Vertrieben und versklavt – doch jetzt kehren die Kinder Manasses heim

Ihre Odyssee ist lang, doch jetzt kehren sie zurück: die Kinder Manasses, Nachkommen eines alten israelischen Stammes. Nach dem babylonischen Exil folgte Unterdrückung durch den Islam. Zuletzt lebten und leben die «B¹nej Menashe» in Nordostindien.

800 Menschen des verlorenen Stammes sind zurück. Wir berichteten in einem Interview mit Michael Freund. Heute leben viele von ihnen in drei jüdischen Siedlungen in der Westbank (Samaria und Galiläa), wo sie bereits vor rund 2700 Jahren heimisch waren. Einige von ihnen halten sich in einer Siedlung in Gaza Nun auf und lernen dort in bombensicheren Kellern Hebräisch.

Millionen von ihnen leben in den beiden indischen Staaten Mizoram und Manipur leben. Die grosse Mehrheit von ihnen sind Christen, rund 6000 verstehen sich wieder als Juden. Für sie ist die Einwanderung in Israel eine spirituelle Heimkehr. Amishav*-Direktor Michael Freund unterstützt sie darin: «Wir bringen die Juden nach Israel», sagt er. Die Christen hingegen leben gerne weiterhin in Indien.

Amishav will alle 6000 nach Israel bringen. «Sie arbeiten hart, dienen in der Armee und führen gute Familien», sagt Michael Freund. Sie seien bestimmt ein Segen für das Land, aber auch ein Politikum. Die Organisation «Peace Now» vertritt die Meinung, man wolle mit diesen Neuankömmlingen die Zahl der Siedler steigen und die jüdische Population gegenüber der arabischen steigern. Michael Freund hält mit dem Argument dagegen, dass die B’nej Menashe tief im Judentum verwurzelt sind. Diese Gruppe habe eine lange Tradition.

Um die halbe Welt gewandert

Gemäss Rabbi Eliyahu Avichail, Gründer und Vorsitzender von Amishav, erlebte auch der Stamm Manasse die assyrische Eroberung mit. Salmanasser V. verschleppte im Jahr 722 vor Christus die verschiedenen Stämme ins babylonische Exil und siedelte sie in Halah, Habor und dem Fluss Gozan an.

Später, im Jahre 457 v. Ch., siedelten die Angehörigen des Stammes Manasse in Persien unter Darius I. und dessen Sohn Xerxes I. Als die Armeen Alexanders des Grossen 331 vor Christus den Nahen und Mittleren Osten überrollten, eroberten sie auch Persien, Afghanistan und Indien. Jüdische Stämme zogen ins Exil nach Afghanistan und in andere Länder, wo sie Schafhirten wurden und später andere Gottheiten verehren sollten.

Sklaven in China

Während und nach der islamischen Eroberung im 8. Jahrhundert wurden sie gedrängt, zum Islam überzutretetn. Damit sollte die Manasse-Odyssee aber noch nicht beendet sein. Aus Afghanistan emigrierten sie durch den Hindukusch nach China und folgten dem Wie-Fluss bis nach Zentralchina. In guter Erinnerung bleibt diese Stammesepoche nicht: Sie wurden dort versklavt.

Nach dieser Periode zogen sie weiter nach Siam, ins heutige Thailand, und weitere ostasiatische Gebiete. Später ging die Reise via Burma nach Kalmiyo in den chinesischen Bergen. Im 18. Jahrhundert zogen sie dann in die heutigen indischen Bundesstaaten Manipur und Mizoram.

1813 kamen britische Missionare. Sie verteilten den Manasse Bibeln. Sehr entschieden konvertierte der Stamm zum Christentum.

«The way back home!»

Vor rund 50 Jahren hatte einer ihrer Führer die Vision, dass es Zeit sei, zurück ins Land der Vorväter zu ziehen. Um 1970 fanden sie, dass sie zuerst zum Judentum zurückkehren müssten und dann erst nach Zion. Sie beschnitten sich, bauten Synagogen, beteten auf hebräisch und führten den Sabbat ein. 1980 sandten sie zwei junge Manasse nach Israel, Gideon Ray und Shimon Isak, wo sie in einem Kibbuz lebten.

Inzwischen hatte der «verlorene Stamm» auch Kontakt zur israelischen Regierung aufgenommen, und eine rabbinische Prüfung auf ihre Authenzität wurde durchgeführt. Seit 1991 sind nun rund 800 eingewandert; viele der Jungen heirateten mit anderen Israelis oder Emigranten aus der Diaspora. Michael Freund sagt in unserem Interview: «Bis zum Ende des Jahrzehnts wollen wir alle B’nej Menashe nach Israel bringen.»

* siehe www.amishav.org.il
Das hebräische Wort Amishav bedeutet übersetzt: «Mein Volk kehrt zurück.»

Datum: 05.03.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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