Single-Sein hat Vorteile – aber auch viele Nachteile. Steven Leuenberger gibt Einblick in das, was ihm als Single schwer fällt und wie die Gemeinde ihn dabei unterstützen kann.
«Wann heiratest du?» Ganz unerwartet kam die Frage meines Neffen,
als ich bei meinem Bruder zu Mittag war. Eine gewisse Spannung lag in der Luft.
Entschärfend für die Eltern, lächelte ich und antwortete, ich müsse zuerst noch
eine Frau finden, worauf er wissen wollte, ob denn das echt so schwer sei?!
Was viele Erwachsene sich nie trauen würden, fragen kleine Kinder einfach so
drauf los. Für die meisten Kinder ist es so etwas von normal, dass ab einem
gewissen Alter Mann und Frau zusammengehören, heiraten und dann Kinder haben. Dies
ist die Welt der Kinder.
Wir alle kommen aus einer solchen Konstellation von Vater und Mutter. Und auch
wenn Ihre Familie vielleicht kaputt, wenn nur ein oder sogar kein Elternteil zu
Hause war, sind wir aus dem Zusammensein der Gemeinschaft entstanden. Das ist
die Norm. Das, was wir von klein auf mitbekommen haben. Single sein ist ein
Abweichen von dieser Erfahrungswelt. Ich unterscheide mich von dem, wovon ich herkomme,
von meinen ersten Vorbildern (den Eltern). Diese «Abnormalität» ruft eine
Spannung bei Singles und auch ihrem Umfeld hervor, der man sich erst einmal
bewusst werden muss und die von jedem unterschiedlich heftig wahrgenommen wird.
Der Disput mit Gott – Hold on
Ich stellte mir mein Leben echt anders vor. In den frühen 20ern heiraten,
die Kinderplanung vor 30 abgeschlossen, ein unternehmungslustiges
Familienleben, ein schmuckes Zuhause und gemeinsam mit meiner Frau im Dienst
für Gott. Das, was ich von Zuhause mitbekommen habe, verbessert reproduzieren.
Das war mein Ziel. Doch war es wohl zu hochgesteckt. Und meine «Allianz» mit
Gott hat mir in diesem Bereich auch nicht wirklich weitergeholfen. Das wirft
Fragen auf. Um es in den Worten meines Neffen auszudrücken: «Ist es denn
echt so schwer, mir eine Frau zu finden?!» Gott, du bist doch souverän?! Bei
vielen meiner Bemühungen passte das Timing nicht, oder sie endeten im Chaos.
Sie führten aber auch in seelsorgerliche Prozesse, für die ich sehr dankbar bin.
Doch warum hat sich bei den Frühlingsgefühls-Momenten der Sommer nie
eingestellt? Warum kam der Wintereinbruch, noch bevor der Sommer und Herbst
seine Zeit fanden? Eine wiederkehrende Eiszeit befiel mich, die hemmt. Will ich
überhaupt noch aus dem Winterschlaf erwachen? Wo bleibt mein Glück? Doch hat
der Mensch ein Recht auf Glück? Und was nützt ein Streitgespräch mit Gott? Ziehen
wir da nicht wie Hiob den Kürzeren? Halte ich dennoch an Gott fest (Hold on)? Vertraue ich ihm auch im Leid?
Glaube ich, dass er es gut meint und mein jetziger Beziehungsstatus wohl das Beste
für mich ist? Vertraue ich ihm im Warten sowie auch im Vorwärtsgehen? Und dann
die vulnerable Frage Gottes an mich: «Bin ich dir nicht genug?»
Ich hoffe, dass sowohl Ihr Partner als auch Ihr Single-Sein Sie näher zu
Gott bringt.
On hold …
… ist Englisch und bedeutet so viel wie in Warteposition. Der Athlet auf
der Rennbahn in Startstellung, bereit für den Startschuss. On hold – beschreibt
auch das Leben von vielen Singles. Sie sind bereit, falls der Partner
auftaucht. Wenn ich dann in einer Beziehung bin, dann werde ich einen Tanzkurs
belegen, den Langzeiteinsatz in Australien planen, mir einen VW California
erwerben, Tiefe zulassen usw. Doch was ist, wenn dieser Sch***-Startschuss ausbleibt?
Muskelkater und Gelenkarthrose anstelle von Familienvater und Valentinsrose?
