«Mir mönd gahn» –
dieser Auftrag ist das Lebensmotto von Florian «Fluri» Bärtsch. In sehr deutlichen
Worten hörte er ihn im Jahr 1975 in dem Moment, in dem er Jesus in sein Leben
einlud – und setzt ihn seit über 25 Jahren unermüdlich und konkret um.
Konkret hörte der Bündner Bauernsohn damals das Wort aus Psalm
2, Vers 8: «Bitte mich, so werde ich dir Völker zum Erbe geben und die Enden der Erde
zum Eigentum.» Er deutete es so, dass er zu Menschen gehen sollte, «die mit der
Guten Nachricht nicht erreicht sind». Es ging aber nicht sofort los. Fast 20
Jahre lang betete er: «Wo sind denn jetzt diese Unerreichten?», bis er endlich das
innere Ja hörte: «Jetzt geh!»
«Kulturell-religiöse
Blöcke»
Bärtsch bildete Teams, mit denen er verschiedene
«kulturell-religiöse Blöcke» besuchte, evangelisierte und Gemeinden gründete: «Als
in den 90er Jahren der frühere Ostblock aufging, wurden fast auf einen Schlag 300
Millionen Menschen erreichbar für das Evangelium. Mitte der 90er Jahre gingen
in Indien Türen auf zur untersten Schicht der Dalits, der Unberührbaren – wieder
rund 300 Millionen.»
Ab der Jahrtausendwende kamen dann islamisch geprägte
Völker ins Blickfeld, «und was wir gehört haben, ist: Wenn diese Phase vorbei
ist, dann wird das Evangelium noch einmal dahin zurückkommen, wo es angefangen
hat.» Bärtsch: «Darum warte ich jetzt natürlich darauf, dass unter den
Unerreichten in Westeuropa noch einmal Grosses mit dem Evangelium geschieht.»
Zeitalter der
Jüngerschaft
Das Reich Gottes ist immer am «Kommen», d.h. nichts
Statisches. Das heisst für Fluri Bärtsch: «Immer wieder gibt es eine neue Zeit,
Epochen, wo der Heilige Geist neue Schwerpunkte betont.» Gegenwärtig scheint
man weltweit, so Bärtsch, «zu hören, dass wir hingehen und Menschen zu Jüngern
machen sollen – nicht nur Pastoren und Vollzeiter, sondern Jünger, die wiederum
andere zu Jüngern machen.»
In Gesprächen in verschiedenen europäischen Ländern findet
er das bestätigt: «Da sagt der Heilige Geist etwas, das kommt irgendwie.» Nach
starker Betonung von «In» und «Up» sieht Bärtsch eine Zeit des «Out» kommen,
und zwar nicht nur, um Leute «in die Gemeinde zu holen», sondern sie zu Jüngern
an ihrem Platz in der Gesellschaft auszurüsten.
Rein in die Welt
Beim Lesen des bekannten Worts von Johannes Kapitel 3, Vers 16 wurde Bärtsch
die «Welt» wie durch einen Licht-Scheinwerfer erleuchtet. «Wenn der Strom von
Gottes Liebe in die Welt geht, müssen wir auch dahin.» Aber wo sind in Europa
die «Unerreichten»? Durch die Bibel wurde das «europäische Abendland» geformt,
das heute, nachdem die Bibel an Einfluss verliert, wieder in unzählige
kulturelle, sprachliche und nationale Einheiten zerfällt.
«Wenn man dieses
Patchwork anschaut, gibt es viele Milieus, die völlig unerreicht vom Evangelium
sind.» So sind die verschiedenen «Secondos», die zweite Generation von
Einwanderern, eine «unerreichte Gruppierung». Je näher man eine Region oder
eine Stadt anschaut, um so klarer werden die vielen «unerreichten Sub-Milieus» – von Soziologen als «Ethnien» bezeichnet, was nahtlos zum Auftrag von Jesus
führt, alle «Ethnien» zu gewinnen.
«Ein grosses Abenteuer»
75 Prozent dieser Sub-Milieus haben heute keinen christlichen Bezug
mehr und sind auch nicht durch herkömmliche christliche «Komm-Strukturen» zu
erreichen. «Wir müssen zu ihnen gehen und auch bei ihnen bleiben», so Bärtsch, das heisst
nicht mehr davon träumen, alle «in die Kirche zu bringen». In der Innerschweiz, in der Bärtsch viele
Jahre lebte, ist die «christlich-abendländische Dorfkultur» im Jahrzehnt nach
2000 «umgekippt» in die postmodernen Splitterkulturen – wie übrigens in vielen
ländlichen Kulturen Europas. Die Städte sind hier weiter.
«Das Erreichen einer unerreichten Subkultur ist eines der
grossen Abenteuer unserer Zeit.» So sind Heavy Metal-Fans nachts zwischen zwei
und vier Uhr sehr offen, aber am Sonntagmorgen in eine Kirche gehen, wäre für
sie «perverses Verhalten». In einzelne Subkulturen hat Bärtsch darum eigene
«Jünger» entsandt, die experimentell herausfinden, wie man dort wiederum
«Jünger macht».
«Send me»: Das
Second-Hand-Christentum überwinden
Viele jungen Christen leiden darunter, dass sie zwar von
anderen hören, was diese mit Gott erleben, aber gern «first hand» erfahren
würden, wie Gott in einer anderen Kultur wirkt – und zwar hier, vor ihrer
Haustür. «Aber sie haben keinen, der sie an die Hand nimmt», so Bärtsch. Viele
wären, so ist er überzeugt, bereit, den Beruf zu künden und den Ort zu wechseln, um in eine
neue Kultur zu gehen, wenn sie jemand anleiten würde.
Das kann man nicht theoretisch machen. Bärtsch bietet seine
gesammelten Erfahrungen schon länger online als Jüngerschaftskurs unter«www.besent.ch» an. «Aber wir mussten auch etwas haben, wo die Leute nicht nur
online, sondern konkret 1:1 lernen können, wie man in eine neue Kultur
reingeht.» Daraus wurde «Send me», ein
dreimonatiges praktisches Training vor Ort mit 20 bis 30 Leuten im Dreischritt von
«Lehren, Umsetzung planen, Tun».
«Spannend – das deckt sich mit den Aussagen von anderen Leitern, die wir
hier schon im Livenet-Talk hatten», findet Talkmoderator Flo Wüthrich. «Jünger
machen, um Jünger zu machen und so alle Ethnien zu erreichen» ist damit eine konkrete
Neubesinnung auf den «Missionsbefehl», unter dem die Kirche bekanntlich seit
2000 Jahren steht und der immer wieder neu interpretiert - und umgesetzt - werden muss
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