Von Sprachregeln, Gender-Politik und «ganz normalem Deutsch»
Birgit Kelle (Bild: Facebook)
Birgit Kelle ist mit
Büchern und Vorträgen engagierte Kämpferin gegen das Gender-Mainstreaming. Nun
hat sie auch ein Buch über ihre Erfahrungen auf dem Jakobsweg geschrieben!
Florian Wüthrich führte mit ihr einen Livenet-Talk.
Gegen den Strom zu schwimmen, sei eigentlich nie ihr Ziel
gewesen, sagt Birgit Kelle gleich zu Anfang. Sie habe einfach über Dinge
geschrieben, von denen sie selbst betroffen gewesen sei, wie zum Beispiel
Familienpolitik. Damit sei sie aber auch auf Themen wie Feminismus und Gender
gekommen. Denn was darüber zu lesen sei, passe eigentlich nicht wirklich zum
Leben.
90 Prozent der Reaktionen auf ihre Auftritte und Bücher seien positiv.
Sie stellt ein kollektives Aufatmen fest. Was zu Gender-Sprachregelungen an
Universitäten ablaufe, habe mit dem praktischen Leben kaum etwas zu tun. Wenn
man die Menschen nötige, über Geschlechterfragen so und nicht anders zu
sprechen, merkten sie bald einmal, dass eine Debatte stattfinde, die sie
bislang gar nicht interessiert habe.
Verstörende
Sprachregelung
Die Frage stelle sich, so die Journalistin, ob es überhaupt
zulässig sei, der Bevölkerung eine Sprachregelung überzustülpen, die eher
verstörend und sprachlich bedenklich sei, wenn etwa in die Grammatik
eingegriffen werde und Regeln ausser Kraft gesetzt würden. Wenn zum Beispiel
aus Fussgängern «zu Fuss gehende» werden, die eigentlich «an der Ampel Stehende»
seien. Eine solche Sprachregelung schaffe vor allem Verwirrung.
Wer aber hat die Kompetenz, die Sprache so zu regeln, dass
zum Beispiel aus der Muttersprache die «Sprache der zu Gebärenden» werde. Die «Mutter» werde in der Gender-Sprache abgeschafft, weil ja auch ein Transmensch
gebären könnte. «Ich empfinde es als diskriminierend, wenn ich mich nicht mehr
Mutter nennen darf», so die vielseitige Buchautorin.
Wo bleibt die echte
Debatte?
Es sei ihm nicht gelungen, eine Person zu finden, die
gendergerechte Sprache in diesem Talk verteidigen wollte, bemerkte Florian
Wüthrich dazu.
Auch Debatten beispielsweise über Gender-Politik finden, so
Kelle, kaum statt. Deren Vertreter wichen in der Tat der Debatte mit Gegnern
aus und führten diese lieber unter sich. Gegner der Gendersprache gelten für
die Befürworter als rückständig, homophob und rechts, so Birgit Kelles
Erfahrung. Eine sachliche Diskussion werde vermieden, obwohl dadurch womöglich
sachliche Kompromisse möglich würden. Dagegen würden die Gender-Kritiker bei
Veranstaltungen niedergeschrieben.
Ja zum generischen
Maskulinum
Kelle verteidigt sogar das generische Maskulinum, also zum
Beispiel «die Schauspieler». Es gehe hier um eine Berufsgruppe, nicht um
einzelne Männer und Frauen. Und diese Sprache mache die Frauen nicht
unsichtbar, wie behauptet wurde. In Deutschland gebe es sogar seit 16 Jahren
eine Bundeskanzlerin, obwohl die Verfassung nur den «Bundeskanzler» kenne. Und
obwohl man traditionell von «Lehrern» und «Ärzten» rede, gebe es in diesen
Berufsgruppen inzwischen mehr Frauen als Männer.
Den Unterschied der
Geschlechter wahrnehmen
Wird dadurch nicht die Gleichbehandlung der Geschlechter
verletzt? Mit der Gendersprache werde der Fokus falsch gesetzt, moniert Kelle.
