In zwei Schritten zur Macht

Ägyptens neue Verfassung gilt als angenommen

Die Abstimmung über eine gottesstaatliche Verfassung von Ägyptens Muslimbrüdern und Salafisten hat gleich im ersten Durchgang vom Samstag ein klares Ja ergeben.

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Ägyptische Frauen im Wahllokal
Nur in Kairo bewirkten die vielen koptischen Christen und liberalen Muslime ein 60-prozentiges Nein. Wacker schlug sich auch das westliche Nildelta mit seiner dreiviertel Ablehnung. Dort geben mystische Bruderschaften den Ton an. Ihr verinnerlichter Islam steht in denkbar grossem Gegensatz zu der puritanischen Werkgerechtigkeit der heutigen Islamisten. In den Städten dieser baumwollreichen Landschaft Garbia sind zahlreiche Textilfabriken angesiedelt. Ihre Arbeiterschaft stimmte geschlossen gegen das «unsoziale und frauenfeindliche» Verfassungsprojekt. Die ägyptische Linke hat sich damit neben Christinnen und Christen, liberalen und esoterischen Muslimas und Muslimen als dritte Gegenkraft zu dem bevorstehenden Reich Allahs auf Erden ausgewiesen.

Gestaffelter Urnengang verschafft Vorteil

Doch daran, dass der Ausgang des zweiten Referendums am 22. Dezember noch bejahender wird, gibt es schon jetzt keinen Zweifel. Der von den Muslimbrüdern gestellte Staatspräsident Mursi hat die Aufsplitterung der Abstimmung auf zwei Termine als Konzession an die Opposition hingestellt. Bisher waren es aber immer derart gestaffelte Urnengänge, denen die Politmuslime ihre schrittweise Machtergreifung verdanken: Vor einem Jahr die Parlaments- und im Juni die Präsidentenwahlen. Zuerst wurde in den Regionen mit einer immerhin 40-prozentigen oppositionellen Wählerschaft zu den Urnen gerufen. Dieses offiziell noch geheime Ergebnis wurde aber – wie auch diesmal wieder – gezielt publik gemacht und bewog das restliche Stimmvolk, sich im zweiten Wahlgang auf die Seite der Sieger zu schlagen.

Dasselbe muss nun für diese zweigeteilte Verfassungsabstimmung befürchtet werden. Zwar wären die Kopten in einigen Provinzen Mittelägyptens noch immer in der Mehrheit. Gerade dort sehen sie sich aber ganz massiven Einschüchterungen ausgesetzt. Die Verfassung der Muslimbrüder hat in dieser ersten, unterägyptischen Abstimmungesrunde etwa 57 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt. Mit den aus Mittel- und Oberägypten erwarteten Ergebnissen zeichnet sich aber gesamtägyptisch eine Zweidrittelmehrheit ab.

«Der Islam hat immer Recht»

Was hilft es da, wenn die in einer «Nationalen Rettungsfront» zusammengeschlossenen Gegner der Islamisierung wieder auf die Strasse gehen und warnen: «Diese Verfassung enthält tödliches Gift!» Die Muslimbrüder antworten ihnen umso mächtiger mit ihrem Abstimmungslied: «Die Verfassung ist nicht schlecht, der Islam hat immer recht!»

Zum Thema:
Unsichere Zeiten für Christen, Frauen und Demokraten
Ägyptens Christen stehen nicht mehr allein im Regen

Datum: 17.12.2012
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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