In der Schweiz und in Deutschland gibt es Projekte, die der Wohnungsnot im Asylwesen gegenhalten sollen und Flüchtlinge in Schweizer WGs integrieren will. In der Schweiz ist das grösste Projekt «wegeleben», das im Juni 2015 von den Berner Gian Färber und Méline Ulrich gestartet wurde. In Deutschland heisst es ganz einfach «Flüchtlinge Willkommen».
Integrations-WG in Deutschland
Méline Ulrich von «wegeleben» erklärt in einem Beitrag von SRF: «Die Idee ist, dass im Moment hauptsächlich junge geflüchtete Menschen wie wir Jungen in der Schweiz in Wohngemeinschaften zusammenleben können, dass wir ihnen die Wohnkultur näherbringen und dass alle unter einem Dach sind.» Das Projekt, das von den jungen Bernern initiiert wurde, wurde jetzt auch auf anderen Kantone ausgeweitet. Mittlerweile gibt es Gruppen in Zürich, Basel, Freiburg, Aargau, und zahlreiche WGs haben neue Mitbewohner gefunden.
Ein ähnliches, aber viel kleineres Projekt von Christen in der Schweiz ist «IntegrationsPunktCH». Dort werden auch freie Zimmer direkt auf der Webseite angezeigt. Aktuell werden z.B. drei Schweizerinnen für zwei Integrations-WGs in Münchenbuchsee gesucht. Momentan gibt es allerdings erst zwei Integrations-WGs in Münchenbuchsee.
Unterbringung in Massenunterkünften grenzt aus
Beim deutschen Pendant «Flüchtlinge Willkommen» heisst es auf der Webseite: «'Flüchtlinge Willkommen' kritisiert die zentrale Unterbringung in Massenunterkünften, die Menschen stigmatisiert und ausgrenzt, und setzt sich politisch für eine dezentrale Unterbringung ein. Langfristig wollen wir dazu beitragen, eine offene Gesellschaft zu gestalten, in der ein solidarisches Miteinander und ein Zusammenleben auf Augenhöhe als selbstverständlich gelten.» Grundlegend sei für sie, dass kein Mensch illegal ist. Das Projekt, das in Deutschland gestartet wurde, hat sich mitterweile schon auf 12 andere Länder ausgeweitet und 781 Zimmer wurden bereits erfolgreich vermittelt.
Das Zusammenleben mit Einheimischen soll die sprachliche, kulturelle und soziale Integration fördern. Die Mitbewohner können – wenn sie dies wollen – auch beim Organisieren einer Schnupperlehre, beim Deutschlernen oder beim Umgang mit Behörden helfen. Ansonsten funktioniert das Zusammenleben laut «wegeleben» aber wie in einer normalen WG: mit klaren Regeln und einem Untermietervertrag.
Günstig und sozial
Gegenüber 20 Minuten sagte Oliver Lüthi, Sprecher der Caritas Bern, das Projekt «wegeleben» sei aus zwei Gründen unterstützenswert: «Einerseits ist da der finanzielle Aspekt: Es braucht Unterkünfte, und Zimmer in Schweizer WGs sind günstig und gewährleisten gleichzeitig einen gewissen Standard. Zweitens sind junge Flüchtlinge aus Eritrea oft allein, ohne Sozialstrukturen – so bekommen sie etwas von der Kultur mit und können Anschluss finden.»
Allerdings kennen Flüchtlinge das Konzept einer WG oft noch gar nicht und ihnen muss erst erklärt werden, wieso Fremde oder zumindest Menschen, die weder verwandt noch verheiratet sind, eine Wohnung teilen. Wenn man es ihnen aber erklärt hat, sind die meisten offen dafür und interessiert, in so eine WG einzuziehen, erklärt das «wegeleben»-Team im Aargau.
Nicht nur klassische WGs
Neben klassischen WGs entstehen bei den Projekten auch andere Formen von Wohngemeinschaften. Im Aargau lebt zum Beispiel ein junger Tibeter bei einem Vater mit dessen Sohn. Oder ein Ehepaar, dessen Kinder ausgezogen sind, hatte den Wunsch, wieder eine WG zu gründen und nahm einen Mitbewohner auf.
«Wir freuen uns auch über Anmeldungen von anderen Wohnsituationen, zum Beispiel Familien, Paaren, Alleinwohnenden, Alleinerziehenden etc. Der Einfachheit halber sprechen wir meist von WGs, da es sich im Endeffekt ja auch um Wohngemeinschaften handelt», heisst es auf Webseite von «Flüchtlinge Willkommen».
Für die Gründer von «wegeleben» ist allerdings klar, dass es keine Trennung zwischen den Gästen und denen, die sie aufnehmen, geben soll. Das Ziel sei, dass die «Newcomer» als das gesehen werden, was sie sind: als ganz normale Mitbewohner.
Miete vom Staat bezahlt
Auch finanziell gibt es keine Engpässe zu befürchten: Die Flüchtlinge bezahlen auch Miete – das Geld dafür kommt vom Kanton oder vom Bundesland. Deshalb müssen die Verträge vor der Unterzeichnung dem Kanton/Bundesland vorgelegt werden. In Deutschland würden die Fälle allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.
«Flüchtlinge willkommen» hat auch noch eine andere Möglichkeit gefunden, die WG-Zimmer zu finanzieren, nämlich über Mikrospenden: «Dabei sagen mehrere Leute monatliche kleine und Kleinstspenden für einen gewissen Zeitraum zu und richten einen Dauerauftrag ein. Diese Beträge bewegen sich oft zwischen 5 und 50 Euro monatlich. »
WG-Zimmer gesucht
Wird bei Ihnen ein Zimmer frei oder haben Sie noch ein ungenutztes Zimmer zuhause? Wieso bieten Sie es nicht einem Flüchtling an und erweitern so Ihren Horizont, bereichern Ihren Alltag und tun damit etwas Sinnvolles? Interessierte können sich auf der Homepage anmelden.
Wer kein Zimmer zur Verfügung stellen kann, aber doch die Projekte unterstützen möchte, kann dies für die Schweiz hier und für Deutschland hier tun.
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