Ein junger Bauer verursacht
einen tödlichen Unfall. Der Vater des verunglückten Sohnes, ein Christ,
versinkt nicht in der Trauer, sondern findet Hilfe in den Psalmen und im Buch
Hiob. Beide treffen sich und sprechen sich aus. Der betroffene Vater vergibt
dem Unfallfahrer.
Das Spezielle an der Geschichte. Sie hat sich nicht irgendwo
in Amerika ereignet, sondern mitten in der Schweiz. Und sie ist nicht Aufhänger
einer frommen Zeitschrift, sondern wird auf zwei Seiten in der Wochenendbeilage
der NZZ beschrieben. Autorin ist Livia Häberling, Redaktorin beim Anzeiger aus
dem Bezirk Affoltern.
Ein ungewöhnliches Treffen
Die beiden betroffenen Männer werden im Bericht Fredy H. und
Andreas F. genannt. Andreas F. hat trotz guter Sicht mit seinem Traktor dem
Motorradfahrer Dominik H. den Vortritt verwehrt und damit seinen Tod
verursacht. Fredy H., Vater des Unfallopfers, trifft sich zwei Monate später
mit dem schuldigen und schuldbeladenen Landwirt zum Gespräch. Sie lernen sich
kennen und schätzen und sind bald per Du. Beide sind vom Ereignis gezeichnet
und mussten einen Weg finden, damit leben zu lernen. Während des Gesprächs
bittet Andreas F. Fredy H. um Verzeihung, und dieser antwortet: «Ich habe dir
vergeben.»
«Ich komme im Frieden»
Später sitzen beide in einem Sitzungsraum mit Livia
Häberling zusammen und schildern, wie sie mit dem Ereignis umgegangen sind.
Andreas F. fühlt sich schwer schuldig und findet durch Vermittlung seiner Frau
Hilfe bei einer Psychologin. Fredy F. bekennt sich als Christ, der im Gebet und
in der Bibel – in den Psalmen und im Buch Hiob – den Tod seines Sohnes
verarbeitet und Hilfe findet. Die Warum-Frage beschäftigt beide, doch sie
merken alsbald, dass sie das Grübeln nur tiefer hinabzieht. «Beide mussten
lernen zu akzeptieren, dass es auf manche Fragen keine Antworten gibt», stellt
die Autorin fest. 35 Tage nach dem Unfall sucht Fredy H. den Kontakt mit dem
Unfallfahrer, bittet ihn um ein Treffen und versichert ihm, dass er im Frieden
auf ihn zukommen wird. Nach 40 Tagen treffen sie sich unweit des Bauernhofs von
Andreas F.
Ein Leben lang
Das gute Gespräch, in dessen Verlauf Fredy H. dem Bauer
Vergebung zuspricht, hat zur Folge, dass beide Männer miteinander im Kontakt
bleiben. Sie telefonieren miteinander und schreiben sich SMS. Auf die Frage
nach der Art dieses Kontakts sind sich beide einig: Sie sind nicht bloss
Bekannte, dafür verbindet sie zu viel. Sie sind aber auch nicht Freunde
geworden, dafür ist der Kontakt zu wenig intensiv. Aber das schwere Erlebnis,
das beide getroffen hat, wird sie beide ein Leben lang verbinden. Fredy H.
sieht in Andreas F. «einen aufrichtigen Menschen».
Vergebung ist ...
Bedenkenswert ist, was die Autorin selbst zum Thema
Vergebung schreibt: «Durch Vergebung verzichtet eine Person auf den
Schuldvorwurf, ohne die erlittene Verletzung zu relativieren oder zu
entschuldigen. Vergeben wird nicht die Tat. Vergeben wird dem Täter. Der Prozess
einer Vergebung läuft vorwiegend innerseelisch ab. Er kann auch stattfinden,
ohne dass die schuldige Person Reue oder Einsicht zeigt.»
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