Bischof Nazir-Ali in Zürich

«In Syrien wiederholt sich die Geschichte!»

Der anglikanische Bischof Michael Nazir-Ali ist seit langem im muslimisch-christlichen Dialog engagiert. Nun analysiert der einstige britische Parlamentarier in Zürich die aktuelle Lage und das Attentat in London, das die Welt schockierte.

Westliche Medien wie auch Politiker hätten den Arabischen Frühling missverstanden, bilanziert der in Pakistan aufgewachsene Bischof Nazir-Ali im Gespräch mit livenet.ch. «Die Radikalen spielten stets die prägende Rolle; die Salafisten und die Wahhabiten. Sie benutzten die säkularen Gruppen, um der Welt das Gefühl zu geben, dass alles eine Bewegung der säkularen Jugend ist. Doch das war nie der Fall.»

Die Proteste auf dem Tahir-Platz in Kairo erinnerten Nazir-Ali umgehend an die Lage im Iran 1979. «Auch da verbündeten sich die Radikalen mit Säkularen. Selbst die Kommunisten wurden von den Mullahs unterstützt. Als diese aber an der Macht waren, entledigten sie sich rasch ihrer Partner. Auch als sie in Ägypten Mubarak los waren, kam ihre wahre Agenda ans Tageslicht.» Gleiches beobachtet der anglikanische Bischof in Syrien. «Es sind die Radikalen, nicht die Moderaten, welche bei den Rebellen bestimmend sind. Wir verzeichnen Angriffe auf Kirchen, viele Christen flüchten aus Syrien. Wir erleben eine Wiederholung.»

Muslimische Anwohner schämten sich

«Ich bin stets dem Dialog verpflichtet», sagt Nazir-Ali, der nach seiner Emigration nach England der erste nicht weisse Bischof der anglikanischen Kirche in England wurde. Als Bischof von Rochester (von 1994 bis 2009) leitete er den Dialog zwischen der anglikanischen Kirche und dem islamischen Bildungszentrum Al-Azhar in Kairo. Wichtig sei, auf die Freiheit für alle zu pochen. Auch für die Frauen. Oder um Kirchen bauen zu können.

«Für Christen ist es wichtig, die Muslime zu lieben», so Nazir-Ali, der von «Christian Solidarity International» (CSI) nach Zürich eingeladen wurde. «Freundschaft ist sehr wichtig. Wenn in einer Gemeinschaft Vertrauen herrscht, zwischen Christen und anderen, ist das etwas Gutes. In Lahore, Pakistan, wurden vor kurzer Zeit hunderte Häuser angegriffen, die Christen gehörten. Die Muslime aus der Nachbarschaft schämten sich deswegen derart, dass sie anboten, beim Wiederaufbau zu helfen. Das ist, weil Leiter beider Seiten miteinander reden.»

Auf Unis radikalisiert

Michael Nazir-Ali, der auch Parlamentarier im britischen Oberhaus war, ist heute Präsident des Oxford Centre for Training, Research, Advocay and Dialogue (OXTRAD). Derzeit beobachtet er den Aufruhr rund um das brutale Attentat auf einen britischen Soldaten: «Inzwischen stellte sich heraus, dass dies nicht eine Attacke zweier einzelner Personen war.» Nun müsse herausgefunden werden, wer dahintersteckt und wer sie radikalisiert hat. «Klar ist, dass es jemand tat. Es ist nicht ein Einzelfall. Junge Menschen werden auf Universitäten, in Gefängnissen und in Ghetto-ähnlichen Gegenden radikalisiert.» Was in London geschehen sei, dürfe nicht isoliert betrachtet werden.

Die Hintermänner gelte es zu identifizieren. «Das aber heisst, dass die Polizeipräsenz überall im Land gewährleistet sein muss. Und nicht, dass sie in manchen Gegenden nicht operiert, weil dort andere Kulturen das sagen haben. Es darf keine No-Go-Areas geben.»

Erweckung und Verbote

«In Atem hält uns in den nächsten Jahren auch der schiitisch-sunnitische Konflikt. Die Welt unterschätzt die Anzahl der Schiiten erheblich. Dies wird in dieser Auseinandersetzung bald sichtbar», erklärt Nazir-Ali, der selbst aus einer weitverzweigten, schiitischen Familie stammt. Sein Vater konvertierte zum katholischen Glauben.

Die teils schwere Lage der Christen deprimiere ihn nicht. «Ich vertraue auf Gott, er tut seine Arbeit. Im Iran ist eine grosse, christliche Erweckung im Gange. Gleichzeitig bin ich sehr besorgt darüber, wie an manchen Orten die Freiheit eingeschränkt wird.» Gerade in Ägypten und im Irak habe sich die Lage verschlechtert. In Syrien ebenfalls.

«Ich habe mitgeholfen, am arabischen Golf Kirchen zu errichten. Nun aber hat aber der Grossmufti von Saudi-Arabien Katar angewiesen, dass auf der ganzen arabischen Halbinsel keine Kirche stehen soll. In dieser Gegend aber leben mehrere hunderttausend Christen aus aller Welt. Was soll aus ihnen werden? Christen brauchen Sicherheit.»

Nazir Ali spricht am Donnerstag, 30. Mai 2013, in Zürich über die Auswirkungen des «Arabischen Frühlings» auf die muslimisch-christlichen Beziehungen. Veranstalter ist «Christian Solidarity International» (CSI). Der Anlass beginnt um 18.00 Uhr, im Lavaterhaus an der St.-Peter-Hofstatt 6 in 8001 Zürich.

Webseite:
Webseite CSI
Vortrag in Zürich

Datum: 30.05.2013
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Im Iran
Viele Christen versammeln sich jeden Abend im Iran, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern und das Abendmahl zu nehmen. Im Vergleich zu einmal pro Monat...
Isaak und Abimelech
Evan Thomas hat über 40 Jahre der Versöhnung zwischen lokalen Nachfolgern Jesu im israelisch-palästinensischen Konflikt gewidmet. Er stellt das...
Neuausrichtung
Vreni Müllhaupt ist in einer Bauernfamilie gross geworden. Dass sie einmal Strassenkinder der peruanischen Hauptstadt Lima aufsuchen würde, hatte sie...
In Mikronesien
Ein Missionsflugdienst leistet humanitäre Hilfe im Inselgebiet Mikronesien. Er nimmt aber auch Passagiere an Bord und breitet das Evangelium aus.

Anzeige