Unchristliche Politchristen

Scharfmacher auf der prosyrischen wie der Gegenseite

In Libanon beginnt diese Woche mit Schiessereien zwischen Sympathisanten des syrischen Assad-Regimes und den Verfechtern eines eigenen libanesischen Weges. Beide Seiten fürchten jetzt einen neuen libanesischen Bürgerkrieg.

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Ascharafieh, Beirut
Auslöser der akuten Verunsicherung in Beirut und dem nördlichen Tripolis war am Wochenende die verheerende Autobombe, von der Libanons Geheimdienstchef Wissam al-Hassan mit seinem ganzen Stab zerfetzt wurde. Der Anschlag mitten im Christenviertel der Hauptstadt, Ascharafieh, verletzte auch rund 100 Passanten, die meisten von ihnen katholische Maroniten. Die antisyrische Opposition hält Damaskus bzw. die mit Teheran und Assad verbündeten Hisbollah-Schiiten für die Blutttat verantwortlich. Sie fordert den Rücktritt der prosyrischen Regierung, die dem Attentat durch mangelnde Absicherung von General al-Hassan Vorschub geleistet habe.

So ist Libanon wieder einmal gefährlich in zwei Lager gespalten, die jeden Moment übereinander herfallen können. Das auf den ersten Blick Unverständliche daran ist, dass die Anhänger Syriens und Irans von einem maronitischen Christen geführt werden, dem Ex-General und Ministerpräsidenten Michel Aoun. Der 79-Jährige gilt als Musterbeispiel dafür, dass die jahrzehntelange Problematik Libanons gar nicht ein Konflikt von Muslimen und Christen, sondern von machthungrigen Gewaltmenschen aus allen Religionen ist.

Seltsame Rolle des «Christen» Aoun

Der «Christ» Aoun hatte sich an der Spitze eines Teiles von Libanon zwischen 1986 und 1990 mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein verbündet und seinen maronitischen Patriarchen Nasrallah Sfeir eigenhändig verprügelt. Damals rief er einen libanesischen Befreiungskrieg gegen die syrischen Besatzer aus. Als er ihn verlor, musste Aoun nach Frankreich fliehen, kehrte aber 2005 nach dem Abzug der Syrer aus Libanon wieder nach Beirut zurück. Dort vollzog er bald eine totale Kehrtwendung und schloss ein Bündnis mit der aus Damaskus und Teheran ferngesteuerten Schiitenmiliz Hisbollah.

Bis aufs Blut bekämpft

Der Pakt wurde in der Michaelskirche mitten im schiitischen Süden von Beirut unterzeichnet. Es ist ein Symbol dafür, dass die Schiiten – in Iran wie in Libanon – den christlichen Glauben zwar dulden - und dennoch bekämpfen sich alle «christlichen» politischen Kräfte bis aufs Blut. Als sich dieser Allianz 2011 auch die libanesischen Drusen anschlossen, wurde Aoun zum starken Mann hinter der heutigen prosyrischen Regierung in Beirut.

Die Gegenseite nennt sich «Allianz des 8. März» und wird von sunnitischen Muslimen geführt. Aber auch an ihrer Seite finden sich ganz unchristliche Politchristen wie Samir Geagea: Er hatte im Bürgerkrieg die Familie des syrienfreundlichen Maronitenführers Tony Frangieh samt dessen kleiner Tochter in der Wiege ausgerottet. Derartige Grausamkeiten drohen jetzt in Libanon aufs Neue...

Datum: 22.10.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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