Ist Abkehr vom christlichen Glauben das grösste Problem?
Pierre Alain Schnegg im Livenet-Talk (Bild: Yannick Spriessler)
Der
Kanton Bern hat einen bekennenden Christen als Gesundheitsminister. Im
Livenet-Talk spricht er über politische Fragen, seinen Glauben und die Chance
für die Kirche.
Als Gesundheitsminister des Kanton Berns steht
Pierre Alain Schnegg oft im Rampenlicht. Im Livenet-Talk spricht er über
riskante Events wie die Skirennen in Adelboden und Wengen. Aber auch die Maskenpflicht
für Schüler, den persönlichen Glauben, der Umgang mit Kritik und seine
Kandidatur kommen zur Sprache. Folgend ein paar Ausschnitte des Talks.
«Für mich ist es wichtig, Kritik zu erhalten»
«In den letzten zwei Jahren wurden wir ständig kritisiert», sagt Pierre Alain Schnegg. «Wir müssen diese Kritik nutzen, um
uns Fragen zu stellen.» Es gelte, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen.
Er könne die Empörung von Menschen verstehen, wenn sie gewisse Dinge noch immer
nicht tun können. Genauso habe er Verständnis für Leute, die sich über
risikoreiche Events ärgern. «Die Kritik führt uns zur Frage, ob wir es korrekt
gemacht haben und ob wir es ein nächstes Mal anders machen müssen.»
Grundsätzlich erachtet er es als wichtig, dass Menschen sich äussern können.
«Für mich ist es viel wichtiger, Kritik zu erhalten, als nicht.» Durch Kritik dürfe
man sich aber nicht stoppen lassen. «Wir müssen Kritik ernst nehmen, aber wir
müssen vorwärtsgehen.»
«Ich bin mit dir!»
«Was wir im Moment machen, ist sicher ungesund», sagt
der Gesundheitsminister zu seiner persönlichen Situation. «Wir schlafen zu
wenig und können uns, wegen Sitzungen über den Mittag, oft nicht gut ernähren.»
Dankbar sei er für guten Schlaf und für seine verständnisvolle Familie, die
aktuell einen hohen Preis zahlen muss.
Schnegg berichtet, wie er einmal an die Grenzen
seiner Kräfte gekommen war. «Da hat mir der Glaube sehr geholfen. Gott hat
einen Plan für unser Leben und wird uns auch die nötige Kraft geben.» Das
heisse nicht, dass wir nichts machen müssen. «Wir sind da, um zu kämpfen und zu
arbeiten. Wir haben aber die Zuversicht, dass Gott alles in seinen Händen hat.»
In einer sehr harten Zeit war er einmal noch spät unterwegs. «Plötzlich habe
ich aus dem Auto geschaut und da war ein grosses blaues Plakat auf welchem mit
gelber Schrift geschrieben stand: 'Ich bin mit dir!' Was wollen wir mehr?» Für
Gott ist nichts zu gross, für ihn sind keine Probleme unlösbar. «Manchmal haben
wir keine Ahnung, wie ein Problem gelöst werden kann und vielleicht müssen wir
mal sagen, dass wir keine Kraft mehr haben. Doch es steht geschrieben: 'Ich bin
mit dir!' Und das hat mir geholfen.»
Krise als Chance für die Kirche
«Diese Krise hat uns vor Augen geführt, dass wir
sterblich sind. Gleichzeitig sind durch die Krise viele Gottesdienste im
Internet zu sehen und ich bin sicher, dass in dieser Zeit viele Menschen die
Botschaft von Jesus gehört haben, die sie sonst nicht gehört hätten.»
Von seiner Kirche habe er starken Rückhalt
gespürt und es gebe oft Menschen, die dankbar sind, den christlichen Glauben
mit dem Gesundheitsminister teilen zu dürfen.
Zertifikatspflicht
Ein schwieriger Punkt für Kirchen ist die
Zertifikatspflicht. Hierzu sind Pierre Alain Schnegg zwei Punkte wichtig. «Ich
habe die Hoffnung, dass die Zertifikatspflicht in den nächsten Monaten fallen
wird – zumindest in der Schweiz.» Und zweitens sagt er: «Es ist wichtig, dass
wir uns wegen eines Zertifikats nicht trennen lassen. Es gibt viele
Möglichkeiten, um sich zu organisieren.» In seiner Kirche hätten sie die
glückliche Ausgangslage, dass zwei Räume durch unterschiedliche Eingänge zur
Verfügung stehen.
«Ich verstehe, dass Leute sagen, dass wir genug
Zeit zum Impfen gehabt haben und jetzt das Zertifikat benutzen sollen. Ich
verstehe aber auch diejenigen, die sagen, dass sie sich nicht impfen lassen
wollen – aus irgendeinem Grund. Wir müssen beide respektieren und beide müssen
einander respektieren.» Den Fokus legt er darauf, dass die Zertifikatspflicht
nur bis zum 30. März vorgesehen ist. Es gibt Grund zu hoffen, dass dies so
bleibt.
Es sei wichtig und richtig, eine eigene Meinung
zu haben und diese auch zu äussern. Es brauche aber auch gegenseitigen Respekt. Schnegg
erinnert sich an die Anfänge der Krise, als die Jungen für die Alten einkaufen
gegangen sind. Es ist gut, sich auch an das Schöne während der Pandemie zu erinnern.
Warum sind wir so wenig resilient?
«Es gibt viele Menschen, die leiden. Die psychischen
Belastungen geben mir sehr zu denken.» Doch dann blickt Schnegg in die
Geschichte: «Als Vergleich denke ich daran, was unsere Grosseltern erlebt haben. Sie
gingen durch den zweiten Weltkrieg, plus Pandemie und Wirtschaftskrise – sie
waren also viel resilienter als wir.» Wir müssen uns fragen, warum das so ist. «Noch
vor 100 Jahren haben die Menschen wahnsinnig gekämpft, um überhaupt etwas zu
Essen zu haben. Heute haben wir das Kämpfen verloren.»
«An Covid sind viel zu viele Menschen gestorben.
Niemals aber so viele wie in früheren Pandemien oder während Kriegen. Warum
sind wir heute so wenig resilient?» Diese Frage gelte auch der Kirche. Schnegg denkt
an Menschen, die unglaubliche Zeiten durchleben müssen, diese aber durch den Glauben zuversichtlich aushalten. Vielleicht sei die Abkehr vom christlichen
Glauben das Entscheidende, was den Menschen abhandengekommen ist.
«Warum mühen wir uns mit unseren Sorgen ab, wenn
Gott doch sagt, wir sollen sie auf ihn werfen?» Der entsprechende Vers aus dem1. Petrusbrief ist dem Regierungsrat sehr wichtig geworden.
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