Kampf gegen Drogen und HIV

«Menschen behandeln, nicht Krankheiten»

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William Cooke (Bild: in-afp.org)
Der Arzt William Cooke kämpft an vorderster Front gegen die Opioid- und HIV-Epidemie und erhielt für seinen Einsatz mehrere Preise. Erschöpft fragte er einmal Gott, ob er auf dem richtigen Weg sei. Gerade als er das Handtuch werfen wollte, kam die Antwort auf seine Frage von einem unerwarteten Ort…

Seine Familie blickt auf eine lange Geschichte in Armut, berichtet William Cooke: «Meine Mutter wuchs als Hausbesetzerin am Ohio River auf. Einmal musste die Familie ihr Hab und Gut packen – alles was sie tragen konnten – und im Schutze der Nacht und des Schocks nach einer Unterkunft suchen. So ist sie aufgewachsen…»

Armut, Drogen und toxischer Stress. Sie kam raus und wollte die eigene Familie nicht dem gleichen aussetzen. «Auch deshalb sind wir so eng mit unserer christlichen Gemeinde verbunden. Wir waren immer da, wenn die Türen offen waren. Sonntagmorgen, Sonntagabend, Mittwochabend, Revivals unter der Woche und wir halfen bei verschiedenen Programmen mit. Mein Vater fuhr den Kirchenbus, mit diesem haben wir Kinder auf dem Weg abgeholt.»

Verlangen zu dienen

Seine Berufung, Mediziner zu werden, erhielt er im Alter von 15 Jahren durch einen Gastredner in der Kirche. «Ich spürte dieses überwältigende Verlangen, etwas für Gott und für die Menschen zu tun.»

Der Eintritt ins College war eine Herausforderung. «Ich wuchs in einem armen Elternhaus ohne viele Mittel auf. Die meisten in meiner Familie hatten nie einen Schulabschluss erhalten, geschweige denn ein College besucht.»

Schliesslich gelang der Abschluss und er wollte sich für Menschen engagieren, die keinen Zugang zum Gesundheitswesen hatten und die ohne Hoffnung waren. Er entschied sich, sich in den Appalachen im Osten der USA zu engagieren. «Diese Gegend ist überschwemmt mit Opioidkonsum und Armut.»

«Traum nicht für alle zugänglich»

Als er 2004 nach Austin in Indiana kam und seine Praxis eröffnete war er überwältigt vom Ausmass an Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. «Ich wusste nicht, dass eine Gemeinschaft, die so abgekoppelt, so deprimiert, so hoffnungslos und voller erlernter Hilflosigkeit ist, in den USA existiert.»

Er begann zu erkennen, dass es dort etwas wirklich Dunkles gab, «dieses Gefühl, dass der amerikanische Traum nicht für jeden zugänglich war». Und er erkannte, dass es «den Menschen nicht gut geht, wenn all die guten Entscheidungen, die sie treffen, keine Rolle spielen, weil die Nöte, denen sie ausgesetzt sind, so überwältigend sind, dass sie unüberwindbar sind».

Es galt, einen Weg zu finden, den Menschen eine grundlegende Sicherheit zu bieten, ihnen ein festes Fundament zu geben.

Opioid-Krise an der Wurzel bekämpfen

«Zuerst sahen wir, wie sich Hepatitis C in der Gegend ausbreitete. Und das war ein wirklich grosses Warnzeichen, oft wird dies als Vorbote für HIV angesehen. Wir mussten in der Lage sein, in die Gemeinden zu gehen und die Leute zu testen und ihnen sichere Möglichkeiten der Injektion zu bieten, damit diese Krankheiten sich nicht verbreiteten.»

Doch das Ansinnen wurde ignoriert. Im Jahr 2015 erfolgten positive HIV-Tests, «was sich im Laufe des Jahres zu einem der grössten HIV-Ausbrüche der Welt ausweitete». William Cooke war der einzige Arzt in der Gegend und das machte den Leuten Angst. «Sie fürchteten, sich vielleicht im Wartezimmer oder im Untersuchungsraum mit HIV zu infizieren.»

Bald wurde die grosse Öffentlichkeit auf die Lage aufmerksam. «Ich wollte den Menschen eine Stimme geben, deren Stimmen nicht gehört wurden.» Denn HIV war nur das oberflächliche Symptom eines tieferen Problems, das generationsbedingte Wurzeln hat. «Wir mussten Menschen behandeln, nicht Krankheiten.»

Kraft schwindet

Der Kampf gegen die Krankheit war zermürbend. «Ich erinnere mich, wie ich auf den Knien lag, wie mir die Tränen über das Gesicht liefen und ich Gott fragte, was ich tun sollte. Ich hatte keine Kraft mehr.»

Ein Jahrzehnt lang hatte er sein Leben in diese Arbeit gesteckt und viel geopfert. «Und es schien, als ob alles keine Rolle mehr spielt.» Dabei hatte er alles getan, um etwas zu bewirken.

«Ich hatte diese Vorstellung, dass wenn ich genug Glauben hatte und hart genug für die Menschen in Austin kämpfte, dass Gott die Lücke füllen und die Veränderung bewirken würde. Und ich hatte meinen Teil getan.» Und die Leute im Ort hatten es versucht… «Es war zu hart, Menschen leiden und sterben zu sehen, ohne die Mittel, die sie brauchten. Und ich hatte nicht die Mittel, um ihnen zu helfen.»

Auf dem Boot

William Cooke ging auf eine Missionsreise an den Amazonas. «Ich stieg in ein Boot, das mitten ins Nirgendwo hinausfuhr. Es gab keine Strassen oder irgendetwas, womit die Dörfer, die wir besuchen wollten, erreicht werden könnten. Ich beobachtete, wie diese Gemeinden sich umeinander kümmerten. Sie versorgten sich gegenseitig und halfen sich.»

An einem Ort verschmolzen die Flüsse. Sie kamen zusammen, um den Amazonas zu bilden, den grössten Fluss der Welt. «Sie mussten ihre Identität aufgeben, um Teil von etwas Grösserem als sich selbst zu werden.»

Für ihn war es, als würde Gott ihm sagen, dass er sich hingeben müsse. «Die Geschichte von Austin war nicht meine Geschichte, es geht nicht darum, dass ich reinkomme und den Tag rette. Die Geschichte von Austin ist die Geschichte von Austin. Und ich war einfach ein Teil davon und es reichte, wenn ich mich mit den Menschen verbinde und ihnen Liebe und Mitgefühl zeige, oft zum ersten Mal in ihrem Leben – und dass das in Ordnung ist.»

Die Veränderung

Seither begann eine Erfolgsgeschichte. «Wir sind von einer der schlimmsten HIV-Inzidenzen der Welt zu der besten im ganzen Bundesstaat geworden.» Viele haben sich auch mit christlichen Gemeinden verbunden. «Wir freuen uns, dass Menschen, die mehr als alle anderen den Anschluss verloren haben, wieder an die Gemeinschaft herangeführt werden.»

Für William Cooke und sein Team geht es darum, «Voreingenommenheit, Erwartungen und Vorurteile zurückzuhalten und einfach unsere Geschichte hinter uns zu lassen und in ihre Geschichte einzutreten und zu erfahren, was es heisst, sie zu sein. Und die Menschen so zu lieben, wie Gott uns geliebt hat, eine Liebe, die sehr handlungsorientiert ist und uns dann die Möglichkeit gibt, auf eine handlungsfähige Weise aus dem Glauben zu leben.»

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Datum: 18.06.2021
Autor: Jesus Calling / Daniel Gerber
Quelle: Jesus Calling / gekürzte Übersetzung: Jesus.ch

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