Zornige junge Menschen

Ägyptens Christen zwischen Muslimterror, Staatsraison und Auflehnung

In Ägypten formiert sich die politisch entmachtete und in die Illegalität verbannte Muslimbruderschaft neu im Untergrund. Aber auch junge Christen formieren sich angesichts der Anschläge.

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Demonstration in Ägypten
Aus dem Untergrund kehren die Muslimbrüder wieder auf Strassen und Plätze zurück, von denen sie im Sommer blutig vertrieben wurden. Die neuen Aktivitäten der Bruderschaft beschränken sich aber nicht auf Demonstrationen gegen das heutige Übergangsregime mit eisernem militärischen Rückgrat: Es häufen sich hinterhältige Anschläge, die gegen Politiker und Ordnungskräfte gerichtet sind, aber vor allem auch auf koptische Christen.

Generalstabsmässig geplant

Das jüngste Blutbad vor der Kirche auf der Nilinsel Waraq al-chadra (Grünes Laub) im Norden von Kairo zeigt, dass es sich dabei nicht um isolierte Einzeltäter handelt. Die Todesschüsse in eine Hochzeitsgesellschaft, denen auch zwei Kinder zum Opfer fielen, waren geradezu generalstabsmässig geplant. Spione der Bruderschaft spürten diese Gelegenheit aus. Am Hochzeitsabend wurde zuerst die Strasse zur Kirche mit einem quer gestellten Lastwagen blockiert; das sicherte den zwei Auftragsmördern auf ihrem Motorrad bei dem Anschlag freie Fahrt und freies Schussfeld, aber ebenso einen sofortigen Fluchtweg.

Der zuvor sträflich vernachlässigte Polizeischutz und das fehlende Eingreifen der Ordnungskräfte während der Gewaltakte, sowie ihre nachträgliche Beschönigung sind jetzt auch unter der Herrschaft von Generaloberst Abdel Fattah al-Sissi typisch für das Desinteresse der ägyptischen Obrigkeit am Wohl der zwölf Millionen christlichen Untertanen. Diese sträfliche Gleichgültigkeit arbeitet aber den Zielen der Muslimbrüder in die Hände: Sie treiben mit ihren von staatswegen weder verhinderten noch geahndeten Anschlägen, gezielt einen Keil zwischen die Kopten und die neue politische Ordnung. Ägyptens Christen fühlen sich von den staatlichen Organen verlassen und schutzlos der politislamischen Gewalt preisgegeben.

«Jugendvereinigung Maspero» schaltet sich ein

An erster Stelle ist es die koptische «Jugendvereinigung Maspero», die fordert: «Wir müssen endlich das ängstliche Leisetreten einstellen!». Sie schaltet sich jetzt lautstark in die Diskussion um Ägyptens neue Verfassung ein. Ihr Entwurf soll bis 5. Dezember vorliegen. Die zornigen jungen Christen bedienen sich dafür der Netzwerke Facebook und Twitter. Dort gibt es viel Unverblümtes zu lesen. Eine 22-jährige Pharmaziestudentin, Nancy Emad, trifft den Nagel der Problematik auf den Kopf: «Wir verlangen eine Verfassung, die endlich unsere christliche Minderheit respektiert.» Sie twittert weiter: «Wir wollen uns nicht länger als Bürger zweiter Klasse fühlen. Wir müssen endlich Gewissheit bekommen, dass dies auch unser Land ist, dass wir eine andere Zukunft haben als die Auswanderung, um unser Leben zu retten!»

Zum Thema:
11‘000 junge ägyptische Christen: Liebe und Vergebung als Antwort auf Attacken
Hoffnung für ägyptische Christen: Diskriminierende Verfassungsartikel vor der Aufhebung
Demonstranten aus der Schweiz: «Wir wollen ein Ägypten für alle!»

Datum: 28.10.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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