisabeth Würth, Sie arbeiten in Verbindung mit einer
Freikirche unter Migranten. Wie knüpfen Sie Kontakte zu ihnen? Elisabeth Würth: Vor allem durch die Sozialarbeit der Gemeinde. Da
finden sich Menschen aus vielen Nationen ein. Wenn manche ein geistliches
Interesse zeigen, pflege ich den Kontakt mit ihnen.
Können Sie ein Beispiel nennen eines Volkes, das noch
«unerreicht» ist?
Würth: Zum Beispiel die Tibeter. Ich kenne
eine Tibeterin, die Kontakt sucht. Wenn ich ihr sage, ich sei am Sonntag im
Gottesdienst, kommt sie. Wie viel sie versteht, weiss ich allerdings nicht.
Aber ich weiss, dass Gott sie berührt. Elsbeth Widmer: Wir haben einige Mitarbeitende, die im Ausland unter
Völkern gearbeitet haben, die auch als Migranten in der Schweiz sind. Wir haben
aber eine viel weitere Perspektive und denken multikulturell.
Sie gründen keine Gottesdienste, die spezifisch auf
ein Volk oder eine Sprache ausgerichtet sind?
Widmer: Unser Ziel ist die Integration, auch
die Integration in Schweizer Gemeinden. Mit unserer Arbeit wollen wir Gottes
Liebe praktisch zeigen. Wenn dies Interesse weckt und Migranten Anschluss
suchen, helfen wir ihnen, im Glauben zu wachsen.
Würth: Wir führen in meiner Gemeinde ein Bibelstudium durch mit Migranten,
die Hilfe brauchen, die Bibel zu lesen und zu verstehen. Da sind verschiedene
Nationalitäten vertreten. Sie können über die Kulturgrenzen hinweg im Glauben
wachsen und Probleme bewältigen.
Böhme: Die multikulturelle Integration ist auch Ziel der Evangelischen
Allianz. Es macht keinen Sinn, wenn jede Sprache ihre eigene Gemeinde pflegt.
Es gilt, vernetzt orientiert zu sein und offen auf die anderen Kulturen
einzugehen. Das ist nämlich eine grosse Hürde, nicht nur für Schweizer
Gemeinden, sondern auch für Migrantengemeinden in der Schweiz.
Früher war die Migrantenarbeit eine Domäne von MEOS.
Heute arbeiten viele Werke mit ehemaligen Auslandmitarbeitenden in der Schweiz
unter Migranten. Wo reiht sich OM ein?
Widmer: Die Schweiz wurde multikultureller.
Früher wurde die Arbeit mit Ausländern an «Spezialisten» delegiert. Heute haben
mindesten 37 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Wir
wollen Schweizer Gemeinden mobilisieren, damit sie diese Menschen in ihrem
Umfeld sehen und ihnen mit Liebe begegnen. OM sieht sich als Ergänzung in
diesem Dienst und ist auch Teil der Arbeitsgruppe interkulturell der SEA.
Sehen Sie sich vor allem als Motivatoren oder als
Missionare?
Böhme: Unsere Vision ist es, lebendige
Christusnachfolge zu fördern von Menschen, die dann zu denjenigen gehen, die
das Evangelium nicht kennen – in der Schweiz wie auch weltweit. Einerseits sind
wir Motivatoren – wir wollen, dass Menschen ihren Glauben mit ihren Nachbarn
leben, die vielleicht aus einem unerreichten Volk kommen. Auf der anderen Seite
senden wir Menschen aus, damit andere das Evangelium hören. Mobilisation und
Evangelisation gehören zusammen. Wenn ich meinen Glauben lebe, bin ich
Motivator und Missionar. Widmer: Menschen, die in der Schweiz ihren Glauben nicht mit ihren
Nachbarn leben, werden dies auch im Ausland nicht tun. Wir sehen in der Schweiz
einen Auftrag zu motivieren und zu inspirieren. Unser Fokus ist nicht,
Programme zu gestalten. Ein Grossteil unseres Dienstes verläuft auf der
Beziehungsebene.
Hat sich OM von einer Jugendbewegung zu einer
traditionellen Missionsgesellschaft gewandelt? Böhme: Ich hatte nie den Eindruck, dass OM nur eine Jugendbewegung sei.
OM war bekannt dafür, dass Junge rausgingen und das Evangelium teilen wollten.
Wir hatten aber auch schon einen 78-Jährigen auf dem OM-Schiff! Jeder kann
Evangelium teilen!
Unterscheidet sich OM von anderen
Missionsgesellschaften in dem Sinne, dass andere zuerst eine theologische
Ausbildung verlangen und man sich bei OM gleich in den Einsatz stürzt?
Böhme: Der OM-Gründer George Verwer
betonte immer: «Jeder Mensch ist in Gottes Reich zu gebrauchen!» Wer eine
Leidenschaft für Christus hat, soll sich für Gottes Reich einsetzen können.
