Nach zwei
Jahren Einschränkungen erlebten viele Schweizer Christen den 16. Februar als
eine Art Befreiungstag. Dass mit dem Ende der Zertifikatspflicht jedoch nicht
alle Probleme gelöst sind, liegt auf der Hand.
Es wird
einiges an Klebstoff brauchen, um entstandene Risse zu kitten und Araldit wird
dafür definitiv nicht stark genug sein.
«The Chosen» als Beispiel
Die Gemeinde hält
nicht zusammen. Das klingt nicht sehr hoffnungsvoll, ist es aber durchaus, weil
Jesus genügend Klebkraft besitzt, um aus einem wilden Haufen eine Truppe zu
bilden, die die Welt auf den Kopf stellt. Wie viele andere liebe ich die
Filmserie «The Chosen», nicht zuletzt darum, weil sie die
Unmöglichkeit von Gemeinde in aller Deutlichkeit zeigt. Es hätte ja wirklich
gereicht, dass Jesus brave Bibelschüler und militante Römerfeinde zusammenmixt.
Braucht es nun wirklich auch noch einen Römerfreund wie Matthäus, um die Sache
noch etwas komplizierter zu machen? Das konnte ja nicht gut kommen!
Das Neue
Testament zeigt in aller Ehrlichkeit, wie spannungsgeladen es sein kann, wenn
Menschen, die sich untereinander nie ausgewählt hätten, plötzlich wegen Jesus im
gleichen Fischerboot sitzen. Tatsache ist, dass wir einander als Christen bis
heute oft sogar bei bestem Willen nicht verstehen. Ich habe mich in den letzten
zwei Jahren oft gefragt, wie es sein kann, dass wir den gleichen Geist in uns
tragen und doch so unterschiedlich hören. Dass wir die gleiche Bibel lesen und
uns doch nicht darüber einigen können, was es bedeutet, der Obrigkeit untertan
zu sein und Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.
In vielen Fällen scheint
es keine Brücke zueinander zu geben, wir verstehen einander nicht und werden
dies möglicherweise auch nie tun. Wir wurden verletzt und warten auf
Entschuldigungen, die vielleicht nie kommen werden. Beispielsweise, weil unser
Gegenüber schlicht nicht versteht, was uns so schmerzt. Und ja, wir haben
selbst ausgeteilt, ohne zu merken, was wir damit bei anderen ausgelöst haben.
«Sie wissen nicht, was sie tun»
Vielleicht, um zum Beispiel der Jesusjünger zurückzukehren, ganz nüchtern und
akademisch, wie Nathanael, oder ungestüm und aufbrausend wie Petrus. Tatsache
ist: Wenn Jesus uns als Jünger nicht zusammenklebt, hat die Gemeinde keine
Zukunft. Sein Gebet «Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie
tun» ist die Basis, auf der Gemeinschaft über alles Nichtverstehen hinweg
gelingen kann.
Was uns als Nachfolger von Christus zusammenhält, ist nicht
unsere in jedem Punkt einheitliche Meinung, sondern seine Liebe, die stärker
ist als der Tod und alles, was uns je trennen könnte. Für manche von uns wird
es ein Schritt der Liebe zu Jesus sein, wieder in die Gemeinde zu gehen, obwohl
sie die Anonymität der Wohnzimmercouch der realen Begegnung vorziehen. Andere
werden aus dieser Liebe heraus Rücksicht nehmen, wenn sie merken, dass
physische Nähe bei manchen Mit-Jüngern noch immer Ängste auslöst.
Aus Liebe
zu Jesus werden wir die Einheit suchen und auch dann vergeben, wenn
Entschuldigungen ausbleiben. Weil uns sein Reich wichtiger ist als unser
Ego, werden wir klaffende Risse überspringen oder den Zimmermann von Nazareth
bitten, uns eine Brücke zu zimmern. Seit dem Befreiungsfreitag vor 2000 Jahren
ist Jesus der Kleber, der die Gemeinde zusammenhält. Und was er hält, das
hält.
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