Vor Flüchtlingskatastrophe

Christliche Kirchen in Zentralafrika erneut gefordert

Zoom
Die Wiederwahl des Präsidenten Touadéra (Mitte) verursacht Aufstände (Bild: Instagram)
Nach einer positiven Entwicklung in der Republik Zentralafrika haben die jüngsten Wahlen neue Unruhen provoziert. Die christlichen Kirchen sind stark betroffen, wollen aber nicht aufgeben.

Die Zentralafrikanische Republik kommt auch nach den Präsidentenwahlen Ende Dezember nicht zur Ruhe: Am 13. Januar hat die Rebellenkoalition «Patrioten für den Wandel» (CPC) versucht, die Hauptstadt Bangui anzugreifen. In dieser Koalition haben sich einstige Gegner im Bürgerkrieg von 2013-2019 zusammengefunden, islamistische SELEKA und christliche AntiBALAKA. Diese neue Gruppierung versuchte nun, die Proklamation der Wiederwahl von Faustin Archange Touadéra als Präsident zu verhindern oder mindestens zu stören.

Anhänger von François Bozizé

Es handelt sich um neu formierte Anhänger des 2013 gestürzten Staatschefs General François Bozizé, eines Christen, der noch dazu seine eigene Kongregation gegründet hat. Dazu kamen zwei Rebellengruppen, die damals direkt seinen Sturz verursacht hatten. Der Friedensvertrag von 2019, der den nach Bozizés Sturz folgenden Bürgerkrieg beendete, war ihren Führern mit hohen Regierungsposten versüsst worden. Jetzt wollte der General, der einst auch mit Gaddafi zusammengearbeitet haben soll, wieder an die Macht kommen. Seine Anhänger versuchten einen «Marsch auf Bangui».

«Ihre Angriffe konnten jedoch an den Stadteingängen zurückgeschlagen werden», berichtet «SPM»-Missionar Markus Ramseier. Doch haben die anrückenden Rebellen kleine Dörfer in den Agglomerationen der Hauptstadt Bangui und z.T. in ihrem westlichen und nordwestlichen Hinterland überfallen und in ihre Gewalt gebracht. So sind die Menschen aus diesen Dörfern erneut auf der Flucht: «Da etliche dieser Dörfer am Ubangi liegen, sind viele Dorfbewohner mit Booten über den Fluss in die Demokratische Republik Kongo geflüchtet.» Dort warten sie den weiteren Gang der Dinge ab.

Pfingstkirchen stark betroffen

Aus Sicht der Pfingstkirchen bedeutet das, dass die Kirchgemeinden in diesen Dörfern momentan ihre Anlässe nicht wie gewohnt durchführen können, da die meisten Mitglieder ja geflüchtet sind. Ramseier weiter: «Von den meisten Pastoren habe ich jedoch die Nachricht, dass sie ihre Kirchen nicht verlassen haben oder inzwischen wieder zurückgekehrt sind und versuchen, den Gemeindealltag möglichst schnell wieder zu normalisieren. Von Opfern im Umkreis der Pfingstkirchen habe ich bisher nichts gehört, jedoch sind solche nicht auszuschliessen.»

50'000 Flüchtlinge

Bei den Überfällen wurden jedenfalls auch Zivilisten getötet. Dazu haben Missionar Markus Ramseier und seine Frau Esther aber keine genaueren Daten. Die internationalen Angaben zur Fluchtbewegung und Lebensmittelverknappung in der Zentralafrikanischen Republik sprechen eine umso deutlichere Sprache: Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat angesichts drastisch steigender Vertriebenenzahlen ein sofortiges Ende des Konflikts gefordert. Allein über den Ubangi-Grenzfluss seien schon rund 50'000 Menschen geflohen, im Land selbst sind Zehntausende auf der Flucht.

Dazu UNHCR-Sprecher Boris Tschekirkov: «Die Entwicklung macht alle bisher erreichten Fortschritte zunichte, alle Konfliktparteien müssen sich umgehend an den Verhandlungstisch setzen.» Vor den Folgen der jüngsten Gewaltausbrüche rund um die Wahlen in der Zentralafrikanischen Republik warnt auch die Hilfsorganisation «Aktion gegen den Hunger»: Rund 2,3 Millionen Menschen seien dort von «akutem Nahrungsmittelmangel» betroffen – eine Zahl, die schnell anzuschwellen drohe, die Lebensmittelpreise stiegen dramatisch.

Die Hoffnung bleibt

Aufgrund der angespannten Sicherheitslage haben auch die SOS-Kinderdörfer im Lande ihre Hilfsprogramme in vielen ELIM-Pfingstgemeinden vorerst unterbrochen. Durch Strassensperren würden wichtige Versorgungswege abgeschnitten. Doch Markus Ramseiers italienischer Missionarskollege Giuseppe Trinchero gibt die Hoffnung nicht auf: «Ich glaube, dass der Bevölkerung bewusst ist, wie wichtig es ist, keinen Schritt zurück zu machen. Die Hoffnung ist, vorwärts zu gehen, auch wenn die Situation extrem fragil und delikat ist.»

Zum Thema:
Zentralafrikanische Republik: Pfingstgemeinden sind zu Stützen des Friedens geworden
In Zentralafrika: Erstaunliches Gemeindewachstum unter den Pygmäen
«Grossartige Geschichten zu erzählen»: Was uns die Stämme vom Kongo-Fluss lehren

Datum: 21.01.2021
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Im Iran
Viele Christen versammeln sich jeden Abend im Iran, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern und das Abendmahl zu nehmen. Im Vergleich zu einmal pro Monat...
Isaak und Abimelech
Evan Thomas hat über 40 Jahre der Versöhnung zwischen lokalen Nachfolgern Jesu im israelisch-palästinensischen Konflikt gewidmet. Er stellt das...
Neuausrichtung
Vreni Müllhaupt ist in einer Bauernfamilie gross geworden. Dass sie einmal Strassenkinder der peruanischen Hauptstadt Lima aufsuchen würde, hatte sie...
In Mikronesien
Ein Missionsflugdienst leistet humanitäre Hilfe im Inselgebiet Mikronesien. Er nimmt aber auch Passagiere an Bord und breitet das Evangelium aus.

Anzeige