Das James-Webb-Teleskop und die Faszination des Weltraums
Aufnahme des Sternentstehungsgebiets NGC 3324 im Carinanebel (Bild: NASA / Wikipedia)
Gerade liefert das neue James-Webb-Teleskop
fantastische Bilder aus dem All. Und während die einen damit den Beweis des
Urknalls feiern, sehen andere endlich die Schöpfung als erwiesen an. Dabei könnten
beide erst einmal staunen.
Als 1990 das Hubble Weltraumteleskop startete und
unvergleichlich gute Bilder liefern sollte, zeigte sich zunächst, dass der
Spiegel des Teleskops falsch geschliffen war. So lieferte es erst gute Bilder,
nachdem die NASA ihm eine «Brille» verpasst hatte. Doch im Dezember 2021 bekam
das bekannteste Fernrohr der Welt einen Nachfolger: das James-Webb-Teleskop.
Über sechs Tonnen schwer schwebt es jenseits des
Mondes, am sogenannten
Lagrange Punkt L2, ungefähr 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Und nach
mehreren Monaten Ausrichtung und Kalibrierung hat es Ende Juni seine
wissenschaftliche Arbeit aufgenommen. Weil das Teleskop seinen Standort
leichter erreichte als gedacht, hat es noch erhebliche Treibstoffreserven, um
immer wieder in Position gebracht zu werden. Statt der ursprünglich geplanten
zehn soll es jetzt um die 20 Jahre lang Bilder an die Erde senden.
Was betrachtet das Teleskop eigentlich?
Das neue Weltraumteleskop hat nicht viel mit einem
Blick durch den Feldstecher zu tun. Es wertet nicht in erster Linie fürs
menschliche Auge sichtbares Licht aus, sondern eher Infrarotstrahlung. Dass
daraus dann faszinierende und sehr bunte Fotos werden, die fast gemäldeartig
wirken, liegt daran, dass den unterschiedlichen Stoffen und Wärmequellen am
Computer verschiedene Farben zugewiesen werden.
Wie immer bei solchen Projekten geht die
Erwartungshaltung darüber, was das Ergebnis der Mission sein soll, weit
auseinander. Sie wird Aufschluss geben über die Geschichte des Universums, weil
jeder einzelne Blick in Gegenden, die Lichtjahre entfernt sind, einer in die
Vergangenheit ist. Sie wird vieles über die Zusammensetzung von Sternen und
Planeten an den Tag bringen. Durch den 100-fach stärkeren Fokus als bisher können
Details dargestellt werden, die bislang noch unbekannt sind. Klar ist: Die
Datenmengen, die das James-Webb-Teleskop zur Erde funkt, werden Tausende von
Wissenschaftlern die nächsten Jahrzehnte beschäftigen. Es ist eben nicht so,
dass dieses eine Foto zur Erde gefunkt wird, auf dem man sofort erkennt, dass
dort ein Planet liegt, auf dem ein Ausserirdischer erkennbar winkt.
Klar, das ist etwas platt dargestellt, aber die
Erwartungen gehen oft in genau diese Richtung. Das Teleskop ist im All,
schiesst ein Bild und die Frage ist: Was schliessen wir daraus? Gerade weil die
Bilder so fantastisch und detailreich sind, wird ihre eigentliche Auswertung
länger dauern. Und bis dahin werden wir in schöner Regelmässigkeit hören, dass
jetzt der Durchbruch geschehen sei und endlich das bewiesen wäre, was man
selbst immer schon erwartete…
Was für Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?
Eigentlich ist dieses Ziehen von Schlussfolgerungen
völlig normal. So ticken wir Menschen – und so funktioniert Wissenschaft, aber
auch Glaube. Konkret: Wer etwas sieht, bemüht sich, es in seinen
Verstehenshorizont einzubauen.
Genau deshalb kommt es dazu, dass die einen beim
Bewerten von Bildern, wie sie das neue Teleskop liefert, begeistert davon
sprechen werden, dass der Urknall und das zufällige Entstehen des Universums
jetzt endlich bewiesen wären – so ähnlich, wie sie es bereits an vielen Stellen
taten.
Andere werden sich zurücklehnen und wie der Astrophysiker und Christ Norbert
Pailer resümieren:
«Es sollte uns nicht überraschen, wenn wir auf die Erkenntnis stossen, dass das
Universum – die unbelebte Materie gleichermassen wie der Teil der belebten Welt
– einfach genial konstruiert ist, und man wird dies nicht nur als schlichte
Tatsache hinnehmen. Es muss eine tiefere Erklärungsebene geben.»
Streiten oder staunen?
So weit so wissenschaftlich. Aber wie gehen Christen
oder Atheisten, wissenschaftlich gebildete oder mit gesundem Menschenverstand
gesegnete Leute damit um, dass andere dasselbe sehen wie sie, aber zu völlig
anderen Schlussfolgerungen kommen? Argumente wie «Die Bibel sagt es doch
eindeutig, dass Gott die gesamte Welt in nur sechs Tagen schuf» überzeugen
keinen einzigen Atheisten. Genauso wenig wie Aussagen wie «Die Natur zeigt
deutlich, dass der Glaube an einen übernatürlichen Schöpfer ins Reich der
Märchen und Legenden gehört» irgendeinen Christen überzeugt.
An genau diesem Punkt wird es spannend. Wir können uns
selbst und unsere eigene Wahrnehmung absolut setzen, den anderen mit seiner
Meinung als dumm, atheistisch oder fundamentalistisch beschimpfen: «Er wird es
schon noch begreifen, dass ich recht habe!» Aber was wäre, wenn mir die
Perspektive des anderen weiterhelfen würde? Was wäre, wenn ich zwar einen Teil
der Wahrheit erkannt hätte, aber längst nicht alles? Was wäre, wenn die
Wahrheit irgendwo in der Mitte läge? Was wäre, wenn ich recht hätte, aber den
anderen nicht in der Diskussion besiegen wollte, sondern als Freund gewinnen?
Ich
Wenn ich spät abends bei klarer Sicht ohne jede
Weltraumteleskop-Verstärkung in die Milchstrasse schaue, dann staune ich
einfach. Ich fühle mich gleichzeitig unendlich klein und erhaben. Ich habe den
Eindruck, Gottes Handschrift zu erkennen. Andere sehen «nur» den Grossen Wagen
– trotzdem empfinden sie ähnlich. Vielleicht liegt es daran, dass der Blick in
den Himmel uns keine Antworten gibt, sondern Fragen stellt. So wie es David in
einem seiner Psalmen formulierte: «Wenn ich deinen Himmel betrachte, das Werk
deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der
Mensch, dass du an ihn gedenkst, und der Sohn des Menschen, dass du auf ihn
achtest?» (Psalm 8, Vers 4-5)
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