Hoffnung trotz Corona

«Mein Leben als Risikopatientin»

Katja Winter ist 37 Jahre alt. Sie ist glücklich verheiratet und Mutter von vier Kindern. Die gelernte Erzieherin ist leidenschaftliche Köchin und Bäckerin. Diejenige mit dem grünen Daumen in der Familie. Vitamin-D-Junkie, Musikliebhaberin … und sie gehört zur Risikogruppe, deren Leben von Covid-19 bedroht ist. Sie erzählt:Risikogruppe? Was bedeutet das? Bis vor vier Wochen hätte fast jeder die Stirn gerunzelt oder zumindest noch einmal nachgehakt, was ich damit meine. Vor inzwischen 19 Jahren wurde bei mir eine sehr seltene Blutkrebserkrankung festgestellt. Damals gehörte ich noch zu den Kuriositäten und man hatte nicht einmal einen Namen für meine Krankheit. Dank der Forschung und unermüdlicher, grandios begabter Menschen kann ich heute leben. Mit zwei leiblichen, zwei Pflegekindern und einem wunderbaren Mann. Ich kann Sport treiben, reise in ferne Länder, spiele und lache mit meinen Kindern, gehe mit meinem Mann zu Konzerten und fühle mich nicht mal ansatzweise schwer krank.

Seit Covid-19 ist das anders. Die letzten Wochen haben viel verändert; gedanklich, perspektivisch, situativ.

Die Uhr steht still

Ich bin zu Hause. Und zwar ohne Ausnahme. Meine Kinder übrigens auch und mein Mann. Vor vier Jahren sind wir in unser eigenes Haus gezogen. Sehr grosszügig gestaltet mit einem noch viel grosszügigeren Garten. So gesehen büssen wir gerade nicht viel ein. Ganz im Gegenteil. Wir geniessen unsere gemeinsamen Momente und haben die Möglichkeit, viel enger zusammenzuwachsen. In den letzten Jahren waren mein Mann und ich immer wieder gehetzt und getrieben vom Alltag mit seinen Terminen, Deadlines, Ehrenämtern, Programmen, Personen und, und, und. Zurzeit steht die Uhr still und ich bin dankbar für diese Chance. Ja, ich weiss, viele Menschen leiden, leiden sogar sehr stark. Und ich weiss auch, dass wir nur zu Hause bleiben können, weil so viele andere für uns die Stellung halten. Danke, ihr seid ein riesengrosses Geschenk!

Ich weiss nicht, ob ich die nächsten Wochen oder Monate überleben werde. Ich will mir auch gar nicht so viele Gedanken darüber machen. Zu oft in meinem Leben sollte ich schon Abschied nehmen oder mir zumindest darüber im Klaren sein, bald zu gehen. Doch jetzt bin ich hier und dieses Jetzt zählt. Mit meinen Kindern lachen. Ihnen immer wieder sagen, dass ich sie liebe. Dass ich meinen Mann liebe und ihn das spüren lasse. Der Genuss des Augenblicks.

Und wo ist Gott?

Viele fragen immer wieder, wo Gott in dieser ganzen Not ist? Er ist da! In den ganzen kleinen Dingen, die sonst so oft vom Alltag verschluckt werden.

Er ist da, wenn ich meinen kleinen, geistig beeinträchtigten Sohn auf der Schaukel anschubse und er vor Freude und Lachen Muskelkater im Bauch bekommt. Er ist da, wenn wir mit unseren zwei grossen Kindern zusammen am Lagerfeuer sitzen und schlechte Witze erzählen. Er ist da, wenn unser Jüngster um sechs Uhr morgens laut singend alle Menschen in unserem Haus mit seinem «Kackilied» weckt. Er ist da, wenn mir meine Freundin Hafermilch vorbeibringt, damit ich nach fünf Tagen endlich meinen ersten Morgenkaffee geniessen kann. Er ist da in der Umarmung, die ich meinem kleinen Sohn gebe, der sich so sehr Pancakes zum Frühstück gewünscht hatte und doch nur Brot bekommt. Er ist da in den tiefen Gesprächen, die ich mit meinem Mann über Träume, Sehnsüchte, Wünsche und den Alltag führe. Er ist da in jedem Hoch und Tief. Und er wird da sein, wenn ich es nicht mehr bin. Das ist meine Gewissheit. Mein Trost. Meine Hoffnung. Mein Frieden.

Im 2. Korintherbrief, Kapitel 5, Verse 1–10 beschreibt Paulus, was mit unserem Leib geschieht. Er beschreibt seine Sehnsucht nach Gott und seine Zerrissenheit. Er schafft es mit diesen Zeilen, auch heute noch präsent zu sein und in die Lebenswelten der heutigen Christen zu sprechen. Angst, Not, Verzweiflung, Sehnsucht, Frieden. Und er hilft mir dabei, meinen Fokus neu auf ihn auszurichten: «Aber ganz gleich, ob wir nun bei ihm sind oder noch auf dieser Erde leben, es kommt nur darauf an, alles zu tun, was Gott gefällt» (Vers 9, HFA).

«Ich will Zeugnis sein»

Ich will Zeugnis sein. Ich will nach seinem Herzen handeln, ganz gleich, wie viel Zeit mir auf dieser wunderschönen Erde geschenkt wurde. Und auch wenn ich viele Früchte jetzt noch nicht sehen kann, will ich beten. Beten für die Herzenshaltung meiner Kinder. Für ihre Zukunft. Beten für meine Freunde, ihre Familien. Für unser Land. Für all die Menschen, ohne die unser System zusammenbrechen würde. Und für den Zusammenhalt. Die Gemeinschaft der Gläubigen. Lasst uns dafür einstehen, so wie 1989 Tausende von Menschen mit Kerzen in ihren Händen für eine gemeinsame, friedliche Zukunft einstanden. Lasst uns diese Gemeinschaft in unseren Gebeten in die Welt tragen. Lasst das Licht jedes Einzelnen zu einer grossen, leuchtenden Flamme der Gemeinschaft aufglühen und für Gottes Liebe in den Herzen beten.

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Datum: 02.04.2020
Autor: Hauke Burgarth / Katja Winter
Quelle: Jesus.ch

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