Zur Diskussion gestellt

Long Covid in der Gemeinde

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Als Long Covid werden die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion bezeichnet. Aber auch das Miteinander in Kirchen und Gemeinden hat sich durch die Pandemie verändert. Bleibend oder vorübergehend? Zum Guten oder zum Schlechten? Ein Kommentar.

Keine Frage: Die Corona-Pandemie hat Kirchen und Gemeinden stark getroffen. Menschen sind erkrankt und gestorben. Pläne wurden durchkreuzt. Es entstanden neue technische Möglichkeiten und gleichzeitig massive Einschränkungen. In der Schweiz gibt es inzwischen praktisch keine Beschränkungen mehr. In Deutschland sind die Zahlen schlechter, trotzdem stehen die Zeichen auf Entspannung. Dafür besteht im Mutterland der Infektion seit Wochen ein neuer Lockdown in Shanghai.

Aber dies hier soll kein allgemeingültiges Resümee sein – es sind persönliche Eindrücke, die ich bei mir, in meinem Umfeld und bei Kirchen und Gemeinden in meiner Umgebung gesammelt habe. Was hat die Pandemie mit mir – mit uns – gemacht? Wie sieht das vielbeschworene «neue Normal» in unseren Gemeinden aus?

Die folgenden Punkte sind subjektiv und unvollständig und sollen es sein. Ergänzen Sie Ihre eigenen Gedanken, widersprechen Sie oder lassen Sie sich auch ermutigen von dem Wissen, dass Sie mit Ihren Zweifeln und Anfragen nicht allein sind.

Empfindlichkeit

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Hauke Burgarth
Ich bin dünnhäutiger geworden. Homeschooling, Homeoffice, jede Woche neue Regeln, längere Arbeitstage, weniger Freizeitmöglichkeiten und auch weniger Begegnungen in der Gemeinde. All das hat meinem Nervenkostüm geschadet, und ich merke, dass ich mit anderen ungeduldiger geworden bin, dass mir Kritik mehr ausmacht als früher.

Sehnsucht

Ich habe eine tiefe Sehnsucht nach Gemeinschaft entwickelt. Nach normalem Zusammensein – vom gemeinsamen Kaffeetrinken bis zum Lobpreis im Gottesdienst. Gleichzeitig merke ich, dass sich diese Gemeinschaft immer noch anders anfühlt als früher. Sie ist gleichzeitig kostbarer und unstabiler geworden.

Gemeindelosigkeit

Ich habe gemerkt, dass ein Leben ohne Gemeinde viel leichter und selbstverständlicher funktioniert, als ich mir das vorgestellt hätte. Schnell hatte ich meine Sonntage auch ohne Gottesdienst verplant, und eine Predigt konnte ich mir irgendwann im Laufe der Woche über eines der zahlreichen Online-Angebote anhören.

Es scheint so zu sein, dass ich mir Gemeinde abgewöhnen kann. Im Umkehrschluss heisst das natürlich: Ich kann sie mir auch wieder angewöhnen. Aber will ich das? Gleichzeitig sehe ich, dass das Gefühl der Einsamkeit rapide zugenommen hat.

Nie wieder

Manche vertrauten Abläufe im Gemeindealltag sind im Zuge der Pandemie einfach «gestorben». Ein Beispiel ist für mich der Abendmahlskelch, den wir vorher zusätzlich zu den kleinen Gläsern noch angeboten hatten. Es ist unwahrscheinlich, dass wir ihn je wieder hervorholen. Die Hygienemassstäbe haben sich geändert.

Innovationsschub

Manche Dinge haben sich auch unvorhergesehen weiterentwickelt. Es ist schön zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit viele Senioren ihren Tablet-PC bedienen, um den Gottesdienst live auf Zoom zu streamen oder ihn anschliessend bei YouTube zu schauen. Ich persönlich denke dabei auch an so manche Sitzung im Gemeindezentrum, die als Online-Treffen viel einfacher, effektiver und kürzer durchzuführen ist – von der Spritersparnis ganz zu schweigen.

Beziehungen

Manche Beziehungen sind in der Pandemie einfach eingeschlafen, besonders die sporadischen, die ich aufrechterhalten habe, weil sich der oder die andere selbst kaum einmal meldet. Ist das jetzt ein Verlust? Oder liegt es in der Natur der Sache und Covid hat das Beenden dieser Beziehungen nur beschleunigt? Ich weiss es nicht so recht – vermutlich ist beides der Fall.

Misstrauen

Es war schon vor Corona so, dass es in meiner Familie und Gemeinde Meinungsverschiedenheiten gab. Aber selten entstanden dabei so harte Fronten wie zurzeit zwischen Impfgegnern und -befürwortern, zwischen Menschen, die Freiheit suchen, und solchen, die Sicherheit brauchen. Ich merke, dass ich hier empfindlicher reagiere als früher und ertappe mich dabei zu denken: «Aha, so bist du also wirklich!», wenn jemand eine andere Meinung vertritt als ich.

Dabei hat sich wenig geändert: Noch nie waren alle meiner Meinung, und auch diejenigen, die zu Impffragen anders stehen als ich, haben Jesus von Herzen gern.

Gesellschaft

In vielen Gemeinden wird unterstrichen, dass man sich nicht dem «Zeitgeist» unterwerfen möchte, doch es gibt Ereignisse, die vieles verändern. So wie die Anschläge aufs World Trade Center am 11. September 2001 die politische Grosswetterlage bis hin zu jeder einzelnen Urlaubsreise ins Ausland verändert haben, so wird auch die Covid-Pandemie bleibende Spuren hinterlassen.

In vielen Punkten bin ich als Christ einfach Teil der Gesellschaft und genauso von den Pandemiefolgen betroffen wie alle anderen. In einigen kann ich vielleicht hilfreiche Akzente setzen und im Rahmen meiner Gemeinde Angebote schaffen – ich denke zum Beispiel an die oben angesprochene Einsamkeit.

Gott

Zu jeder Zeit haben Menschen das Ende der Welt verkündet: wegen Seuchen und Kriegen, wegen Umweltzerstörung oder globalen Katastrophen. Trotz allen Unsicherheiten buchstabiere ich es neu für mich durch, dass Jesus Christus auch mir sagt: «Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebende.» (Offenbarung, Kapitel 1, Vers 17)

Zum Thema:
Dossier Kirchen nach dem Lockdown
«Vision Ost»: Gerade in der Pandemie kamen Jugendliche zum Glauben
Während Lockdown revitalisiert: Gemeinde wollte nach Corona nicht mehr eröffnen
Studienergebnisse: Menschen verlieren Glauben in Pandemie

Datum: 22.04.2022
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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