Palliativpflege

Gutes Leben bis zuletzt im Pflegeheim

In der Schweiz möchten 75 Prozent der Menschen in den eigenen Wänden sterben. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus: Meist stirbt man heute in einem Pflegeheim. Das verändere die Rolle der Pflegeheime nachhaltig, schreibt der Fachmann Beat Vogel von Caritas Schweiz in seinem Forumsbeitrag. Palliativpflege («Palliative Care») werde immer wichtiger.

Heute lässt sich das Leben oft verlängern. Für viele Menschen ist das sinnvoll. Nicht selten bedeutet die Lebensverlängerung aber nur das Hinauszögern des Sterbens. Das ist fragwürdig. Die Medizin bekämpft und verdrängt das Sterben auch in hoffnungslosen Situationen noch immer, obwohl wir dank der Palliative-Care-Bewegung menschlicher handeln könnten.

Die Verdrängung des Todes durch die Medizin hat sich chamäleonartig angepasst und ist subtiler geworden. Mit der «Anti-Aging»-Bewegung und im Aufrüsten der biotechnologischen Verfahren nimmt sie eine neue Dimension an.

Mut als Schlüsselkompetenz von Pflegenden

Palliative Care will das Leben weder verkürzen noch künstlich verlängern. Sterben wird als Möglichkeit des Lebens- oder Krankheitsverlaufs betrachtet. Medizinische und pflegerische Arbeit ist heute häufig geprägt von Sicherheitsansprüchen, Fehler führen schnell zu Schuldzuweisungen. In diesem Klima braucht es Mut und gesunden Menschenverstand, das Sterben anzusprechen und zuzulassen.

Ohne das Bewusstsein der Sterblichkeit könne kein erfülltes Leben möglich sein, sagt Judith Giovannelli aus eigener Betroffenheit in ihrem Buch «Das Glück der späten Jahre»: «Wer das Leben ernst nimmt, nimmt den Tod in Kauf, weicht ihm nicht aus. Das muss gelten.» Und Mut, sagen befragte Patientinnen und Patienten, sei eine Schlüsselkompetenz von Pflegenden. Diese Haltung brauchen wir in der Betreuung von älteren, schwerkranken und sterbenden Menschen.

Nachfrage nach Weiterbildung ist gross

In den Pflegeheimen der Schweiz eine Kultur und Praxis von palliativer Medizin, Pflege und Begleitung aufzubauen, ist das Ziel des Weiterbildungsangebotes «Das Leben vollenden». Seit 2005 hat Caritas Schweiz in Partnerschaft mit Curaviva in über 70 Pflegeheimen interne Weiterbildung durchgeführt. Davon profitieren bereits 5.000 Mitarbeitende und einige tausend pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Kursinhalte sind die Linderung von Schmerz und Atemnot, die Begleitung von Sterbenden und Angehörigen oder Fragen zur ethischen Entscheidungsfindung.

Die Auswahl der Themen richtet sich nach dem individuellen Bedarf jeder Institution. Das Bedürfnis nach solchen Weiterbildungen ist gross. So beauftragte etwa die Stadt Luzern Caritas Schweiz mit der Durchführung der Weiterbildung in allen Heimen. Daran beteiligten sich Mitarbeitende aller Bereiche (Medizin, Pflege, Seelsorge, Hotellerie, Administration, Technik). Auf dieser Basis werden Massnahmen für eine gute Lebens- und Abschiedskultur geplant.

Was zu tun ist

Mit der nationalen Palliative-Care-Strategie stehen die Kantone in der Pflicht, sich für ein gutes Leben bis zuletzt einzusetzen. Wenn Menschen heute vor allem in den Pflegeheimen sterben, bedeutet das: Die Gesundheitsdirektionen der Kantone tragen die Verantwortung für eine würdige Behandlung, Pflege und Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen.

Die Sorge für eine gute Lebens- und Sterbensqualität darf nicht allein den Gemeinden und Trägern der Institutionen überlassen werden. Palliative Care bezieht sich vor allem auf die stetig wachsende Gruppe der chronisch Kranken und älteren Menschen, nicht nur auf Krebskranke im Endstadium. Deshalb müssen die Kantone den Aufbau von Palliative Care in den Pflegeheimen aktiv anstossen.

Beat Vogel leitet die Fachstelle «Begleitung in der letzten Lebensphase» bei Caritas Schweiz in Luzern.

Jesus über das Sterben:
«Ich bin die Auferstehung, und ich bin das Leben. Wer mir vertraut, der wird leben, selbstg wenn er stirbt.» (Die Bibel, Johannesevangelium, Kapitel 11, Vers 25)


Autor: Beat Vogel
Quelle: Kipa

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