Prof. Johannes Reimer in Südafrika

«Unvergessliche Reise des Friedens und der Versöhnung»

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Die ganze Pilgergruppe (Bild: zVg)
Die Versöhnung hat viele Gesichter, eines davon ist die «Pilgerreise der Gnade», die von der South African Christian Leadership Initiative (SACLI) organisiert wird. Prof. Johannes Reimer schildert seine bewegenden Eindrücker als Teilnehmer der Reise.

Hanneli und ihre Familie haben inmitten ihres grossen Weinguts in Franschhoek einen wunderschönen Ort des Friedens und der Heilung geschaffen, der «In Harmonie» heisst. Die Mitarbeiter dieses Einkehrzentrums koordinierten die Pilgerreise und boten uns ihre grossartige Gastfreundschaft an.

SACLI arbeitet mit der Südafrikanischen Evangelischen Allianz (SAEA) unter der Leitung von Moss Nthla zusammen, die mich und meine Frau Cornelia eingeladen hatte, an der Pilgerreise vom 23. bis 25. September dieses Jahres in der Kapprovinz teilzunehmen. Es wurde eine unvergessliche Reise des Friedens und der Versöhnung.

Gewaltsam vertrieben

Unsere Reise begann in der Moravian Hill Church im sechsten Bezirk von Kapstadt. Dieser einst vom einheimischen Volk der Khoi bewohnte innerstädtische Bezirk von Kapstadt wurde durch die unmenschliche Entwurzelung der Khoi und ihrer vielfältigen Nachbarschaft durch das Apartheidregime, den Abriss ihrer Häuser und Geschäfte und die Schliessung ihrer Kirchen bekannt. Mehr als 60'000 Bewohner wurden in den 1970er Jahren vom Regime der Weissen gewaltsam vertrieben. Erst nach dem Ende der Apartheid wurde das historische Kirchengebäude von 1886 zurückgegeben; heute steht diese erste nicht-weisse Kirche am Kap als kraftvolles Zeugnis des Kampfes der Khoi und anderer südafrikanischer Stämme für Freiheit und Menschenwürde.

Der Gottesdienst in dieser Kirche brachte die 60 Pilgerinnen und Pilger auf den Weg der Versöhnung. Sie kamen aus verschiedenen christlichen Konfessionen und Organisationen aus ganz Südafrika. Ein paar Gäste kamen aus dem Ausland. Wir waren eingeladen, einem faszinierenden Versöhnungsakt zwischen den beiden ältesten Kirchen des Landes beizuwohnen und ihn zu unterstützen: der weissen Niederländisch-Reformierten Kirche (DRC) und der einheimischen Moravian Church (mährische Brüder).

300 Jahre lang lebten diese beiden Kirchen in ständigen Spannungen, durch die die Mährer entmenschlicht, missbraucht und misshandelt wurden, während die DRC auf der Seite der Unterdrücker stand und sogar zweifelhafte theologische Rechtfertigungen für das System der Unterdrückung lieferte. Jetzt haben sie beschlossen, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen, ihre Erinnerungen zu heilen und ein neues Kapitel der friedlichen und sinnvollen Zusammenarbeit aufzuschlagen.

Im Zentrum der weissen reformierten Kirche

Nach dem Gottesdienst in der Moravian Hill Church gingen wir durch die Stadt, beteten für die farbige Bevölkerung um uns herum und bekannten die Sünden der europäischen Invasoren am «Schloss der Guten Hoffnung», das heute ein Zentrum für Wiederherstellung ist. Dann kamen wir zur «Groote Kerk» im Zentrum von Kapstadt, die 1678 erbaut wurde und die älteste christliche Kirche Südafrikas ist. Das heutige beeindruckende Gebäude wurde 1704 errichtet und 1843 erweitert und ist das stolze spirituelle Zentrum der (weissen) Afrikaner-Kirche.

