Richter gegen Islamisten

Ägyptens Christen atmen nach Intervention von oben auf

Die Generäle haben das Parlament aufgelöst. Sie herrschen momentan in Ägypgen mit umfassender Macht. Was bedeutet das politische Chaos für das Land und für die Christen am Nil. Eine Analyse von Nahostexperte Heinz Gstrein.

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Stadtansicht Kairo, Ägypten
In Ägypten haben die eigentlichen militärischen Machthaber vor dem zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen am Sonntag die Notbremse gegen das drohende Abgleiten in eine politislamische Ordnung gezogen: In recht eindeutigem Auftrag der Generäle bestätigte  der Verfassungsgerichtshof von Kairo die angefochtene Kandidatur des weltlichen Ahmet Shafik gegen den Moslembruder Muhammmad Mursi für die Stichwahl.

Gleichzeitig – und das ist die eigentliche Bombe – löste er das letzten Winter gewählte neue Parlament mit seiner überwältigenden Mehrheit an Islamisten wegen Wahlirregularitäten auf.

Dieser Doppelbeschluss von Ägyptens Verfassungshütern stellt für das Stimmvolk am Nil einen Wink mit dem Zaunpfahl dar, bei der Präsidentenwahl nun den sichtlich von den eigentlichen militärischen Machthabern gestützten Ex-Fliegergeneral Shafik anzukreuzen.

Doch selbst ein Sieg des erstplazierten Moslembruders Mursi hat jetzt nur mehr zweitrangige Bedeutung. Denn wie immer dieser bevorstehende Wahltag nun auch ausgehen mag: Ägyptens künftiges Staatsoberhaupt bleibt vorerst ein machtloser demokratischer Aufputz, solang in Kairo die wahren Machtverhältnisse hinter den Kulissen fortbestehen.

Ägyptens koptische und sonstige Christen können jedenfalls aufatmen. Die Auflösung des politislamisch dominierten Parlaments und nun in der Folge eine Ausschreibung und Durchführung von Neuwahlen erfordern auch die Verlängerung der bisher auf 30. Juni 2012 befristeten Amtszeit des Obersten Militärrates als gleichzeitiger politischer Höchstautorität.

Vor Ende des Jahres ist jetzt kein Führungswechsel zugunsten der Islamisten zu befürchten, wenn es einen solchen überhaupt noch geben wird. Das verschafft gerade den Kopten die nötige Zeit, sich nach dem Tod von Schenuda III. einen neuen Patriarchen zu wählen. Um ihn können sich die zur Zeit verwaisten ägytischen Christen dann scharen, komme da was wolle.

Innerhalb des Militärrates setzen die Christen gezielt auf den Generalstabschef der Streitkräfte, Generalleutnant Sami Hafez Enan. Diesem besonderen Vertrauensmann der USA werden auch christliche Vorfahren aus Syrien zugeordnet. Auch seine recht unägyptische Hakennase weist genau in diese Richtung.

Mit «nur» 64 Jahren ist er einer der jüngsten unter den militärischen Machthabern. Auch hat Enan in deren kollegialer Führung schon energisch Präsenz gezeigt. Er war der erste und einzige, der schon Anfang Oktober 2011 vor der Zulassung nebuloser «unabhängiger» Kandidaten für das neue Parlament gewarnt hatte. Tatsächlich waren es dann viele Moslembrüder und Salafisten, die sich unter diesem Deckmäntelchen einschleichen konnten.

Buch zum Islam:
Warum gewisse Dinge schief laufen

Datum: 15.06.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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