Raum der Stille ist zum Ort des Auftankens geworden
Im Raum der Stille: Baummotiv, das an Psalm 1 erinnert (Bild: Meike Ditthardt)
Für die Asylsuchenden im Bundesasylzentrum in Kreuzlingen, die zurück in ihre Heimatländer geschickt werden sollen, wurde nun ein Raum der Stille geschaffen. Livenet-Redaktorin Meike Ditthardt, die auch als
Asylseelsorgerin tätig ist, erzählt von Herausforderungen und Chancen.
Im Bundesasylzentrum (BaZ) in Kreuzlingen wohnen hauptsächlich Asylsuchende ohne
Verfahren, die zurück in ihr Heimatland oder gemäss der Dublin-Verordnung in
den Staat zurückgeschickt werden, der für die Prüfung des Asylantrages
zuständig ist. Von daher benötigen sie eine besondere seelsorgerliche
Betreuung. Jetzt wurde dort ein Raum der Stille geschaffen – als Oase für die
Asylsuchenden.
«Wohnzimmerfeeling»
und königliche Atmosphäre
Meike Ditthardt
Anfang
des Jahres wurden mein Mann und ich als Asylseelsorger im BaZ Kreuzlingen mit
der Aufgabe betraut, in Absprache mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) und
dem Betreuungsteam den Raum der Stille einzurichten. Dabei galt es zu beachten,
dass verschiedene Materialien und Gegenstände aus Sicherheitsgründen tabu
waren. Auch religiöse Symbole durften nicht verwendet werden, da dieser Raum
Menschen unterschiedlicher Religionen offenstehen sollte. So musste ich die
zusammengestellte Möbelliste erst dem SEM präsentieren, bevor ich die
Bestellung mit den Kirchenräten der beiden Landeskirchen in Auftrag geben
konnte. Für die Gestaltung der Wände wurde uns die Unterstützung des
Betreuungsteams zugesagt.
Die goldene Wand im Raum der Stille
Meine
Vision war, einen Raum zu gestalten, der eine wohlige Atmosphäre der
Geborgenheit mit «Wohnzimmerfeeling» vermittelt und zugleich das Göttliche,
Königliche in Form einer goldenen Wand und edlem Samtmobiliar widerspiegelt. Wir
lernten Jango Mousa, einen syrischen Künstler aus Stein am Rhein, kennen, der
vom Betreuungsteam dafür freigestellt wurde, die Wandmalereien zu gestalten. Meine
Vision von der goldenen Wand hat er in seiner künstlerischen Freiheit so
vervollkommnet, dass er drei Gold-Quadrate in 3D-Optik darauf entstehen liess,
die mich an die Dreieinigkeit erinnern... Auf der anderen Wandseite entstand
ein Baummotiv, das uns an Psalm 1 erinnert: «Er ist wie ein Baum, gepflanzt an
Wasserbächen» – so ein schönes Zeichen der Hoffnung! Die Wandmalereien passen perfekt
zu dem Teppich und den Möbelfarben – so als hätte Gott alles arrangiert… Wir
trafen uns mit den beiden Kirchenräten, um den Gebetsraum und die Menschen im
Asylzentrum zu segnen und uns über Psalm 27 auszutauschen, der so wunderbar in
diesen Raum und zur Situation der Asylsuchenden passt.
Sowohl
Asylsuchende als auch Mitarbeiter im BaZ sind sehr interessiert an dem Raum der
Stille und nehmen gerne dort Platz. Eine Mitarbeiterin meinte: «Dieser Raum ist
viel schöner als mein eigenes Wohnzimmer!»
Begegnung
mit Gott und Menschen
Die
Asylsuchenden haben Krieg, Terror und seelische Verletzungen erlebt und sollen
in diesem Raum innerlich zur Ruhe kommen und Frieden finden. Der
Raum wird zum Relaxen, Träumen, Beten, Auftanken, für Gottesbegegnungen und seelsorgerliche
Gespräche genutzt. Die Asylsuchenden haben hier die Möglichkeit, aus ihrem
sonst eher monotonen, traurigen Alltag herauszukommen und in Beziehung zu Gott
und anderen Menschen zu treten.
Uns
war es von Anfang an wichtig, den Tag mit Gott im Raum der Stille zu beginnen –
mit Bibletalk und Gebet. Dazu haben wir auch Mitarbeiter und interessierte
Asylsuchende eingeladen und sind sehr dankbar, dass auf diese Weise wertvolle
Begegnungen und Gespräche stattfinden können.
Rückzugsmöglichkeit
und Seelsorgeangebote
Da
die Asylsuchenden in Mehrbettzimmern untergebracht sind und wenig Privatsphäre
haben, ist der Raum der Stille auch eine gute Rückzugsmöglichkeit. Wir bieten dort spezielle
Gesprächs- und Gemeinschaftsangebote an – insbesondere für Frauen, um
ihrem Bedürfnis nach einem geschützten Raum und Frauentreffen entgegenzukommen.
Ein
Stück Normalität und Würde
Es
ist ein Segen, wenn es einen solchen Raum in Bundesasylzentren gibt. Wir
erleben es, dass die Menschen sich in dieser warmen Atmosphäre geborgen fühlen und
sich viel eher öffnen, um Belastendes loszuwerden oder auch, um einmal in eine
andere Welt einzutauchen – fernab von der harten Asylrealität. Ein Stück
Normalität und zurückgegebene Würde, mitten in Trostlosigkeit.
Möge
dieser Raum und die Menschen in diesem Raum besonders gesegnet sein!
Meghan und Harry sorgten mit einer «Netflix»-Doku für mächtig Wirbel. Die Autorin und «Woman Alive»-Chefredaktorin Tola Doll Fisher machte sich dazu...