Die Pilgergemeinde, zu der sich nun auch viele andere Kapstädter gesellten, versammelte sich in der Kirche zum Gottesdienst und Nthla hielt die Predigt, in der er die Pilger sowohl an den grossen Segen erinnerte, der aus der christlichen Präsenz der Europäer unter den einheimischen afrikanischen Stämmen erwuchs, als auch an die unglückliche Entwicklung des rassentrennenden Christentums in Südafrika. Er appellierte eindringlich an seine südafrikanischen Landsleute, diese schmerzhafte Geschichte zu überwinden, ihre Erinnerungen zu heilen und gemeinsam das Reich Gottes unter den Völkern Südafrikas aufzubauen. Auf die Predigt folgten Geschichten über persönliche Versöhnung zwischen weissen und schwarzen Brüdern und Schwestern. Einige von ihnen haben unsere Herzen tief berührt. Nachdem wir gemeinsam gebetet und gesungen hatten, waren wir Pilger bereit, nach Genadendal weiterzuziehen, wo die Mission unter den Eingeborenenstämmen Südafrikas begann.

Im Tal der Gnade – Versöhnung nach 300 Jahren

Genadendal (Afrikaans für Tal der Gnade) ist eine kleine Stadt im Ostkap. Hier begann der deutsche Missionar Georg Schmidt (1709-1785) im Jahr 1737 seine Mission unter dem Volk der Khoi. Und hier wurde 1738 die erste Kirche unter den afrikanischen Stämmen der Khoi und San gegründet. In dieser historischen Kirche von Genadendal beschlossen die beiden ältesten Kirchen Südafrikas am «Tag des Erbes», dem 24. September 2022, sich nach 300 Jahren der Spannungen und sogar der Verfolgung der Mährischen Brüder durch die DRC miteinander zu versöhnen.

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Taube über dem Altarraum (Bild: zVg)
Dieses Meilenstein-Ereignis begann mit einer Einführung in die Geschichte der Beziehung der beiden Kirchen durch den Vizepräsidenten der Moravian Church of Western Cape, Pfarrer Martin Abrahams. Während er das historische Problem vorstellte, flog eine Taube in das Kirchengebäude und setzte sich auf die Empore über der Kanzel. Und als Abrahams die versammelte Gemeinde aufforderte, sich an den Gebeten und der Unterstützung für den Akt der Versöhnung zu beteiligen, flog die Taube über den Altarraum. Es war ein beeindruckendes Bild.

Wir sangen gemeinsam, bevor der Moderator der DRC, Pastor N. Janse van Rensburg, aus der Heiligen Schrift las und den Mährern und Gott die Sünden der DRC bekannte. Er betonte besonders die Tatsache, dass die DRC die Entwicklung der überwiegend einheimischen mährischen Kirche behindert habe. «Meine Kirche stand der Mission Gottes für die afrikanischen Ureinwohner im Weg», sagte er. «Wir haben gegen Gott und die Menschen gesündigt – bitte vergebt uns.»

Van Rensburg sprach auf eine sehr bewegende Art und Weise und seine Tränen trieben den meisten von uns die Tränen in die Augen. Und während er sein Bekenntnis ablegte, kehrte die Taube nach vorne in die Kirche zurück und postierte sich erneut über der Kanzel, als ob der Heilige Geist sie als Zeugin für dieses historische Bekenntnis aussenden würde.

Gott in Aktion

Auf sein Bekenntnis folgte eine Antwort der mährischen Führung. Sie vergaben nicht nur der DRC, sondern wiesen auch auf ihre eigene Sünde hin, insbesondere auf die vernachlässigte Anerkennung der Frauen in ihrer Kirche. Und wieder erreichte die Bitte um Vergebung die Frauen, und die Versöhnung zwischen Männern und Frauen in der Leitung der Mährischen Kirche wurde hergestellt, indem einige der aussergewöhnlichsten weiblichen Führungskräfte unter den Mähren und ihr Beitrag sowohl zur Mission unter den Khoi in den Anfängen als auch zum Kampf gegen das Apartheidsystem in Südafrika benannt wurden.

