Die damals 17-jährige Janina Heiniger wurde politisch aktiv. Auch dank ihres Einsatzes können heute trauernde Eltern nach einer Fehlgeburt eine amtliche Bescheinigung beantragen. Das bedeutet Respekt vor dem Ungeborenen und dem Verlustschmerz.
Janina Heiniger (Bild: zVg)
Janina Heiniger war gerade 17
Jahre alt, als sie sich zum Handeln entschied. Damals konnte sie nicht ahnen,
welche Wege sie beschreiten und wie lange es dauern würde, bis Familien nach
erlittener Fehlgeburt in ihrem Trauerprozess zumindest etwas mehr Wertschätzung
erhalten würden.
Auch
Ungeborene sind Menschen
Der Verlust eines Kindes bis
zur 22. Schwangerschaftswoche wird als Fehlgeburt bezeichnet. Später spricht
man von einer Totgeburt, welche zivilstandesamtlich gemeldet werden muss. Rechtlich
gesehen gilt ein ungeborenes Kind erst ab vollendeter 22. Schwangerschaftswoche
als Mensch.
Immer wieder kam Janina in
Berührung mit Kindsverlusten und wurde dabei wiederholt auch Zeugin ziemlich
abschätzender Bemerkungen wie «Das war doch noch gar kein Mensch!». Der Schmerz
von Familienangehörigen über den Verlust eines Kindes ist enorm. Für die
Leidenden ist es dabei unerheblich, ob man von Fehlgeburt, Totgeburt oder einem
tragischen Unfall spricht. «Zu sehen, wie den Betroffenen der Grund zum Trauern
aberkannt wird, beschäftigte mich sehr.» Das Thema liess Janina nicht mehr los.
«Eltern trauern nach Frühgeburten nicht weniger. Sie haben einen geliebten
Menschen verloren.»
Eine
Urkunde anerkennt zumindest den Verlust
Irgendwann erfuhr Janina, dass
in Deutschland nach einer Fehlgeburt eine Urkunde beantragt werden kann. Darauf
können Name, Geschlecht und andere Angaben des verstorbenen Kindes aufgeführt
werden. «Das brauchen wir in der Schweiz auch», sagte sie sich. Da sie damals
aber noch nicht volljährig war, brauchte sie jemanden, der ihr Anliegen teilte.
Die EVP schien ihren politischen Anliegen nahe zu sein und so wandte sie sich
an diese Partei.
Das
Anliegen gelangt zum Bundesrat
Tatsächlich fand Janina in der
EVP-Nationalrätin Marianne Streiff eine Person, die mit ihrem Vorstoss
erfolgreich war. Der Bundesrat würde die Machbarkeit einer Urkunde bei
Fehlgeburten prüfen. «Für mich war es eine grosse Freude, als ich hörte, dass
sich die EVP meinem Anliegen angenommen hatte», berichtet Janina. «Als ich dann
in einer Zeitschrift las, dass das Anliegen auf Bundesebene diskutiert wurde,
war ich sprachlos.»
Regelmässig informierte sie
sich über die Fortschritte. «Als ich die Auflistung verschiedener
Umsetzungsmöglichkeiten vor mir sah, begann ich zu glauben, dass es tatsächlich
gelingen könnte.»
Tatsächlich
erfolgreich!
Anfang 2019, Janina war zu
diesem Zeitpunkt 22 Jahre alt, war das Anliegen umgesetzt. «Heute können
trauernde Eltern eine Fehlgeburt melden und eine offizielle Bestätigung
beantragen.» Das entsprechende Formular «Meldung einer Fehlgeburt und Antrag
auf Ausstellung einer Bestätigung» ist online verfügbar.
«Auch wenn ich kaum eine
Rückmeldung erhalte, hoffe ich, dass die offizielle Bescheinigung des
Kindsverlusts manchen Menschen in ihrem Trauerprozess eine Hilfe sein kann.»
Sofern Belege für eine vergangene Fehlgeburt vorliegen, kann eine Urkunde bis
Ende 2023 auch im Nachhinein beantragt werden.
Janina ist froh, einen Beitrag
geleistet zu haben. Sie bedauert aber, dass das Ungeborene bis zur 22.
Schwangerschaftswoche noch immer nicht als Mensch anerkannt ist.
Ein
Vorrecht, politisch aktiv zu sein
Janina ist heute 23 Jahre alt,
lebt in Langenthal und arbeitet als Primarlehrerin. Seit Jahren ist sie schon
Mitglied der *jevp. «Zu wissen, etwas bewegen zu können, motivierte mich zum
politischem Engagement.» Inzwischen ist sie im Stadtrat von Langenthal und in
der Geschäftsleitung der EVP Kanton Bern, wo sie die *jevp vertritt. «Man muss
nicht gewählt werden, um etwas bewegen zu können», sagt Janina aus Erfahrung.
«Wir können uns engagieren und einen Unterschied machen.»
Hin und wieder trifft Janina
auf Aussagen von Christen, Politik sei «ungeistlich» oder sogar «böse». Wenn
sich dieselben Personen dann über schlechte politische Entscheide beschweren,
kann sie jedoch wenig Verständnis aufbringen. «Wir können etwas verändern. Es
gilt einfach, die Möglichkeiten wahrzunehmen.»
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