Schicksal

Trotz Krebs voller Hoffnung leben

Für viele Menschen beginnt mit der Krebsdiagnose eine neue Zeitrechnung. Doch Krebs ist nicht einfach Todesurteil, meint die Pflegewissenschaftlerin Agnes Glaus. An einem Treffen der IVCG Thurgau empfahl sie, Hoffnung zu teilen.

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Pflegeexpertin Agnes Glaus: Das Leben trotzdem lieben.
Über drei Jahrzehnte hinweg hat Agnes Glaus Erfahrungen mit überlebenden Krebspatienten, sogenannten «Survivors», und mit anderen, die nicht überlebt haben, gesammelt. «Ja, es ist ein häufiges, relevantes Problem», bestätigte die Referentin am Frühstückstreffen der IVCG Thurgau in Gottlieben (Internationale Vereinigung Christlicher Geschäftsleute). Glaus ist Pflegeexpertin am Tumor- und Brustzentrum ZeTuP in St. Gallen und wurde für ihre Leistungen für die Pflege krebskranker Menschen vielfach ausgezeichnet.

Diagnose zeigt Endlichkeit auf

In der westlichen Welt, besonders in wohlhabenden Ländern wie der Schweiz, komme Krebs häufig vor. Hunderte von Formen dieser Krankheit seien bekannt, heilbare, chronische, stabilisierbare, aber auch rasch zum Tod führende. Für die grossen Fortschritte in der Bekämpfung und Behandlung dieser Krankheiten dürfe man durchaus dankbar sein, sagte Glaus. Doch Krebs trete oft wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein. Die Leichtigkeit des Seins sei vorbei, nichts scheine mehr so zu sein wie vorher. Für Betroffene beginne mit der Diagnose eine neue Zeitrechnung. Gedanken von Bedrohung, Leiden und Tod herrschten vor und führten zu verschiedenen Gefühlsreaktionen. Die einen reagierten mit Schock, würden erstarren, bei anderen Menschen löse die Diagnose Wut auf sich selber, auf andere oder auf Gott aus, danach Verzweiflung, Trauer und Depressionen. Sicher sei, dass durch die Diagnose Krebs ein Leben erschüttert und eine Krise ausgelöst werde. «Man realisiert, dass das Leben nicht ewig dauern wird.»

Nicht einfach Todesurteil

Dennoch: Die quälende Frage nach der Ursache plage Betroffene. Wieso gerade bei mir? Im Einzelfall gebe es darauf keine Antworten. Doch man erlebe immer wieder Überraschungen. Die Krankheit könne anders verlaufen als erwartet, wusste Glaus aus ihrer langjährigen Erfahrung zu berichten. Krebs sei nicht einfach als Todesurteil zu begreifen. Aber die Menschen dürften sich deswegen auch nicht zu Propheten aufspielen. Ärzte seien angehalten, wahr zu sein, und offen für Überraschungen. Alles, was Ärzte und Pflegende sagten, müsse wahr sein. «Müssen wir aber immer alles sagen, was wahr ist?», fragte Glaus.

Nichts überstürzen

Krebs sei eine bittere Realität, doch die Krankheit biete auch die Chance der Erkenntnis. Plötzlich entdeckten Betroffene, wie reichhaltig das Leben sei. Viele, die die Endlichkeit des Lebens erkennen würden, dürften auch überleben. In der Tat überlebe die Mehrheit der Krebskranken. Doch wie sollen sich die Betroffenen nach der Diagnose verhalten? Sie sollen sich Zeit lassen, nichts überstürzen. Patienten hätten durchaus das Recht, eine Zweitmeinung einzuholen. «Es geht um ihren Körper, da muss man sich selber genug wichtig sein.»

Begründete Hoffnung teilen

Krebsbetroffene sieht Glaus auf einer Reise über Täler und Höhen. Da brauche es eine Brücke, damit man weiterkomme, wohin die Reise auch führen möge. Wichtig sei es, mit dem Betreuungsteam, mit Angehörigen und Freunden über die eigene Situation zu sprechen. Glaus warnte davor, zu viel abzublocken. Oft sei es hilfreich, wenn die Menschen im Umfeld des Betroffenen wüssten, worum es eigentlich gehe. Hilfreich begleiten heisse für das soziale Umfeld, den Kontakt nicht abbrechen, Gefühle, ja Tränen zulassen, praktische Hilfe leisten, nicht aber medizinische Ratschläge erteilen, sondern taktvoll reden und hoffnungsvoll sein. Hoffnung teilen, wenn sie vorhanden sei. Auch das Leben mit einer Therapie sei schliesslich eine Hoffnung, präzisierte die Referentin.

Aus der Himmelsperspektive

Die «Survivor-Idee» sei eine gute Strategie. Was kann ich selber tun, was kann ich für meinen Körper, meinen Geist Gutes tun, wie trotz Therapien einigermassen gesund bleiben? Hoffnungsvoll zu leben und nicht hoffnungslos zu werden, könne eine Quelle der Kraft werden. Es gehe darum, das Leben trotz Krebs zu lieben, dieses nicht auf die Krankheit zu reduzieren. Über den Alltag hinaus böte das Evangelium die grosse Hoffnung auf ein ewiges Leben. Darum sollten die Betroffenen auch lernen, ihre Situation aus der Himmelsperspektive zu sehen: «Das Beste kommt noch!»

Von Gott gewollt?

Viele mit Krebs konfrontierte Menschen stellten sich die Frage, ob es sich um eine gottgewollte Krankheit handle, stellt Agnes Glaus fest. Doch Jesus habe immer in Opposition zu Krankheiten gestanden. Er habe oft geheilt, getröstet und gelindert. Bei einem Nierenstein frage auch niemand danach, ob es ein gottgewollter Nierenstein sei. «Wieso sollte dann Krebs von Gott gewollt sein?», hinterfragte die Pflegewissenschafterin. 

Bücher zum Thema:
Von Krebs geheilt
Ich will mein Leben tanzen

Datum: 07.07.2012
Autor: Martin Sinzig
Quelle: idea Schweiz

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