Dass man vor einem Einsatz gewisse Fragen stellt, die Kandidaten prüft, dass
man die Leute begleitet, dass es Training braucht ab einem gewissen Zeitpunkt,
das gehört alles dazu. Wir wollen die Leute aber nicht von vornherein
selektionieren. Würth: Bei mir war ein Einsatz von einem Jahr geplant. Daraus wurde ein
weiteres Jahr, und dann noch eins… Wenn ich gewusst hätte, dass ich zwanzig
Jahre bleiben würde, wäre ich gar nicht gegangen. Diese Möglichkeit, einmal
einen Einblick gewinnen zu können, finde ich wichtig. In den Jahren des
Einsatzes gab es so viele Möglichkeiten, bei denen ich mich entwickeln konnte,
die ich in der Schweiz nie gehabt hätte. Es ist wirklich eine Chance,
Verschiedenes zu probieren. Böhme: Viele Personen in Leitungsverantwortung in anderen Missionsgesellschaften
haben mit einem OM-Einsatz begonnen. Sie haben sich also entwickelt. Das freut
uns. Widmer: Die Vision, Gaben zu entdecken, ist auch heute noch unsere
Vision. Es geht nicht darum, mehr Mitarbeitende für OM zu gewinnen, sondern
dass sich Menschen für Gottes Reich einsetzen, ob im Ausland oder in der
Schweiz, ob mit Kurz- oder Langzeiteinsatz, in welcher Organisation auch immer.
OM kann der Initiator sein, wenn Menschen merken, was Gottes Plan für sie ist. Böhme: Weltweit wächst die Zahl der vom Evangelium Unerreichten täglich
um 60'000 Menschen an. Wir wollen Katalysator dafür sein, dass sich diese Zahl
umkehrt. Es ist der Auftrag an uns Christen.
Warum macht OM nicht mehr die grossen
Love-Europe-Missionskonferenzen? Böhme: Die Welt hat sich weiterentwickelt und heute prägt die persönliche
Begegnung die Leute stärker. Dann gibt es zum Beispiel mit PraiseCamp andere
Jugendanlässe, bei denen OM mitwirken kann. Wir wollen auch bewusst mit Gemeinden
arbeiten, nicht die Leute aus den Gemeinden rausziehen.
Klappt die Rekrutierung auf diese neue, stillere
Weise? Böhme: Vor Corona machten viele Leute Kurzzeiteinsätze mit OM. In der
Corona-Zeit waren die Auslandkurzeinsätze unmöglich. Wir ermöglichten Einsätze
in der Schweiz, was gut lief. Aktuell kriegen wir täglich Anmeldungen für
Trainingseinsätze im Ausland mit einer Dauer von fünf Monaten bis zu zwei
Jahren. OM hat weltweit fünf «Spotlight-Regions» im Blick. Eine davon ist die
Sahel-Region, wo es schwierig und auch gefährlich ist zu leben.
«OM ist als Gebetsbewegung entstanden», sagen Sie,
Herr Böhme. Was bedeutet das Zurück zu den Wurzeln konkret in diesem Bereich? Böhme: Gebet ist ein Riesenthema! Wir sind der festen Überzeugung, dass
Gebet die Grundlage von allem ist. George Verwer traf sich mit einer Miss Klapp
zum Gebet und daraus entstand OM. Wir haben zwar das Gebet nicht aus den Augen
verloren, haben uns aber stark Richtung Einsatz entwickelt. Wir wollen wieder
dahin kommen, dass wir sagen: Christus ist die Grundlage von allem und Gebet
ist, mit ihm in Kontakt zu treten. Es stärkt uns und öffnet Türen. Das gilt für
alle und wir wollen dieses Prinzip auch in die Gemeinden hineintragen, mit
konkreten Angeboten. Wir wollen Gebet stärken, das Feuer für Gebet wecken. Widmer: Als Team im Heimatbüro treffen wir uns schon längere Zeit jeden
Tag zum Gebet. Wir beten für unsere Bedürfnisse, aber auch für weltweite
Anliegen und unsere Vision und unseren Auftrag. Als wir im Irak arbeiteten,
nahm sich unser Team jeden Tag Zeit zum Gebet, jeweils am Nachmittag, wenn es
sehr heiss war. Wir waren uns bewusst, dass wir auf Gott und seine Leitung
angewiesen waren, dass es letztlich nicht an unseren Fähigkeiten und unserer
Arbeit lag. Wir brauchten auch die Sicht, wie Gott die jeweilige Situation
betrachtete.
Frau Würth, was sagt Ihnen das Stichwort «Zurück zu
den Wurzeln als Gebetsbewegung»?
Würth: In meinem ersten Einsatzland traf
man sich immer am Donnerstag zum Gebet. Auch im zweiten Einsatzland war einmal
in der Woche ein Treffen im Programm. Das ist eine gute Sache. Aber das Gebet
konnte so auch zu einer Pflichtübung werden. Ich merkte mittlerweilen, dass wir
immer und immer wieder neu beten lernen und andere Wege des Gebets entdecken
müssen. Dies gilt auch für OM. Ich nehme im Moment an einer Gebetsschulung
teil. Ich merke, dass es noch Neues zu entdecken gibt, zu sehen, wie stark wir
Gott brauchen und was er tun kann. Widmer: Einmal im Monat treffen sich alle OM-Teams der Welt jeweils in
ihrem Team zum Gebet. An einem solchen Morgen entstand bei jemandem aus unserem
Team der Eindruck, dass wir Gemeinden interaktive und unterschiedliche Arten
von Gebetstreffen für unerreichte Völker anbieten könnten. Erste Gemeinden
nahmen das Angebot in Anspruch und gaben ein sehr positives Echo.
Herr Böhme, was stimmt Sie optimistisch?
Böhme: Der Auftrag ist weder zu schwer noch zu gross.
Jeden Tag finden Menschen zu einem persönlichen Glauben an Jesus Christus. Gott
ist am Wirken!
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