Ein
schonungslos offenes Buch übers Scheitern. Dafür mögen sich heute viele
interessieren. Grund genug, auch im Livenet-Talk darüber zu sprechen.
Wie bereits im Livenet-Talk mit Thomas Härry, zu
dessen Buch «Die dunkle Seite der Macht», geht es auch diesmal wieder um einen
eher schwierigen Aspekt von Leiterschaft. Erneut steht ein Buch im Mittelpunkt:
«Scheitern erwünscht» von Evi Rodemann. Weitere Talkgäste sind Andreas Timm
(Pastor im Christus Centrum Tostedt) und Alexander Hirsch (Pastor Anskar-Kirche
Marburg).
Wenn leidenschaftliches Leiten zu Leiden führt
Buchcover
«Wenn du nicht leidest an deiner Leitung, dann
leitest du wahrscheinlich nicht.» Mit diesen Worten unterstreicht Evi Rodemann das
Thema des Talks. In ihrem Buch «Scheitern erwünscht», welches den inhaltlichen
Boden des Talks legt, berichtet Evi offen von ihrem persönlichen Scheitern. Als
ihr per Telefon ihre Leitungsverantwortung entzogen wurde, riss ihr das den
Boden unter den Füssen weg. «Das war ganz, ganz schlimm. Ich habe mich
leergeheult wie nie zuvor in meinem Leben.» Sie durchlebte eine emotionslose
Phase und glaubte eine Zeitlang nicht, jemals wieder in der christlichen Welt
eine Leitungsaufgabe zu übernehmen. «Es war eine sehr dunkle Zeit», sagt sie heute
und spricht sogar von einer unerwartet dunklen Seite ihrer Seele. Diese Zeit hat
sie nur mit Hilfe ihres Mentors, ihrer Familie und Freunden durchgestanden. Es
sei auch zentral wichtig gewesen, an Gott dranzubleiben und sich Zeit zu
nehmen, um zu vergeben und Heilung zu empfangen.
Worin gründet sich unsere Identität?
In Krisen erkennen wir, worin unsere Identität gegründet
ist. In ihrem Buch berichtet Evi, wie Schmerz und Leid entstehen, wenn der
persönliche Wert in einer Position oder im Erfolg gesehen wird. In Zeiten der
Krise lernte sie, wo sie von Gott und wo von Menschen abhängig war. Deshalb
sind Krisen wertvoll, gerade auch dann, wenn sie ohne sichtbares Ende
ausgehalten werden müssen. «Zwischenzeiten und ungewisse Übergangsphasen sind
ungemütliche Orte.» Dieses Zitat aus ihrem Buch bringt es auf den Punkt.
Von Menschen lernen
Was Evi am meisten motivierte, waren Geschichten anderer
Menschen. Einige davon hat sie in ihr Buch reingenommen. Im Livenet-Talk sind
zwei Mitwirkende zu Gast. Andreas Timm, Pastor im Christus Centrum Tostedt hat im Buch über Selbstwahrnehmung und Zynismus
geschrieben. Er sagt: «Mich begeistert Evis offene Art über dieses Thema zu
sprechen.» Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit sind heute attraktiv und Andreas ist
überzeugt, dass wir eine Theologie des Scheiterns zulassen müssen. Nach der «Wurmtheologie»
seien wir zu einer «Sieg-Theologie» übergegangen und müssten nun die Mitte
finden.
Stolperfallen erkennen
Die klassischen Stolperfallen werden in zahlreichen
Büchern erwähnt. «Ein ganz wichtiger Punkt ist Selbstwahrnehmung», sagt
Andreas Timm. Menschen, die uns reflektieren, seien sehr wichtig. Weiter müsse ein
Leiter lernen, mit Enttäuschungen, Niederlagen und auch Verrat umzugehen, damit
er nicht in die Falle von Zynismus oder Sarkasmus gerät.
Auch mit einer Angst vor Versagen sei niemandem
geholfen. «Mit unseren Entscheidungen werden wir immer Menschen verletzen»,
hält Evi fest und rät «den Schmerz unserer Leiterschaft zu umarmen.» Diese
negativen Dinge zu erleben, bedeute nicht, dass sie eine schlechte Leiterin sei.
Scheitern darf kein Tabu sein
«Eigentlich möchte man sich nicht mit dem Thema
des Scheiterns beschäftigen, aber es ist wichtig,
darüber zu reden», sagt Alexander Hirsch, Pastor der Anskar-Kirche Marburg und Gesamtleiter der gleichnamigen Bewegung in Deutschland. Er unterstreicht, dass ein Hinfallen nicht als Scheitern
bezeichnet werden soll. Während ein Hinfallen eine Niederlage bedeutet, von der
wir uns erholen können, beschreibt er Scheitern als «Ende der Fahnenstange». An
dieser Stelle ergänzt Evi, dass unbedingt geklärt werden muss, woran wir Erfolg
messen. Ist es etwas zahlenmässiges? Oder geht es darum, Menschen zu lieben?
Grundsätzlich wird gewünscht, dass Leiter sich
mit der Gemeinde oder Organisation identifizieren. Es kann aber auch zu viel
sein. «Wenn jemand die Länge des Gottesdienstes kritisierte, empfand ich das
als persönliche Kränkung», erzählt Alexander. «Schliesslich war der
Gottesdienst mein Baby.» Da musste er sich schon korrigieren. Andererseits könne
es aber nicht sein, dass Leiter über ihre Gemeinde lästern. «Wie kannst du da
irgendetwas bewegen?» Es ist wichtig, den richtigen Weg zu finden.
Einsatz ohne Ende
Zu einer gesunden Identifikation mit der Gemeinde
oder Organisation gehört auch das Thema des masslosen Einsatzes. Evi skizziert aber
auch Menschen, deren Angst vor einem Burn-out dazu führt, niemals für etwas zu brennen.
«Ich wünsche mir die Leidenschaft, für Gott alles zu geben.» Gott sei es wert,
auch mal eine Extrameile zu gehen. Andererseits ist Vorsicht geboten, sich
nicht zu stark zu verausgaben. «Ich möchte meinen Lauf bis zum Ziel laufen
können», beschreibt Evi ihr Ziel und lehnt sich damit an Paulus an.
Im weiteren Verlauf des Talks geht es darum, wie
junge Menschen gefördert und als Leiter aufgebaut werden können. Die Talk-Gäste
bringen unterschiedliche Aspekte rein. Und zum Schluss teilt Evi noch einige Gedanken,
wie sie als Frau ihre Leitungsfunktion versteht.
Informationen zum Buch:
«Scheitern erwünscht!» von Evi Rodemann. SCM Verlag, CHF 27.70. Hier geht es zum Kauf.
Hier geht es zum Livent Talk mit Evi Rodemann, Andreas Timm und Alexander Hirsch:
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