Am Ende des Gottesdienstes verpflichteten sich beide Kirchen, über alle rassischen, ethnischen und kulturellen Grenzen hinweg gemeinsam am Aufbau des Reiches Gottes in Südafrika zu arbeiten.

«Wir werden uns gemeinsam für eine Nation einsetzen, in der Gottes Mission alle Menschen umfasst», betonte der DRC-Bischof.

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Dr. Johannes Reimer
Ich muss gestehen, dass ich selten an einem so geistlich aufgeladenen Gottesdienst teilgenommen habe. Gott war in dieser alten Kirche in jedem Wort, in jedem Musikstück und Gesang und in jedem Gebet gegenwärtig. Unsere Pilgerreise hat uns an einen Ort der göttlichen Gegenwart geführt. Wir, die Pilger, wurden Zeuge, wie Gott in Aktion trat.

Gemeinsam «Salz für ganz Afrika» sein

Nach einigen weiteren Brennpunkten der Versöhnung erreichte die Reisegruppe als letzte Station das Kap Agulhas, den südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents. Hier an der Küste, wo der Indische Ozean auf den Atlantik trifft, versammelten wir uns um eine riesige Reliefkarte des Kontinents. Und hier bekannten wir die Sünden der europäischen Nationen an den afrikanischen Stämmen. Grossbritannien, die Niederlande, Frankreich, Deutschland, Portugal, Spanien und in den letzten Jahren auch die USA und Russland haben den meisten afrikanischen Nationen das Leben schwer gemacht.

Im Namen dieser Nationen baten einige Vertreterinnen und Vertreter aus Europa und Amerika die Afrikanerinnen und Afrikaner und Gott um Vergebung und riefen Gott an, «uns miteinander zu versöhnen, damit wir unseren von Gott gegebenen Auftrag erfüllen können».

Dies wurde in ausführlichen Bekenntnissen und Klagen zum Ausdruck gebracht. Und die Vertreter der afrikanischen Nationen vergaben uns und baten Gott, unsere christlichen Kirchen in eine vereinte Kraft zu verwandeln, um Gottes wahre Agenten der Transformation und des Friedens zu sein.

Es war aufregend zu sehen, wie die beiden versöhnten Kirchen in Genadendal, die DRC und die Mährer dazu beitrugen, eine gemeinsame Vision für Afrika und die Welt zu entwerfen. In Gebeten, Gottesdiensten und Erfahrungsberichten ermutigten sie unsere Gruppe, sich weiterhin aktiv für die Mission der Versöhnung einzusetzen. Sie erinnerten uns daran, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Um dies zu verdeutlichen, gab Pastor van Rensburg jedem Teilnehmer etwas Salz und gemeinsam bedeckten wir die Landkarte Afrikas mit Salz und versprachen, Salz – ein konservierendes und nährendes Mineral – für den afrikanischen Boden zu sein. Was für ein Symbol war das!

Gebetskette für Afrika

Unser Pilgerweg der Gnade endete am Kap Agulhas, aber die Mission ist nicht zu Ende. Ab dem 26. September wurde eine 54-tägige globale Gebetskette für Afrika gestartet. Alle Christinnen und Christen auf der ganzen Welt sind eingeladen, sich dem systematischen Gebet für die afrikanischen Länder anzuschliessen, eins nach dem anderen. Ich denke, dass noch viele Pilgerreisen der Gnade nötig sein werden, um unsere zerbrochene Welt zu versöhnen, und wir alle können aktive Teilnehmer werden. Lasst uns jetzt mit dieser Art von Gebet beginnen, liebe Mitchristen!

Zum Thema:
Dank-, Buss- und Bettag: Wie zwei Leiter mutig und versöhnt vorangehen
Jesus auf Platz 4: Hilft Religion auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung?
Genozid in Ruanda: Wenn Opfer und Täter sich versöhnen

Datum: 13.10.2022
Autor: Johannes Reimer / Reinhold Scharnowski
Quelle: Dr. Johannes Reimer

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