Not lehrt beten, sagt das Sprichwort. Auch in den USA. Viele vom Finanzcrash gebeutelte Amerikaner suchen nach einem Ausweg. Sie setzen vermehrt auf Predigen des «Wohlstands-Evangeliums» – in der Hoffnung, dass sie sich dadurch finanziell absichern können.
Jesus im Rolls Royce?
Bei Creflo Dollar ist der Name Programm. Der 49-jährige Fernsehprediger und Pastor der «World Changers Church International» im US-Bundesstaat Georgia gilt als einer der erfolgreichsten Vertreter des sogenannten «Wohlstands-Evangeliums». Kritiker machen sich zwar lustig über Pastoren, die wie Dollar mit dem Rolls Royce vorfahren, trotzdem breitet sich in den USA das Wohlstands-Evangelium immer mehr aus.
Rezept für Besitz?
Die Lehre betone, dass Gott materiellen Wohlstand verspricht. Diese Auffassung finde gegenwärtig enormen Zulauf, sagt der Ethikprofessor David Jones, Autor einer Studie über das «Wohlstands-Evangelium».
Der Finanzcrash habe das Verlangen nach einem Rezept für Reichtümer verstärkt. Besonders «verlockend» sei die Lehre für die Menschen am Rand der Gesellschaft, so Jones, der am Theologischen Seminar des Südlichen Baptistenkonvents in Wake Forest unterrichtet.
Creflo Dollar, der durchs Predigen zu Millionen gekommen ist, betrachtet sich selber als Beweis, dass sein Evangelium funktioniere. Millionen Menschen sehen Dollar im Fernsehen; Tausende kommen zu seinen Vorträgen; Hunderte gehen auf Karibik-Kreuzfahrt mit Ehefrau Taffi, um mehr über den richtigen Glauben zu erfahren. So wie man auf der Bank Geld abhebt, könnten Gläubige «vom Königreich Gottes finanzielle Reserven abheben», versichert Creflo Dollar.
«Lehre entstellt Bibel»
In weiten Kreisen des Protestantismus und bei katholischen Theologen stossen die Wohlstandsprediger – darunter Kenneth Copeland, Joel Osteen, Benny Hinn, T.D. Jakes und Eddie Long – auf Empörung. Die Lehre entstelle die Heilige Schrift, warnt der evangelikale Theologe John Piper. Schliesslich habe Jesus gesagt, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, «als dass ein Reicher in das Reich Gottes» gelange.
Geschichte mit Skandalen
Das «Wohlstand-Evangelium» hat seinen Ursprung in den 50er Jahren bei dem Prediger Oral Roberts, der 2009 starb, sowie anderen pfingstkirchlichen und charismatischen Evangelisten. Sie glaubten an Wunder, an Heilungen, und dass Gott Bitten um materielle Güter erfülle. Roberts verschickte «Gebetstücher». Sie sollten Gutes bringen und heilen.
Die Geschichte des für viele Christen anstössigen «Wohlstands-Evangeliums» steckt voller Skandale. Prediger Jim Bakker wurde 1988 wegen Betrugs zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Tilton geriet 1991 in Schwierigkeiten, als der Fernsehsender ABC berichtete, der Prediger mit einem Einkommen von damals 80 Millionen Dollar im Jahr habe Briefe mit Gebetsbitten ungelesen in den Müll geworfen, aber die Schecks eingelöst.
Auskunft verweigert
Im November 2007 bereits startete der republikanische Senator Charles Grassley eine Untersuchung der Finanzpraktiken von Wohlstandspredigern. Er musste allerdings klein beigeben. Die Prediger hätten seine Anfragen ungenügend beantwortet, erklärte er. Wegen der Religionsfreiheit könne der Staat jedoch nicht viel machen.
Gegenwärtig hat vor allem der Prediger Eddie Long ein Problem. Mitglieder seiner «New Birth Missionary Baptist» Kirche in Lithonia haben ihn verklagt. Sie hätten eine Million Dollar verloren an einen fragwürdigen Investment-Berater, der in der Kirche gesprochen habe – mit ausdrücklicher Empfehlung von Long, so die offenbar geprellten Gläubigen.
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