Die Ursache, weshalb Frauen gegenüber Männern in bestimmten Bereichen
benachteiligt würden, sei nicht in der Sprache zu suchen. Die Politik könnte
sich sogar zurücklehnen und sich darauf berufen, dass mit der Sprachregelung
auch die Probleme gelöst würden. Die Gendersprache sei darauf ausgerichtet, das
Geschlecht wegzureden und werde damit der «normalen Frau» nicht gerecht. Denn
Frauen betrachteten viele Dinge anders als Männer.
Kelle steht daher für einen «neuen Feminismus» ein. Der
traditionelle Feminismus propagiere eine Frau, die eine möglichst traditionelle
Männerrolle einnehme, zum Beispiel Karriere statt Familie. Dagegen hält Kelle: «Es ist für mich keine Errungenschaft, das Leben eines Mannes zu führen.» Sie
fordere daher einen weiblichen Feminismus, der auf die echten Bedürfnisse der
Frau eingeht.
Ganz normales Deutsch
sprechen
Die «Gender-Fibel», an der auch Birgitt Kelle mitgearbeitet
hat, weist auf die Skurrilitäten hin und stellt Begriffe wie «Gendergerechtigkeit» oder «Heteronormativität» klar. Aber müssen wir Begriffe
wie LGBTQ+ in unsere Sprache übernehmen, um nicht anzuecken? Birgit Kelle empfiehlt,
zur eigenen Überzeugung zu stehen und sich nicht unter Druck einer scheinbar
normativen Sprachregelung setzen zu lassen. Sie selbst weise amtliche Papiere
zurück, die «gegendert» seien und bestelle entsprechende Newsletter ab. «Ich
spreche weiterhin ganz normales Deutsch.» Und sie steht zum Beispiel
kompromisslos dazu, dass es nicht ein drittes und viertes und ... Geschlecht
gibt. Es gelte, dem Terror einer Minderheit entgegenzutreten.
Es gibt ein «drittes
Geschlecht»
Die einzige Abweichung von den beiden Geschlechtern seien
intersexuelle Menschen. Denn sie unterschieden sich in der Tat biologisch von
Mann und Frau und trügen Merkmale von beiden. Dass diese Menschen jetzt in
Ausweispapieren die Möglichkeit haben, sich nicht als Frau oder Mann einstufen
zu müssen, sei zu befürworten. Sexuelle Vorlieben als eigenes Geschlecht zu
deklarieren, habe aber nichts mit Fakten zu tun.
«Wir sind alle
Geschöpfe Gottes»
Wie können christliche Gemeinden mit dem Vorwurf umgehen,
zum Beispiel homosexuelle Menschen lange diskriminiert zu haben? Es gelte auch
für den christlichen Raum zu unterscheiden, was jemand ist und was er tut. Das
Gebot der Nächsten (und Feindes-)Liebe sei gegenüber jedem Menschen umzusetzen.
Jeder sei in seinem Menschsein zu akzeptieren, weil in ihm eine Funke Gottes
sei. Über Gebote wie das Ehegebot dürfe man aber nicht abstimmen. «Wir sollen
verstehen, dass wir alle Geschöpfe Gottes sind.»
«Ich musste mal zur
Ruhe kommen»
Das Buch «camino» von Birgit Kelle
Vor zwei Jahren pilgerte Birgitt Kelle auf dem Jakobsweg und
schrieb dazu das Buch «Camino». Von Leon bis Santiago de Compostela. Zuvor
machte sie die Erfahrung, wegen der Gesundheit ihres Mannes plötzlich allein
für eine Grossfamilie da zu sein. Das warf in ihr zentrale Fragen auf. Zum
Beispiel, ein Muttertier zu sein. Sie habe sich lange nicht getraut, ihre
eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und eine zu grosse Last getragen. Sie war der
Fels in der Brandung für viele.
Der Entschluss zum Pilgern fiel ganz spontan
nach dem Motto «Ich bin dann mal weg». «Es war die beste Entscheidung, die ich
je gefällt habe.» Dahinter sei nicht der Gedanke gestanden, ein Buch zu
schreiben... «Ich musste einfach mal zur Ruhe kommen!» Erst eineinhalb Jahre
danach habe sie «Camino» freigegeben.
Sehen Sie sich hier den Livenet-Talk mit Birgit Kelle an:
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