Versteht mich nicht falsch, Warten hat in vielen Bereichen seine Berechtigung
und ist gut. Doch sein Leben um die Vorstellung eines möglichen Partners
aufzubauen und in der 'wenn-dann' Warteschlaufe festzuhängen, finde ich bedenklich. Lebe ich mein Leben 'on hold', auf einen Startschuss wartend – oder lebe ich im
Vertrauen darauf, dass Gott schon weiss, was er tut, und ich mutig auch neue
Wege gehen kann? Glauben Sie mir, Gott, der die ganze Weltgeschichte lenkt, ist souverän
genug, dass er Ihnen auch einen Partner an die Seite stellen kann.
Neue Wege
Wie lebte mein Papa, als er so alt war wie ich? Er war mit seiner Familie
beschäftigt. Das Wohl seiner Frau, das der Kinder lag ihm am Herzen und er
versuchte, das Beste für uns herauszuholen. Er baute an und investierte in ein soziales
Netz, das sich Familie nennt und hoffentlich zu einem tragenden Netz wird, das
ihm Freude, Halt und ein gewisses an Sicherheit bietet.
Ich kann dieses Investment in diesem Sinne nicht tätigen. Freundschaften,
Zweierschaften, Wohngemeinschaften usw. haben so gut wie nie eine so hohe
Verbindlichkeit wie das biologische Band der Familie. Ich habe zwar Freiheit
und kann in Verschiedenes investieren, doch mit einem gefühlt höheren Risiko, durch
die damit einhergehende Unverbindlichkeit. Ich bin gezwungen, neue Wege zu
gehen, abweichend von dem, was ich als Kind mitbekommen habe. Neue Wege zu
gehen, wirft viele Fragen auf, die zu beantworten sind. Was ist wichtig? Mit
was fülle ich meine Zeit? In wen oder in was investiere ich?
Neue Wege zu gehen,
wirft auch bei Ihrem Umfeld Fragen auf. Warum geht er diesen Weg? Kommt er
nicht ans Familienfest, weil…? Wie kann ich ihm helfen? Neue Wege zu gehen ist
anstrengend, so wie das Vorspuren im Tiefschnee, bei Nacht, mit Gegenwind, ohne
Schuhe.
Gemeinde,
eine Ersatzfamilie
Wir
Menschen sind angewiesen auf Beziehung. Ohne soziale Interaktion verkümmern
wir. Wobei nicht jeder gleich viele, bzw. gleich tiefe Beziehungen braucht. Was
ich in meinem Single-Sein wahrnehme, ist das Vermissen dieser «Ich-bin-immer-für-dich-da»-Beziehung. Die Person, die du mitnimmst, wenn du zum Essen oder an eine
Hochzeit eingeladen wirst. Sie, die mit dir die Ferien verbringt. Sie, die da
ist, wenn man mal nichts geplant hat. Ihr, der du im Flüsterton «Gute Nacht»
sagst, um im Hören ihres sanften Atmens einzuschlafen. Ist kein Partner da,
kann eine schier unerträgliche Einsamkeit an den Tag treten, der mit
Smalltalk-Freunden nicht zu begegnen ist.
Was wir brauchen, sind tiefe
Freundschaften. Menschen, denen wir uns anvertrauen können. Ein Umfeld, in dem
wir sein dürfen, das uns nicht als Verkupplungsprojekt wahrnimmt und uns nicht
das Gefühl vermittelt, «abnormal», bemitleidenswert oder inkomplett zu sein.
Ich wünsche mir, dass wir als Gemeinde mehr und mehr ein solcher Ort sein können.
Ein Ort, an dem man solche echten Freundschaften aufbauen kann. Ein Ort, der
zur Familie wird für die, welche keine Familie haben.
Ich möchte Sie ermutigen, wie mein Neffe das Schweigen übers Single-Sein zu
brechen. Ihr Paare: Nehmt Singles in eurem Umfeld wahr, verkneift euch dumme
Sprüche, die sowieso nur euer Unvermögen und Unbehagen entlarven. Egal ob
Single oder nicht, sind Sie bereit, echter Freund und wahre Familie zu sein, sich vom Schmerz und der Einsamkeit anderer berühren zu lassen, für sie zu
beten? Selbst offen und ehrlich zu sein und im Gegenzug tiefe Freude, Frieden
und ein Zuhause zu erhalten? Investieren Sie in tiefe, echte Beziehungen, halten Sie fest
an Gott und gehen Sie Ihren Weg nicht allein.
Der Beziehungsstatus von Steven Leuenberger hat sich inzwischen geändert.
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